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Quelle: dpa/Patrick Pleul

Hintergrund

Sprechen Sie ALGisch?

ALG I, saisonbereinigte Statistik und stille Reserve - es gibt viele Begriffe rund um die Erhebung der Arbeitslosenzahlen, die immer wieder genannt werden, wenn die Bundesarbeitsagentur ihre Monatszahlen bekannt gibt. Aber was bedeuten sie überhaupt genau? Wir erklären das mal kurz.

Jeden Monat gibt die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitslosenzahlen bekannt. Doch viele Menschen, die keinen Job haben, tauchen in dieser Statistik gar nicht auf. Deshalb gibt es immer wieder Vorwürfe, die Statistik sei geschönt, damit sich die Zahlen politisch besser verkaufen lassen.

Was ist dran an diesen Vorwürfen?

Was bedeutet was?

Arbeitslosengeld I - ALG I

Arbeitslosengeld I (ALG I) ist die Leistung, auf die jeder Anspruch hat, der als Arbeitnehmer mindestens ein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Parallel zu den Beiträgen des Arbeitnehmers erhält die Agentur auch die Versicherungsbeiträge der Arbeitgeber.

Gesetzliche Grundlage für sowohl die Beiträge, als auch für die Zahlungen und für die Leistungen ist das Sozialgesetzbuch (SGB) III. Die Zahlung des ALG I ist begrenzt auf ein Jahr. Mathematische Grundlage für die Berechnung des Geldes ist der Lohn oder das Gehalt des letzten Jahres. Der sogenannte Leistungsbetrag, also die Höhe des ALG I , beträgt 60 Prozent des Durchschnittsmonatsgehalts in den letzten Beschäftigungsmonaten.

Die Bezieher des ALG I gelten in der Regel als arbeitslos, finden sich also in der Statistik wieder. Viele ALG-I-Empfänger werden aber nicht aufgeführt, wenn sie krank sind, oder wenn sie eine Weiterbildung machen.

Allerdings führt die Bundesagentur in ihrer Statistik auch mehrere hundertausend Menschen als arbeitslos, die kein Arbeitslosengeld I oder II bekommen, beispielsweise, wenn jemand aufgrund anderer Leistungen Gelder bezieht, trotzdem aber als arbeitssuchend und arbeitslos registriert ist.

Arbeitslosengeld II - ALG II

Das Arbeitslosengeld II (ALG II) wird umgangssprachlich oft synonym gebraucht mit "Hartz IV". Der Grund dafür ist die Neuregelung der Arbeitslosenversorgung im Zuge der sogenannten Hartz-Reformen ab dem Jahr 2002, für das ALG II war es die vierte Stufe der Reformen.

Teil dieser Reformstufe war eine zeitliche Begrenzung des Bezugs von ALG I auf ein Jahr, anschließend erhalten Arbeitssuchende nur noch ALG II. Allerdings gibt es einige Ausnahmen - manche waren von Anfang an vorgesehen, andere hat der Gesetzgeber aufgrund der Diskussionen um das ALG II nachträglich hinzugefügt.

Die Bundesagentur gibt an, dass im Jahr 2015 nur etwa 40 Prozent der erwerbsfähigen ALG-II-Empfänger auch als arbeitslos registriert wurden. Einer der Gründe: Einige ALG-II-Empfängr sind sogenannte Aufstocker, die eine Beschäftigung haben, dabei aber so wenig verdienen, dass sie ALG-II beziehen, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Außerdem fallen aus der monatlichen Statistik ALG-II-Bezieher, die an einer Weiterbildung teilnehmen oder krank geschrieben sind.

Beschäftigungsstatistik vs. Arbeitslosenstatistik

Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit führt nur diejenigen als arbeitslos auf, die sich  bei der Agentur als arbeitssuchend melden. Zudem muss der erfasste Arbeitslose 15 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten könnten. Die Statistik erfasst zudem keine Arbeitslosen, die krankgeschrieben sind.

In der Arbeitslosenstatistik fehlen zudem all jene, die durch Instrumente der Arbeitsmarktpolitik gefördert werden. Das betrifft die Fort- und Weiterbildung genauso wie Trainings- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Wer einen Ein-Euro-Job hat oder einen Gründungszuschuss erhält, ist ebenfalls offiziell nicht arbeitslos.

In der Statistik fehlen auch alle Personen ab einem Alter von 58 Jahren, die mindestens seit zwölf Monaten Arbeitslosengeld II beziehen und in dieser Zeit keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten bekommen haben. Zusätzlich streicht die Arbeitsagentur alle aus der Statistik, die eine Vermittlung erschweren, weil sie ihre Pflichten bei der Jobsuche nicht erfüllen - zum Beispiel, weil sie nicht oder nicht zeitnah dazu bereit sind, an Maßnahmen der Arbeitsagenturen teilzunehmen, oder weil sie sich weigern, eine "zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes" anzunehmen. Also: Wer nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftaucht, muss nicht unbedingt auch einen neuen Job haben.

Erwerbslosenquote nach ILO-Standard

Um die Arbeitslosenzahlen auch international vergleichbar zu machen, berechnen viele Länder abweichend von ihren nationalen Erhebungsgrundsätzen ihre Arbeitslosenzahlen nach dem sogenannten ILO-Standard. Für die Internationalen Arbeitsorganisation ILO gilt jemand bereits nicht mehr als arbeitslos, wenn er mindestens eine Stunde pro Woche arbeitet. Grundlage dieser ILO-Zahlen sind stichprobenartige Befragungen des Statistischen Bundesamtes und nicht die Zahlen und Erhebungen der Bundesagentur. Meist liegt die Arbeitslosenquote der Bundesagentur darum auch über der ILO-Erwerbslosenquote.

Offene Stellen

Die Bundesagentur erhebt neben den Arbeitslosenzahlen auch eine Statistik über offene Stellen auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Das sind freie Stellen, die nicht durch Bundesgelder gefördert oder mitfinanziert werden.

Diese Statistik ist aber nur von eingeschränktem Nutzen, weil Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, freie Jobs der Bundesagentur zu melden. Hinzu kommen mögliche Doppelungen, weil Arbeitgeber ihre freien Stellen parallel bei mehreren Jobbörsen anmelden, die alle aber möglicherweise auch von der Bundesagentur ausgewertet werden. Um verlässliche Zahlen für die Arbeitsmarktentwicklung zu bekommen, erforscht die Bundesagentur deshalb auch selbst Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Erhebungen werden allerdings nur einige Male im Jahr ausgewertet.

Saisonbereinigte Zahlen

Die Idee der Arbeitslosenzahlen ist es, eine Entwicklung abzulesen: Sind mehr oder sind weniger Leute in Arbeit? Daraus lassen sich Schlüsse für die wirtschaftliche Entwicklung ziehen. In kälteren Monaten sind meist mehr Menschen arbeitslos, weil viele Unternehmen – etwa in der Baubranche, der Gastronomie oder der Landwirtschaft, - nur sehr eingeschränkt arbeiten können, wenn es draußen kalt ist.

Um also Juli-Arbeitslosenzahlen mit Dezember-Arbeitslosenzahlen zu vergleichen, werden diese saisonbereinigt. Dies geschieht durch den Vergleich über Jahre, also das Herausrechnen des sogenannten Jahreszeiteneffekts. Sehr vereinfacht: Wenn alljährlich die Januarzahlen drei Prozentpunkte über den Juli-Zahlen liegen und ein Großteil davon arbeitslose Bauarbeiter, LPG-Angestellte und Kellner sind, dann zieht man ganz einfach drei Prozentpunkte von den Januar-Zahlen ab und kann - grob - sehen, wo die Entwicklung der Arbeitslosigkeit hin geht.

Stille Reserve vs. Verdeckte Arbeitslosigkeit

Den Begriff "stille Reserve" nutzen Arbeitsmarktexperten bei der Einschätzung von Statistiken und Entwicklungen. Als "stille Reserve" gelten zum einen jene Arbeitnehmer, die aktuell einen Job suchen, aber nicht bei der Arbeitsagentur registriert sind. Zum anderen zählen Leute dazu, die einen Job suchen und annehmen würden, dies aber vorübergehend aufgrund einer schlechten Konjunkturlage aufgegeben haben.

Ebenfalls Teil der "stillen Reserve" sind Menschen, die die Bundesagentur aus der aktuellen Arbeitslosenzahl herausrechnet, weil sie Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen absolvieren oder weil sie frühverrentet wurden, aber noch erwerbsfähig wären. "Stille Reserve" also heißt im Grunde genommen: Da sind noch Arbeitnehmer, die arbeiten könnten, aber aktuell nicht registriert werden.

Der Begriff "Verdeckte Arbeitslosigkeit" zielt dagegen dient vor allem Sozialforschern, den Gegensatz von Statistik und sozialer Realität darzustellen. So gilt als verdeckt arbeitslos, wer keinen Job hat, aber eine Weiterbildung macht und deshalb von der Agentur nicht als arbeitslos gezählt wird. Ebenso ist natürlich jemand "verdeckt arbeitslos", wenn er nach Arbeit sucht, aber dafür nicht mehr zur Arbeitsagentur geht und sich dort auch nicht registrieren lässt.

Vermittelbarkeit

Der Begriff "Vermittelbarkeit" wird verwendet bei der Einordnung von Arbeitslosen durch die Bundesagentur. Ein Abschnitt des SGB III, eine Vorschrift des Paragrapühen 119, definiert die sogenannten "Untervoraussetzungen", die ein Arbeitsloser erfüllen muss, damit er auch Arbeitslosengeld erhält. Um "vermittelbar" zu sein, muss ein Arbeitsloser beispielsweise bereit sein, auch Jobs anzunehmen, die deutlich weniger Lohn oder Gehalt versprechen, als der Arbeitnehmer vor seiner Arbeitslosigkeit verdiente. Auch muss der Arbeitslose bereit sein, längere Arbeitswege in Kauf zu nehmen oder eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen.

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