rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Audio: rbb24 Inforadio | 31.05.2023 | Hendrik Schröder | Quelle: PIC ONE/B.Kriemann

Konzertkritik | Helene Fischer in Berlin

Die Maschinenfrau

Fünf Abende spielt Helene Fischer in dieser Woche in der Mercedes-Benz-Arena, der größten Halle in Berlin. Die Show der Superlative erinnert Hendrik Schröder am Auftaktabend eher an Leistungssport als an ein Konzert.

"Ach, das wird schön", sagen zwei Fans mit Helene-Fischer-Becher in der Hand kurz vor Beginn der Show auf der Terrasse der Mercedes-Benz-Arena - und geben sich einen innigen Kuss. Und sie sind nicht die einzigen, die sich offenbar wahnsinnig auf diese Show freuen. Man sieht Gruppen von Freunden in identischen Helene-T-Shirts, Oma mit Enkelin, beide eine glitzernde Spange im Haar, Hand in Hand, Muskeltypen, Kegelclubs, befreundete Ehepaare, Fußballkumpels und alle sind sie ganz schön gackerig und aufgeregt.

Fackeln, Feuer, Akrobatik

Die schwarz-rote Bühne sieht von vorne aus wie das Batmobil. Hinten gibt es noch eine Art faltbaren Gittervorhang, da soll später die Band sichtbar werden, oben über der Bühne hängt eine Art roter, stoffbezogener Kokon. Plötzlich fliegen die Stoffbahnen weg und geben Helene Fischer frei, wie sie an einem Stahlseil von der Decke hängt. Wie lange saß sie da schon?

Was für ein Auftakt, die Halle steht Kopf. Und das war erst der Anfang einer rastlosen Zirkusshow, die man im Rahmen von Musikdarbietungen so sehr selten sieht, eigentlich nie. 20 Artist:innen entern die Bühne, die fortan ständig in Bewegung einen unglaublich schweißtreibenden Alarm veranstalten. In Tücher gewickelt baumeln sie von der Decke, sie schwingen Fackeln, turnen durch Wassersäulen.

Das ist eine Show, die zwar komplett auf Helene Fischer zugeschnitten ist - sie ist immer im Mittelpunkt, sie steht mit im Feuerkreis, sie fliegt mit durch die Wassersäule - die aber auch ohne die Sängerin sofort funktionieren würde.

Konzertkritik | Herbert Grönemeyer in Berlin

Ein Volksfest für die Fans

Anfang Juni kommt er noch mal in die Waldbühne, am Sonntag war Herbert Grönemeyer in der Mercedes Benz-Arena zu Gast. Volle drei Stunden lang sang er fast alle großen Hits, die sich seit den 1980er Jahren ins kollektive Musikgedächtnis eingebrannt haben. Von Silke Mehring

Sexappeal und Biederkeit

Das erste was an der Bühnenperson Helene Fischer auffällt, ist ja diese Diskrepanz zwischen dem übersexualisierten Proto-Äußeren, also Ledercorsage mit halb-freien Pobacken, Netzstrumpfhose, tiefer Ausschnitt - und dieser totalen Biederkeit in ihren Ansagen und Ansprachen. "Hey, Ihr Lieben, toll, Ihr Lieben, wir freuen uns so so sehr, Ihr Lieben" und so weiter blablat Fischer mehrmals am Abend in ihr dickes Mikrofon. Und sagt nicht einen einzigen irgendwie interessanten Satz.

Dazu die Lyrics aus Textbausteinen, eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und kreativlosen Reimen über irgendwas mit Liebe und Autobahn oder Freundschaft. Also es ist grausam. Es ist auch egal, ob sie was aus dem neuen Album "Rausch" spielt oder vom Übererfolg "Farbenspiel". Klingt alles gleich. Ein bisschen Dancefloor-Bums, ein bisschen Gefühl aus der Tüte, fertig. Bis auf wenige Ausnahmen alles gleich schnell, gleich laut.

Leistung, Kondition, Perfektion

Das zweite, was auffällt, ist die Energie, die Leistungsfähigkeit, die Kondition, die Stimme dieser Frau. Das ist überirdisch. Helene Fischer hängt an einem Trapez kopfüber in der Luft und singt weiter. Singt in jeder Lage, rennend durch die Halle, an Händen gehalten in einer Säule aus Wasser. Singt vielleicht mit hier und da etwas Unterstützung ihrer Backgroundsänger oder vom Band, aber doch immer live und immer grandios.

Das ist Wahnsinn. Das kann niemand anderes in Deutschland, vielleicht auf der ganzen Welt nicht. Zwei Stunden lang tanzt Helene Fischer die strenge und rasende Choreographie ihrer Tänzer:innen mit. Sie schwebt im Spagat an einer Stange durch die Halle und lächelt und lächelt und lächelt dabei und singt keinen falschen Ton, die Stimme hat immer Kraft, Volumen, Druck. Wie eine perfekte Maschine. Perfektes Make-up, perfekte Figur. Die Frau ist nicht von dieser Welt.

Konzertkritik | Nina Chuba in Berlin

Mal aggressiv, mal melodisch

TikTok-Star, Nummer 1 in den Single- und Album-Charts: Der Wandel vom Kinderstar zum Popstar ist Nina Chuba rasant gelungen. Die Erwartungen waren dementsprechend groß beim Publikum in der ausverkauften Berliner Columbiahalle. Von Simon Brauer

Hyper-Kommerz mit Werbepause

In der Pause läuft dann auf den Videowänden Werbung für einen Discounter, es ist etwas peinlich. Wenn das die Konzertzukunft ist, dann gute Nacht. Warum nicht auch zwischendurch? "Atemlos durch die Nacht" wird Ihnen präsentiert von Superbillig-Supermärkte. Da wären doch für die laut Forbes Ranking geschätzt 32 Millionen US-Dollar im Jahr verdienende Helene Fischer noch ein paar Taler extra drin.

Der Liebe der Fans tut der Hyper-Kommerz jedenfalls keinen Abbruch, sie sind voller abgöttischer Liebe für ihre Helene und das ist sehr rührend und schön mitzuerleben. Wenn sie durchs Publikum geht, hört man das Kreischen junger Frauen über Fischers Headset-Mikrofon. Schilder werden gereckt: "We love you" steht drauf. Oder: "Neun Jahre Freundschaft wegen Helene".

Zu ihrem größten Hit kommt Fischer dann in den hinteren Teil der Halle, da steht eine Art Teleskopkran, der sie mehrere Meter in der Höhe durch die Luft schmeißt und mal in diese, dann in jene Richtung biegt. So ist sie 15 Sekunden lang auf der linken Seite, dann zehn auf der rechten, jeder hat was von ihr und irgendwie auch keiner, so sehr zappelt dieses Ein-Frau-Rummelplatzfahrgeschäft hin und her. Und man fragt sich, wie hart und eisern und entschlossen Helene Fischer trainieren und üben muss, um derart abzuliefern. Das ist kein Konzert, das ist Wettkampfsport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.05.2023, 7:55 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

Artikel im mobilen Angebot lesen