Konzertkritik | Paul Kalkbrenner in Berlin - DJ-Set trifft Konzert-Dramaturgie

Mo 24.07.23 | 09:21 Uhr | Von Alexander Soyez
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Archivbild: Paul Kalkbrenner performt am 16. Juli 2023 auf dem Festival Les Vieilles Charrues in Carhaix, Frankreich. (Quelle: dpa/Julien Reynaud/APS-Medias)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.07.2023 | Alexander Soyez | Bild: Julien Reynaud/APS-Medias

Beim einzigen Solo-Konzert des Berliners Techno-DJs Paul Kalkbrenner in der Wuhlheide war Volksfeststimmung angesagt. Was mit einer kleinen Panne begann, entwickelte sich zur gewohnt mitreißenden Performance - mit knalligem Ende. Von Alexander Soyez

17.000 Fans tummeln sich auf den Rängen und vor der Bühne der komplett ausverkauften Wuhlheide. Bestens eingestimmt wird das Publikum an diesem Sonntagabend von dem in Berlin lebenden Techno-Musiker Monolink. Dann sollte für den großen Auftritt Paul Kalkbrenners nur noch der Vorhang fallen, der dann eher heruntergerissen werden muss, weil er sich verhakt hatte.

Gemischtes Publikum statt Techno-Jünger

Die kleine Panne sorgt für einen sympathischen Auftakt: Sowohl Paul Kalkbrenner als auch die Fans in der Wuhlheide nehmen es mit Humor. Fans, die keine Techno-Jünger sind, sondern ein großes, gemischtes Publikum, das man auch bei jedem anderen Pop-Konzert hätte treffen können. Denn spätestens seit seinem Erfolgssong "Sky and Sand", den er gemeinsam mit seinem kleinen Bruder Fritz als Titelsong für den Kultfilm über die Technoszene "Berlin Calling" produziert hat, ist er aus dieser überschaubaren Szene herausgewachsen.

Bis heute ist "Sky and Sand" Kalkbrenners bekanntestes Stück. Eingängiger noch als seine anderen elektronischen Kompositionen, die allerdings auch nicht unbedingt die berühmt-berüchtigte Techno-Härte mit sich bringen, gefälliger, salonfähiger, etwas poppiger sind, auf die beste Art und Weise Mainstream, aber auch eigenständig und kunstvoll in ihren rhythmischen Klang- und Soundschöpfungen.

Soundinstallation als Performance

Auch wenn jedes Stück, jeder Song naturgemäß aus der Konserve kommt, zusammengesetzt ist aus vorprogrammierten, vorgefertigten Samples, Aufnahmen, elektronischen Beats und Klängen, die er buchstäblich auf Knopfdruck abspielen könnte, ist jeder seiner Live-Autritte ein Unikat. Ein zusammenhängendes Set, das er vor Ort fast wie in einer Art musikalischer Trance erschafft - eine Sound-Installation aus seinen Hits, ein Live-Remix seines eigenen Werks.

Genau das macht auch in der Wulheide wieder den Reiz des Abends aus, die spezielle Mischung aus DJ-Set und Konzert-Dramaturgie. Umringt von drei Leinwänden, die - abgesehen von ein paar grelleren Lichteffekteinlagen - hauptsächlich ihn zeigen, steht Paul Kalkbrenner auf seinem Mischpult-Altar und bedient hunderte kleine Regler, während sich seine Musik selbstvergessen in seinem Gesicht, seinem Körper und in jeder seiner Gesten spiegelt.

Vom Schunkel- in den Tanzmodus

Es ist eine Kalkbrenner-Show, die sich in in dem mehr als zweistündigen Auftritt immer weiter steigert, während er das Publikum langsam und gekonnt immer mehr antreibt und mitreißt. In der noch hellen ersten Hälfte des Abends puristisch und fast nur auf die Musik konzentriert, in der aufkommenden Dunkelheit schließlich mit Feuer-, Funken- und Nebeleinlagen, die den einsetzenden Nieselregen vergessen lassen und mit immer dringlicheren Beats die Wuhlheide aus dem Schunkel- in den Tanzmodus treibt. Bis zur Ekstase hat es zwar nicht ganz gereicht, aber immerhin zu einer herrlich schwebenden Techno-Meditation.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.07.2023, 6:55 Uhr

Beitrag von Alexander Soyez

9 Kommentare

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  1. 9.

    Genuss und Freude sei jedem gegönnt. Das Einfordern der Toleranz von Zwangsbeglückungen ist aber keine Lösung.
    Eine Erholungsphase braucht der (arbeitende) Mensch auch, warum nicht an EINEM Tag der Woche - am Sonntag,
    an dem die Maschinen schweigen. Es sollte auch technische Lösungen geben, die Reichweite des Schalls zu begrenzen.
    Bitte lasst die TVO mit Schallschutzwand endlich kommen, damit die Güterwaggons nachts nicht so klappern.

  2. 8.

    Das Konzert ging bis 22:30 Uhr. Also war die Nachtruhe sehr wohl gewährleistet. Leute, wir leben in Berlin und nicht auf dem Dorf. Obwohl es auch da im Sommer mal wegen der jährlichen Feste, auf denen die Menschen friedlich feiern und tanzen mal richtig laut zugeht. Gerade selbst erlebt. Mit etwas Toleranz kann man sich darüber auch mal freuen. Lasst uns das eher genießen, dass es solche tollen Konzerte und Orte noch gibt.

  3. 7.

    viel zu laut, selbst am Bahnhof Kaulsdorf waren die Bässe zu hören....von Nachtruhe keine Spur

  4. 5.

    Der Soundcheck war mittags, die "Musik" etwa 19:00 .. 22:20. Warum muss man solche Veranstaltungen an einem Sonntag durchführen? Der Wind stand günstig, 2km entfernt war nix mit Ruhe, nicht mal im Haus. Zum Schluss war wohl auch noch die Polizei da.

  5. 4.

    Bei einem am Montag, 24.7. erschienenen Artikel liegt durch die Worte "an diesem Sonntagabend" die Vermutung nahe, dass es am 23.07. war.

  6. 1.

    Wann war denn das Konzert? Das gehört schon in so einen Bericht.

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