Interview | Rainald Grebe - "Ich bin immer noch da und hoffe, dass ich das auch Ende Juli bin"

So 16.07.23 | 07:48 Uhr
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Rainald Grebe, Liedermacher, Schauspieler und Kabarettist, am 28.06.2023 in der Waldbühne (Quelle: IMAGO/Sabine Gudath)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.07.2023 | Rainald Grebe im Gespräch | Bild: IMAGO/Sabine Gudath

Seinen Federnschmuck will Rainald Grebe beim Konzert in der Waldbühne Ende Juli weglassen, auch gesundheitlich hat er Federn gelassen, sagt er dem rbb. Ein Gespräch über Hoffnung, Verantwortung und natürlich seinen Kulthit "Brandenburg".

Rbb: Rainald Grebe, Sie spielen am 29. Juli in der Waldbühne. Das letzte Mal sind sie dort zu ihrem 40. Geburtstag 2011 aufgetreten. Wer ist Rainald Grebe jetzt - zwölf Jahre später?

Rainald Grebe: Ein Schatten seiner selbst würde ich sagen. Ich bin älter. Ich bin leider krank geworden. Ich muss jetzt sehen, wie ich das irgendwie körperlich schaffe. Und es ist wahrscheinlich das letzte Mal. Also was soll ich sagen? Ich bin immer noch da und hoffe, dass ich das auch Ende Juli bin.

zur person

Porträt von Rainhald Grebe (Quelle: dpa/Hannes P. Albert)
dpa/Hannes P. Albert

Rainald Grebe ist ein "household name" in Berlin und Brandenburg. Sein ironischer Blick auf den Zeitgeist machte den 1971 geborenen Sänger schnell zu einer Kultfigur. Ob als Comedian, Schauspieler, Regisseur oder Autor, Grebe ist im Theater und auf Kleinkunstbühnen genauso zuhause wie in der großen Waldbühne. Dort hat er zum ersten Mal 2011 gespielt, unvergessen ist sein legendäres Entree als Häuptling mit Federschmuck, der auf einem weißen Pferd auf die Bühne ritt. Am 29. Juli tritt er nun erneut in der Waldbühne auf.

Sie haben Vaskulitis, eine seltene Autoimmunerkrankung, eine Entzündung von Blutgefäßen, die nicht heilbar ist.

Ja, ich habe eine Unterform dieser Krankheit, bei mir ist das Hirn betroffen. Die anderen Gefäße sind kerngesund. In meinem Hirn aber platzen die Dinger reihenweise, ich hatte schon elf Schlaganfälle und irgendwann zersetzt sich das da oben. Aber jetzt kann ich noch reden, so halbwegs jedenfalls. Der Schwindel, den ich jetzt eineinhalb Jahre hatte, ist interessanterweise seit drei Tagen weg. Dadurch kann ich wieder halbwegs gehen. Vorher bin ich getaumelt. Es sind noch Reste davon da, aber ich bin jetzt etwas besser zu Fuß.

Das Wissen, dass sie daran nichts ändern können und es nie mehr besser wird, ist unvorstellbar hart. Was macht das mit Ihnen?

Komischerweise bin ich seit einigen Wochen wieder ganz gut drauf. Vorher war ich sehr runter und dachte, das bringt doch alles nichts mehr. Denn alles wurde versucht – ohne Erfolg. Aber jetzt habe ich wieder angefangen, mich für schmale, zarte Pflanzen zu interessieren, Pflanzen, die man zu sich nimmt. Ich unterhalte mich auch mit anderen Patienten.

Ich bin jetzt wieder auf der Suche und eigentlich ganz hoffnungsfroh. Vielleicht.

Sie tragen auch eine Verantwortung. Sie haben eine Familie, ein Kind, muss man sich da nicht auch zusammenreißen?

Ja. Aber das lässt sich oft nicht ändern, oder? Bei mir war es so. Meine Tochter hat schon seit der Geburt fast alles mitbekommen. Dass ich manchmal im Krankenhaus bin, dass Papi manchmal aus einem Krankenwagen kommt. Das kennt sie alles. Und wenn meine Tochter dann dasteht, dann geht das alles schon.

Wie alt waren Sie, als Sie ihr Kind bekamen?

Uralt. 45.

So eine Frage nach dem Alter stellt wahrscheinlich nur eine Frau. Aus Bedauern – weil Männer immer können, aber wir Frauen nicht.

Na ja. Bei mir war das mit der Spermienfrage auch nicht so klar. Ich war starker Raucher und hatte ganz langsame Spermien, deshalb musste ich mit dem Rauchen aufhören und dann dauerte es. Ich dachte erst, da kommt nichts mehr, ich werde kinderlos sterben und hatte mich damit abgefunden. Aber wenn man plötzlich gesünder lebt, kann so etwas Schönes passieren.

Überschrieben ist der Waldbühnenabend mit "Halleluja Berlin", einer Textzeile aus ihrem Kulthit "Brandenburg". Es heißt, den würden Sie heute so nicht mehr so schreiben. Stimmt das?

Björn Höcke würde sagen: Ich bin falsch zitiert worden. Ich habe einfach ein Interview gegeben, und der Satz wurde dann als Schlagzeile herausgegriffen und alle dachten, ich hätte mich von dem Lied distanziert. Ich muss deshalb korrigieren: Ich distanziere mich nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich das heute nicht mehr schreiben könnte.

Weil Sie mittlerweile selbst in Brandenburg leben und deshalb die Ironie fehlt?

Ja. Und weil ich ein bisschen älter geworden bin und weil ich die Leute da kenne. Weil ich jetzt selbst in der Fläche zuhause bin. Das Lied kam aus einem Nichtkennen, einer Distanz heraus und das hat sich geändert.

Auf den Plakaten zum Konzert tragen Sie ihren berühmten Häuptlings-Federschmuck. Das gilt seit kurzem als kulturelle Aneignung. Warum legen Sie den nicht ab?

Das Plakat ist wahrscheinlich ein bisschen verunglückt. Das ist kein Federschmuck wie früher, da sind Sprotten drin, der ist wie weggeföhnt. Autofahrer können das nicht erkennen, aber wenn man nah herangeht und ganz genau hinschaut, sieht man, dass der mir um die Ohren fliegt. Wegen der Diskussion gerade kann man das nicht mehr so machen. In Sachsen natürlich schon, da stehen sie drauf, aber hier in der Hauptstadt ist das kulturelle Aneignung. Ja.

Sie haben sich für den 29. Juli zur Unterstützung Gäste eingeladen?

Grebe: Ja, es kommen viele Leute, groß und klein. 85-jährige alte Turner sind dabei, ein Jagdhornblasensemble aus Köllnitz bei Storkow, der Chor der Charité, René Marik, Anna Mateur, Bodo Wartke und auch Stars wie Alligatoah oder Ritchie Blackmore, den habe ich auch angefragt.

Ritchie Blackmore, der Gitarrist von Deep Purple kommt?

Ach nein, Jürgen Blackmore. Der leibliche Sohn von Ritchie, so eine Art Reihe-Null-Unfall der 60er-Jahre. Der Jürgen sitzt jetzt noch auf seinem Balkon in Hamburg, aber macht seine Riffs dann für die Waldbühne klar. Wahrscheinlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mit Rainald Grebe sprach Anja Caspary für rbb|24.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.07.2023, 18:15 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    "Thüringen" ist sogar noch einen Zacken besser.

    Schade, dass es kein Lied über Sachsen-Anhalt gibt.

  2. 10.

    Seit 36 Jahren in Berlin und nichts vom Lied mitbekommen. Sind sie gerade erst aufgewacht?

  3. 9.

    Ich finde " Brandenburg" auch musikalisch dermaßen gelungen...es sollte ehrlich die Nationalhymne unseres Bundeslandes werden . "Der Dumme lacht über dieses und jenes-nur der Weise lacht über sich selbst" oder so ähnlich..

  4. 8.

    Herr Grebe wünsche ich viel Kraft, damit er noch die Zeit mit seiner Familie genießen kann.

    Unsere Demokratie hat die aber auch bitter nötig. Das zeigt gleich der Hinweis auf den Federschmuck. Uns drohen dunkle Zelten, wenn man nichtmals mehr erzählen darf, dass man im Kindergarten davon geträumt habe, Indianerhäuptling zu sein.

  5. 7.

    Schade Rainald, um Ihre Gesundheit. Ich wünsche Ihnen viel Kraft.

    Schade aber auch, dass Sie sich dem anpassenden Mainstream verschrieben haben - liegt das an der Krankheit oder doch am Alter?

  6. 6.

    Welch ein Leiden mit solch einer Krankheit. Dagegen ist ja meine Immuntrombozytopenie kurz ITP genannt die ich seit nunmehr 14 Jahre habe, vergleichsweise harmlos. Kleinste Verletzungen u.insbesondere innere Verletzungen führen bei mir unweigerlich zum Tod wenn ich nicht rechtzeitig gehandelt wird. Trage sogar eine Bescheinigung mit mir rum, damit im Notfall die Notärzte sofort Bescheid wissen.
    Ich wünsche R.Grebe dass er uns noch sehr viele Jahre erhalten bleibt und uns mit seiner Anwesenheit erfreut. Immer wieder gerne.

  7. 5.

    Wenn Sie meinen, es müsste ein weiteres Lied über Berlin geben, dann machen Sie doch eins, Heidekind! Es kann gar nicht genug Lieder über diese großartige Stadt geben. Interessanterweise hatte ich von Herrn Grebe und seinem Werk bisher noch absolut nichts gehört, und ich lebe seit 36 Jahren in Berlin. Ich wünsche ihm jedenfalls angesichts seines traurigen Schicksals ganz viel Kraft!

  8. 4.

    Was war an der Frage jetzt unemphatisch?
    Es zeigt Größe von Grebe, daß er einfach die Fragen beantwortet. Damit umgeht man durchaus auch reißerischer Schlagzeilen von Bxxx & Co.. Und wenn er es nichtgewollt hätte, hätte er „Kein Kommentar“ o.ä.gesagt.
    Auch ein bisschen Aufklärung, was seine Krankheit ist, fand ich gut. Damit entwickelt man nämlich auch ne Art Emphatie, welche gerade gegenüber Menschen mit sehr seltenen Erkrankungen kaum möglich ist. Einem guten Kumpel(leider durch die Erkrankung schon beim großen Manitu)wurde „Dauerbesoffen“ unterstellt z.b.,weil eben sehr spät kommuniziert werden konnte, daß das motorische Hirnzentrum einfach „aufgefressen“ wurde.Simpel ausgedrückt.

  9. 3.

    Ich wünsche Herrn Grebe rundrum alles Gute und viel Kraft.
    Er hat mit "...aber hier in der Hauptstadt ist das kulturelle Aneignung. Ja." sowas von Recht. Berlin mutiert wirklich immer mehr zur Hauptstadt der Berufsempörten und Heißluftbläser. Da müsste doch auch ein Lied drüber gehen - ehrlich.

  10. 2.

    Vielen Dank für dieses so offene und menschliche Interview. Selten so einen schonungslosen Einblick gelesen. Danke für Ihre Offenheit und alles erdenklich Gute für die nächsten Jahre!

  11. 1.

    "So eine Frage nach dem Alter stellt wahrscheinlich nur eine Frau."

    Ich hab mich auch shon bei der Frage nach der Familie gewundert . Jetzt ist alles klar.

    Das war sehr unemphatisch.

    Und alles gute für ihn und seine Familie. Ich hoffe das er aber auch die anderen gut unterstützt werden.

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