Frauen im Musikbusiness - Musikerinnen berichten über Knebelverträge und Sexismus

Fr 14.07.23 | 07:52 Uhr | Von Nathalie Daiber
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Symbolbild: Zwei frauen mit Guitarren auf der Bühne (Quelle: dpa)
Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa

Die Statistik zeigt: Auf Festivalbühnen und in der Musikproduktion sind Frauen unterrepräsentiert und verdienen weniger. Drei Frauen aus der Branche berichten über ihre Erfahrungen und darüber, was sich ändern muss. Von Nathalie Daiber

Laut einer US- Studie liegt die Frauenquote im Bereich der Musikproduktion bei nur 2,6 Prozent. Außerdem verdienen Frauen in der Musikbranche laut statistischem Bundesamt bis zu 30 Prozent weniger als Männer. In der Musikindustrie herrscht schon lange ein Ungleichgewicht. Beispielsweise liegt der Frauenanteil auf Festivalbühnen in Deutschland laut der MaLisa Stiftung unter 20 Prozent.

Nimm fünf Kilo ab, dann wird die zweite Single sicherlich besser funktionieren.

Senta-Sofia Delliponti
Senta-Sofia Delliponti (Quelle: RAW Souls Production)
| Bild: RAW Souls Production

Mit 13 erfüllt sich Sentas-Sofia Dellapontis Traum: Sie fährt mit ihrer Mutter nach Hamburg zum Casting bei "Starsearch". Weil sie so wenig Geld haben, übernachten sie im Auto. Senta holt den 2. Platz. Endlich macht sie, was sie immer wollte: Auf der Bühne stehen und singen. Schnell bekommt sie einen Plattenvertrag bei einem großen Label.

"Und da habe ich alles mitgemacht, ich war sehr naiv", sagt sie heute. Eine Marionette sei sie gewesen, alles wurde von den Managern – fast ausschließlich Männer entschieden: Haarfarbe, Piercing und Musik.

Einzige Frau bei Meetings

Trotzdem lief die erste Single nicht: "'Nimm fünf Kilo ab, dann wird die zweite Single sicherlich besser funktionieren' - es war schon sehr toxisch in der Branche", sagt die Potsdamerin. Sie habe damals gedacht: So funktioniert die Musikindustrie. Heute bereue sie am meisten, dass sie das alles einfach mitgemacht und natürlich auch die fünf Kilo abgenommen habe. Damals war sie 15.

"Ich hatte auf jeden Fall das Gefühl, sexistisch behandelt zu werden", sagt sie heute. Bei Meetings sei sie häufig die einzige Frau gewesen. Wenn Frauen zu laut gewesen seien, sei ihr suggeriert worden, man könne nicht mit ihr arbeiten. Auch über andere Künstlerinnen sei so gesprochen worden, sie seien schwierig und zickig. Gleichzeitig habe es geheißen: "Du bist auch eine Frau, also spiel auch mit deinen Reizen, zeig sie benutze sie."

900.000 Platten verkauft - und trotzdem kaum Geld

Genau diese Schubladen habe sie bedient, erzählt Dellaponti. Und ist damit schließlich mit der Kunstfigur Oonagh erfolgreich. Mit einer Mischung aus Mittelaltermusik und Pop verkaufte sie nach eigenen Angaben mehr als 900.000 Platten – und kann trotzdem kaum ihre Miete zahlen, wie sie sagt.

Corona ist für sie ein Wendepunkt: Sie sieht sich ihre Verträge nochmal genauer an und stellt fest, dass sie selbst die letzte ist, die an ihrem Erfolg verdient. Heute ist Senta-Sofia Delliponti ihre eigene Chefin – hat ein eigenes Team, ihr eigenes Label und bald auch ein eigenes Tonstudio.

Hey, ich kenn mich mit Musik aus und ich kann sogar das Kabel in den Stecker stecken, mega verrückt.

Jule Detlefsen
Jule Detlefsen (Quelle: Jonas Umland)
| Bild: Jonas Umland

Mit 13 Jahren entdeckt Jule Detlefsen ihre Liebe zur Musik. Schnell merkt sie aber, dass es bei ihren Freundinnen anders ist: "Ich glaube nicht, dass meine Freundin keine Lust hatten auf Konzerte zu gehen. Aber ich glaube, dass die gar nicht so dachten, das ist irgendwie ein Thema für sie ist." Vielmehr hören ihre Freundinnen eher die Musik aus den Charts.

Heute ist Jule Detlefsen 25 Jahre alt. Vor zwei Jahren gründete sie das Musik-Onlinemagazin "Flutwelle-Magazin". Explizit für junge Frauen und Mädchen. Sie war selbst überrascht, dass es so etwas noch nicht gab. Sie fordert: "Akzeptiert doch einfach, wenn 16.000 Leute, hauptsächlich Mädchen, in der Mercedes Benz Arena gehen und eine Band oder Künstlerin Mega cool finden. Dann hat das seine Daseinsberechtigung."

"Kumpelei" bei Männern

Zeitweise arbeitet sie auch in der Branche – zum Beispiel als Stagemanagerin: "Frauen haben da ein Problem, wir müssen zeigen: Hey, ich kenn mich mit Musik aus und ich kann sogar das Kabel in den Stecker stecken, mega verrückt, weil es gibt ganz viele Techniker, die mir das nicht zugetraut haben."

Das Problem, so Jule Detlefsen, sei die "Kumpelei" der Männer. Alle kennen sich und viel würde eben bei einem Bier ausgehandelt werden und so werden gerade im Livebusiness, die Jobs vergeben.

Mit ihrem Magazin will sie jungen Mädchen und Frauen zeigen, dass es auch für eine 13-Jährige ganz normal sein kann, eine E-Gitarre zu spielen und eine Band zu gründen. Sie hat jetzt erst angefangen, selbst zu spielen.

So bleiben Seilschaften aufrechterhalten, die von Männern einmal aufgebaut wurden.

Charlotte Brandi
Charlotte Brandi (Quelle: Annika Weertz)
| Bild: Annika Weertz

Charlotte Brandi sagt von sich, sie sei schon immer Musikerin gewesen. Ihre Eltern hätten Musik gemacht und in Bands gespielt. Schon als Kind sei sie mit auf Tour gewesen.

Die großen Plattenfirmen finde sie "gruselig". Nur kurz sei sie mal bei einem Plattenlabel gewesen, um ihr Urteil zu überprüfen.

Es überrasche sie nicht, dass der Frauenanteil in der Musikbranche sinke: Denn es gäbe so einen Effekt von "Verliebtheit unter Männern": Die alteingesessenen in den Schaltzentralen der Musikbranche würden sich selbst in jungen männlichen Newcomern wieder entdecken und sie dann fördern. "Und so bleiben Seilschaften aufrechterhalten, die von Männern einmal aufgebaut wurden, andere Männer reinholen und da wird sich der Staffelstab weitergereicht", sagt die 37-Jährige.

Album nur mit Frauen produziert

Ihr aktuelles Album "An den Alptraum" hat sie nur mit Frauen produziert. Ein "Experiment", wie sie sagt, denn "meines Wissens gibt es noch keine Alben, bei denen kein Mann mitgemacht hat". Platten, die ausschließlich von Männern produziert werde, gebe es hingegen schon.

In drei Tagen haben sie gemeinsam neun Songs eingespielt. "Ich glaube, das war die schnellste Albumproduktion, die ich je hatte", sagt die 28-Jährige. Niemand habe ihre Position in Frage gestellt, alles sei sehr professionell gewesen.

Sie fordert, dass auch die Männer in der Musikindustrie Stellung beziehen. Denn, so Charlotte Brandi, "es kann sich nur etwas ändern, wenn Männer untereinander anfangen ehrlich mit sich zu sein und sich eben auch öffnen für Selbstkritik und Kritik an anderen.“

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Nathalie Daiber

15 Kommentare

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  1. 15.

    Wieder bin ich erstaunt, wieviele kompetente, unvoreingenommene und selbstsichere Vertreter der Musikbrance hier im Forum ihr Fachwissen zu Besten geben und dabei auch beim Kern des Problems bleiben. Chapeau!

    ... und an den Drums - Bernd das Brot. Aber mich wossiet nichts mehr.

  2. 13.

    Ja, wer denn?

    Und bitte dieses Mal keine Polemik und persönliche Ansichten, sondern verwertbare Belege, die dem Diskurs zuträglich sind, damit man den Kommentar auch ernsthaft berücksichtigen kann.

  3. 12.

    Selbstverständlich sind Frauen und alles andere nicht männliche weit unterrepräsentiert. Schließlich sind in der Musikbranche mehr als 70% männlich. Wo ist jetzt das Problem wenn mehr Männer als Frauen auf der Bühne stehen? Logische Schlussfolgerung und hat rein gar nichts mit Diskriminierung zu tun.

  4. 11.

    @Jan: Träumen Sie weiter. Das ist mit Verlaub kompletter Unsinn. Längst belegt, dass es eben nicht so ist, wie Sie schreiben (gleicher Lohn für gleiche Arbeit). Informieren Sie sich. Ich gehe davon aus, dass Sie das aber gar nicht wollen. Und warum nervt dieses Thema die Männer eigentlich so stark?

  5. 10.

    He alle ihr männlichen Kommentatoren, es geht hier explizit um die Musikbranche.
    Meint ihr vlt einemmännlichen sänger oder anderes künstlerischen Begabten soll auch gesagt werden, er soll seine Reize einsetzen. Juhu, das wäre mit Sicherheit ein tolles Ding. Tja bei Frauen geht es ohne Bedenken. Vom Geld schreibe ich nichts, wozu
    auch, es will sowieso niemand kapieren. Wäre hier leider auch vergebliche Mühe.

  6. 9.

    Bezeichnend, dass in den Kommentaren von Gejammer geschrieben wird - und damit die Beschwerdeführenden sich unfreiwillig selbst demaskieren. Wer sich von Antidiskrimnierung angegriffen fühlt, hat die Gleichwertigkeit von Menschen und den daraus hervorgehenden Rechten nciht verstanden, hat die Ziele unserer Verfassung nicht verstanden. Miserables Textverständnis kann keine Legitimation dafür sein, einfach zu ignorieren, wie unterrepräsentiert Frauen und alle nicht-männlichen Personen in der Musikbranche sind, in sämtlichen Bereichen. Selbst Schwarz auf Weiß, blanke Fakten reichen nicht aus, um die Ewiggestrigen daran zu erinnern, dass Sensibilisierung und Einsicht geboten sind. Man kann sich eine Meinung bilden, aber keine eigenen Fakten und dann auch noch zur Krönung die eigene Haltung mit anekdotischen Erzählungen aus dem eigenen Leben stützen wollen. Beim Zusammenleben geht es eben nicht um einen allein. Wer das problematisiert, wird sofort angefeindet.

  7. 8.

    Genau so ist es. Außerdem werden auch die Frauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Teilzeit arbeiten oder keine Qualifikation haben auch noch mitgezählt. Das kann man allerdings nur zwischen den Zeilen lesen. Ansonsten kenne ich aus den unterschiedlichsten Branchen seit Jahren nur, gleiches Geld für gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation, völlig egal ob m, w oder d.

  8. 7.

    Das Gejammer nervt. Von dem Frauen in meinem Umfeld oder in der Firma, in der ich arbeite, fühlt sich keine diskriminiert, weil alle entweder nach Tarif bezahlt werden oder alle verdienen halbwegs das gleiche. Gleiche Arbeit gleiches Geld. Keine Frau verdient weniger weil sie eine Frau ist. Auf diese Idee käme hier niemand. Aber wenn man es den Leuten nur lange genug einredet, dass Frauen nur aufgrund ihres Geschlechts generell immer und überall 20 % weniger verdienen als die bösen Männer und alle es ungeprüft nachplappern, glaube sie irgendwann daran. Vor 100 Jahren hatten Frauen das Recht, sich zu beschweren. Heute ist zwar immer noch nicht alles perfekt, aber je weniger Ungleichheit, desto lauter das Geschrei.

  9. 6.

    Angesichts einer bevorstehenden Landeswahl und alarmierender Umfragewerten ist es das falsche Thema. Schon wieder mal. Jede noch so kleine Marotte wird hier ausgewertet mit „wichtige Zeichen“ und „Sichtbarmachung“. Mit der gleichen Beharrlichkeit muss doch mehr über die echt harte Chancenungleichheit, schlechter Bildung und schlechterer Bezahlungseinstufungen nebst schlechterer Altersabsicherung in den NBL und insbesondere in Brandenburg gesprochen werden. Nur dann wird man glaubhaft seinem Auftrag gerecht. Sonst wirkt es wie „missionarischer Haltungsjournalismus“ der sowieso bei Keinem gut ankommt.

  10. 5.

    Manager – das ist doch was, man muss/brauch überhaupt nichts tun und bekommt ein Schweinegeld.
    Und die Plattenfirmen verarbeiten ja auch nur das Abfallprodukt Vinyl damit es nicht auf Schutthalden und/oder im Pazifik landet.

    Wenn man keinen wirtschaftlichen Sachverstand hat und blauäugig bzw. bequemerweise alles anderen überlässt, muss man nicht die Anderen dafür verantwortlich machen (wollen).

  11. 4.

    Mein Gott, diese rumjammerei ist echt nicht mehr zu ertragen (von Mann), denn Mann verdient häufig ohne etwas zu tun in vielen Branchen gleich mehr. Lächerlich und wieder mal nur jemand, der meint es gehe um Nieschenbereiche. Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Wurden Sie auch schon einmal in dieser Form diskriminiert? Über diese Hochnäsigkeit und Ignoranz kann man echt nur den Kopf schütteln.

  12. 3.

    Ich wunder mich auch recht oft, wie Musikerinnen, und auch Musiker, von ihrem ach so grausamen Leben und Alltag berichten.
    Wenn man damit nicht umgehen bzw. davon leben kann - den Job wechseln.
    Auch ungelernt können am Fließband stehen.

  13. 2.

    Sie haben sowas von Recht! Jeder weiß wie knallhart es in der Musikbranche abgeht. Man kann es nicht mehr hören. Ständig fühlt sich jemand diskriminiert. Das arme Menschen in diesem Land täglich diskriminiert werden interessiert niemand. Wahrscheinlich deswegen die ablenkenden Berichte über irgendwelche Randgruppen, um vom Elend der Mehrheitsgesellschaft abzulenken. Ich wurde als Ossi nach der Wende noch jahrelang in Westberlin diskriminiert. Na und! Da standen wir drüber.

  14. 1.

    Na zum Glück gibt's ja bei Frauen keine Netzwerke oder ähnliches, das gibt's ja nur bei den bösen Männern.
    Mein Gott diese rumjammerei ist echt nicht mehr zu ertragen als ob jeder Mann sofort ohne was zu tun tausende Euro mehr verdient.
    Lächerlich und wieder mal nur ein nischenbereich der hier rangezogen wird.
    Wie sieht's denn beim Friseur aus oder in der Kita oder in der Schule, wer wird denn da diskriminiert ?

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