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Filmstudio in Babelsberg | Quelle: rbb/Robert Ackermann

Streiks in Hollywood

Ersetzen KI-Avatare aus Babelsberg künftig Schauspieler?

Seit vielen Wochen streiken Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood. Ein Grund: 3-D-Avatare könnten Darsteller in Filmen künftig ersetzen. Was nach Science Fiction klingt, ist in Potsdam-Babelsberg bereits Realität. Von Robert Ackermann

Es sind nur wenige Schritte, aber sie verbinden für Pierre Sanoussi-Bliss die alte Welt des Filmemachens mit der Zukunft. In Halle 12 der berühmten Studios in Potsdam-Babelsberg betritt der Schauspieler eine Art Raumschiff. Grelles Licht strahlt ihm aus einem Rondell entgegen. Die Wände sind mit einem silberschimmernden Stoff ausgekleidet.

Hier, in einem der technisch führenden volumetrischen Videostudios der Welt, scannen Visual-Effect-Profis den Schauspieler heute ein – und machen ihn zum dreidimensionalen Avatar. "Ich finde das großartig, denn ich arbeite ja hier an meiner Unsterblichkeit, wenn man es genau nimmt", sagt der Schauspieler und lacht, "ich halte das Ganze für eine Entwicklung, der wir uns früher oder später stellen müssen."

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Gamechanger für die Filmindustrie

Die digitale Unsterblichkeit – sie beginnt für Sanoussi-Bliss auf einer Plattform in der Mitte des Studios. Der Schauspieler ist hier rundherum ausgeleuchtet. 42 Kameras filmen jede Facette seines Körpers. Ein Rechner setzt die Aufnahmen anschließend zusammen. Die 3-D-Avatare bieten die Studiobetreiber dann in einem Online-Shop zum Download als digitale Hintergrundkomparsen für Filme oder animierte Architekturmodelle an. Einsetzbar in jedem Umfeld: als Figur, die durch eine Schneelandschaft läuft oder durch eine Fußgängerzone oder durch ein Museum – je nach Bedarf.

Gestik und Mimik der Avatare sind derzeit noch die der Schauspieler, aber das wird sich laut Studiochef Sven Bliedung von der Heide in naher Zukunft ändern. Für Blockbuster wie Matrix 4 hat sein Team bereits Gesichter per "Deepfake" ausgetauscht. Was aktuell noch aufwändig von VFX-Designern angepasst werden muss, geht künftig mit KI quasi auf Knopfdruck, so Bliedung von der Heide. Ein Gamechanger für die Filmindustrie.

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"Wir werden künftig immer mehr digitale Schauspieler erleben", sagt der Studiochef, "es ist jetzt schon bei vielen Hollywood-Produktionen so, dass ein Großteil der Szenen am Computer entsteht und Schauspieler digital erstellt werden. Die Möglichkeiten, die wir mit der Studiotechnik haben, machen das Ganze viel einfacher. Während aktuell einzelne Szenen noch Millionen von Dollars kosten, wird es bald möglich sein, komplette Hollywoodfilme mit Avataren zu erzählen."

Künstler fordern Mitsprache

Genau das sorgt viele Schauspieler in den USA. Seit Wochen streiken sie zusammen mit Drehbuchautoren für eine bessere Bezahlung - und klare Regeln beim Einsatz von KI. Auch deutsche Kollegen wie Hans-Werner Meyer vom Bundesverband Schauspiel (BFFS) solidarisieren sich.

Dabei geht es ihnen nicht nur um Avatare, sondern beispielsweise auch um den Einsatz von KI-Textanwendungen wie ChatGPT, die andere kreative Arbeiten in der Filmproduktion übernehmen könnten. "Urheberinnen und Urheber müssen ablehnen können, dass KI von ihren Werken lernt, so dass dann ein Buch "im Stile von ..." entstehen kann", so Meyer, "und wenn KI von ihren Werken lernt, dann müssen sie dafür vergütet werden. Dasselbe gilt für Schauspielerinnen und Schauspieler, die "nein" sagen können müssen zu einem Avatar von sich selbst."

Keine Verkaufspläne

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Seit über 100 Jahren werden in den Studios Babelsberg Filme gedreht. Aktuell sieht es aber mau aus mit Aufträgen. Schon wurde über einen Verkauf spekuliert. Doch Vorstandschef Andy Weltman beruhigt.

Fakt ist: Künstliche Intelligenz wird das Filmemachen grundlegend verändern. KI-Drehbücher, digitale Synchronstimmen, automatisierte Visual-Effects – all das sei jetzt schon möglich, sagt Björn Stockleben, Professor für Emerging Media Production, an der Filmuniversität Babelsberg. Wie weit die Entwicklung noch geht, sei aber derzeit noch nicht abschätzbar.

Im Prinzip ist kein Job mehr sicher

"Beim Film sind immer wieder neue Technologien entstanden, die menschliche Fähigkeiten ergänzt oder auch ersetzt haben", sagt Stockleben, "aber mit der KI geht es an den Kern des menschlichen Seins – an unseren Verstand, an unser Gehirn. Das heißt, dass im Prinzip kein Job mehr sicher ist, auch die kreativen Jobs nicht mehr."

Allerdings, so Stockleben, eröffne die KI auch viele Chancen für spannende Produktionen. Auch er hat zusammen mit Studierenden bereits das volumetrische Studio in Babelsberg genutzt. "Wir müssen jetzt darüber reden, unter welchen Bedingungen die Technik eingesetzt wird", so Stockleben. Genau das versuchen die Streikenden in Hollywood. Mit ihrem Anliegen sind sie offensichtlich nicht allein. Letztlich entscheiden aber nicht nur Produzenten und Filmschaffende über den Einsatz von KI. Am längsten Hebel sitzt wohl, wie so oft, das Publikum.

Sendung: radioeins, 07.09.2023, 15:00 Uhr

Beitrag von Robert Ackermann

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