Streiks in Hollywood - Ersetzen KI-Avatare aus Babelsberg künftig Schauspieler?

So 17.09.23 | 09:37 Uhr | Von Robert Ackermann
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Filmstudio in Babelsberg
Filmstudio in Babelsberg | Bild: rbb/Robert Ackermann

Seit vielen Wochen streiken Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood. Ein Grund: 3-D-Avatare könnten Darsteller in Filmen künftig ersetzen. Was nach Science Fiction klingt, ist in Potsdam-Babelsberg bereits Realität. Von Robert Ackermann

Es sind nur wenige Schritte, aber sie verbinden für Pierre Sanoussi-Bliss die alte Welt des Filmemachens mit der Zukunft. In Halle 12 der berühmten Studios in Potsdam-Babelsberg betritt der Schauspieler eine Art Raumschiff. Grelles Licht strahlt ihm aus einem Rondell entgegen. Die Wände sind mit einem silberschimmernden Stoff ausgekleidet.

Hier, in einem der technisch führenden volumetrischen Videostudios der Welt, scannen Visual-Effect-Profis den Schauspieler heute ein – und machen ihn zum dreidimensionalen Avatar. "Ich finde das großartig, denn ich arbeite ja hier an meiner Unsterblichkeit, wenn man es genau nimmt", sagt der Schauspieler und lacht, "ich halte das Ganze für eine Entwicklung, der wir uns früher oder später stellen müssen."

Gamechanger für die Filmindustrie

Die digitale Unsterblichkeit – sie beginnt für Sanoussi-Bliss auf einer Plattform in der Mitte des Studios. Der Schauspieler ist hier rundherum ausgeleuchtet. 42 Kameras filmen jede Facette seines Körpers. Ein Rechner setzt die Aufnahmen anschließend zusammen. Die 3-D-Avatare bieten die Studiobetreiber dann in einem Online-Shop zum Download als digitale Hintergrundkomparsen für Filme oder animierte Architekturmodelle an. Einsetzbar in jedem Umfeld: als Figur, die durch eine Schneelandschaft läuft oder durch eine Fußgängerzone oder durch ein Museum – je nach Bedarf.

Gestik und Mimik der Avatare sind derzeit noch die der Schauspieler, aber das wird sich laut Studiochef Sven Bliedung von der Heide in naher Zukunft ändern. Für Blockbuster wie Matrix 4 hat sein Team bereits Gesichter per "Deepfake" ausgetauscht. Was aktuell noch aufwändig von VFX-Designern angepasst werden muss, geht künftig mit KI quasi auf Knopfdruck, so Bliedung von der Heide. Ein Gamechanger für die Filmindustrie.

"Wir werden künftig immer mehr digitale Schauspieler erleben", sagt der Studiochef, "es ist jetzt schon bei vielen Hollywood-Produktionen so, dass ein Großteil der Szenen am Computer entsteht und Schauspieler digital erstellt werden. Die Möglichkeiten, die wir mit der Studiotechnik haben, machen das Ganze viel einfacher. Während aktuell einzelne Szenen noch Millionen von Dollars kosten, wird es bald möglich sein, komplette Hollywoodfilme mit Avataren zu erzählen."

Künstler fordern Mitsprache

Genau das sorgt viele Schauspieler in den USA. Seit Wochen streiken sie zusammen mit Drehbuchautoren für eine bessere Bezahlung - und klare Regeln beim Einsatz von KI. Auch deutsche Kollegen wie Hans-Werner Meyer vom Bundesverband Schauspiel (BFFS) solidarisieren sich.

Dabei geht es ihnen nicht nur um Avatare, sondern beispielsweise auch um den Einsatz von KI-Textanwendungen wie ChatGPT, die andere kreative Arbeiten in der Filmproduktion übernehmen könnten. "Urheberinnen und Urheber müssen ablehnen können, dass KI von ihren Werken lernt, so dass dann ein Buch "im Stile von ..." entstehen kann", so Meyer, "und wenn KI von ihren Werken lernt, dann müssen sie dafür vergütet werden. Dasselbe gilt für Schauspielerinnen und Schauspieler, die "nein" sagen können müssen zu einem Avatar von sich selbst."

Fakt ist: Künstliche Intelligenz wird das Filmemachen grundlegend verändern. KI-Drehbücher, digitale Synchronstimmen, automatisierte Visual-Effects – all das sei jetzt schon möglich, sagt Björn Stockleben, Professor für Emerging Media Production, an der Filmuniversität Babelsberg. Wie weit die Entwicklung noch geht, sei aber derzeit noch nicht abschätzbar.

Im Prinzip ist kein Job mehr sicher

"Beim Film sind immer wieder neue Technologien entstanden, die menschliche Fähigkeiten ergänzt oder auch ersetzt haben", sagt Stockleben, "aber mit der KI geht es an den Kern des menschlichen Seins – an unseren Verstand, an unser Gehirn. Das heißt, dass im Prinzip kein Job mehr sicher ist, auch die kreativen Jobs nicht mehr."

Allerdings, so Stockleben, eröffne die KI auch viele Chancen für spannende Produktionen. Auch er hat zusammen mit Studierenden bereits das volumetrische Studio in Babelsberg genutzt. "Wir müssen jetzt darüber reden, unter welchen Bedingungen die Technik eingesetzt wird", so Stockleben. Genau das versuchen die Streikenden in Hollywood. Mit ihrem Anliegen sind sie offensichtlich nicht allein. Letztlich entscheiden aber nicht nur Produzenten und Filmschaffende über den Einsatz von KI. Am längsten Hebel sitzt wohl, wie so oft, das Publikum.

Sendung: radioeins, 07.09.2023, 15:00 Uhr

Beitrag von Robert Ackermann

20 Kommentare

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  1. 20.

    "Ersetzen KI-Avatare aus Babelsberg künftig Schauspieler?"
    Nein.

  2. 19.

    Es wird also gestreikt.
    Ein Grund mehr mal wieder ein Buch zu lesen.

  3. 18.

    Es liegt in den wenigsten Fällen an "geldgeilen Leuten". Es liegt v. a. an der Weigerung, sich den Preis von Bequemlichkeit anzuschauen: Wer eine programmierbare, zeitgekoppelte Kaffeemaschine hat, damit dieser "furchtbare Umstand, morgens eigenhändig Kaffee bereiten zu müssen", einfacher wird, ist schon einige Schritte auf den Weg zu K I gegangen. So auch bei tausend anderen Dingen, wo der Technik eine Perfektion gesprochen wird, dem Menschen aber ein definitiver Mangel.

    Irgendwann kommt jemand hin und setzt K I als Schiedsrichterfunktion für ein Fußballspiel ein. Dass mittels Videobeweis ein Verpfeifen unmöglich werde, ist ja jetzt schon die große Verführung, alle naslang das Spiel unterbrechen zu lassen. KI als Beobachter wird dies ggf. im 2 Min. -Takt tun, weil all zu viele Spielszenen im Grenzbereich liegen und weil das "Vorteil-Gelten-Lassen" als antiq. Denkhaltung der Vergangenh. angehören muss.

    Gewiss gibt es etliche Vorteile von KI. In diesen Bereichen aber graut´s mir.

  4. 17.

    KI wird nicht immer mehr zum Menschen. KI wird irgendwann zur Bedrohung. Es gibt genug Filme darüber, die mal SciFi waren. I Robot zum Beispiel. Wenn dem kein Einhalt geboten wird, weil es geildgeile Leute hinter der KI gibt, wird es irgendwann existenziell. Dann brauchen wir auch keine LG mehr.

  5. 16.

    KI wird nicht immer mehr zum Menschen. KI wird irgendwann zur Bedrohung. Es gibt genug Filme darüber, die mal SciFi waren. I Robot zum Beispiel. Wenn dem kein Einhalt geboten wird, weil es geildgeile Leute hinter der KI gibt, wird es irgendwann existenziell. Dann brauchen wir auch keine LG mehr.

  6. 15.

    Dass die Filmindustrie derzeit in einer Krise steckt, ist kein Geheimnis.
    Die Gründe dafür sind vielfältig (ein Streik, Corona, vor allem in Disney-Produktionen politische Überkorrektheit).
    Ich verstehe aber nicht, dass man sich dennoch so sehr darauf versteift, Hollywood-Realfilme in Deutschland zu fördern (was leider den Nebeneffekt hat, dass man farblose deutsche Akteure wie Daniel Brühl sogar bei Marvelfilmen ertragen muss).
    Weshalb ist man nicht flexibel und setzt mehr auf Unterstützung für animierte Filme?
    Warum werden ältere Spielfilme nicht mit einem möglichst optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis restauriert (um diesbezüglich vermutlich teuren amerikanischen Firmen ein Stück weit das Wasser abzugraben)?
    Es gibt sicher Möglichkeiten. Aber Ideenarmut ist wohl kein Monopol von Drehbuchautoren.

  7. 14.

    KI wird nicht immer mehr zum Menschen. KI wird irgendwann zur Bedrohung. Es gibt genug Filme darüber, die mal SciFi waren. I Robot zum Beispiel. Wenn dem kein Einhalt geboten wird, weil es geildgeile Leute hinter der KI gibt, wird es irgendwann existenziell. Dann brauchen wir auch keine LG mehr.

  8. 13.

    Ist doch eine weile schon so dass Schauspieler gescannt werden und in VR eingearbeitet werden. Beispiel Arnie im Terminator. Die Effektstudios können dann schneller arbeiten.
    Nein - Babelsberg wärmt nur alte Kartoffeln auf.

  9. 12.

    Massenware. Genauso getunt wie es dem Zuschauer gerade passt. Oder zu passen hat. Oder passend zum Zeitgeschehen gemacht wird. KI und immer mehr Menschen. Die nix mehr zu tun haben.

  10. 11.

    Es geht weniger um Schauspieler die Millionengagen verdienen, als darum, dass zukünftig das Gesicht jedes Schauspielers (egal ob berühmt oder nicht) ohne dessen Einwilligung oder eine finanzielle Entschädigung genutzt werden könnte. Ersteres macht es schwierig, wenn man sich beispielsweise von einem rassistischen Film distanzieren will, letzteres dagegen spielt auf Kosten eines Schauspielers Geld ein, ohne dass dieser oder seine Familie etwas davon hat.

  11. 10.

    Als der Ton im Film umsetzbar wurde, gab es groteske Einwände dagegen. Ton zerstöre die Idee des Films. Das Selbe Geschrei gab es als der Film Farbe bekommen sollte.
    Im Kontext millionenschwerer Stars mit Villen, Inseln und Flugzeugen in Privatbesitz, ist der Einsatz von Ersatzmenschen doch eine hervorragende Entwicklung.
    Diese sich an Personenbinden und Stargehabe hat ja wohl vor allem der örtlichen Pornoindustrie Frischfleisch auf unabsehbare Zeit gebracht.
    Ich habe gestern Lauras Stern geguckt. Drache Lian
    Das hat uns alle total bewegt und gerührt. Deepfake sollte klappen.

  12. 9.

    Zumindest sollte es ein Recht, auf den eigenen Avatar geben, wo man bei Verwendung gebühren bekommt.

    Man könnte den Avatargeber natürlich ein Vetorecht einräumen - denn bei Schauspiel geht es ja darum, sich jeweils selbst an dei Rolle zu adaptieren, eine Herausforderung die die KI nicht hat -> außerdem geb es natürlich "Menscheneigene" Gestiken, z.B. wie jemand die Stirn runzelt, etc, und die Mimik eines Schauspieles nachzustellen, bedraf vieler Daten…

    Trotzdem, z.B. den jungen Luke Skywalker wiederzuverwenden, finde ich klasse!
    -> Hätte ich z.b. diese Adobe Software (k.a. ob die veröffentlich wurde), wo man mit den Stimmen anderer Sprechen kann, würde ich wohl hin und wieder ein Hörspiel produzieren, bzw vlt sogar ein Buch via KI zum Hörspiel umwandeln…

    (Es gibt z.B. so 100 sehr gute Star Wars Romane, alle herausgekommen vor EP1, danach wurde es grottig…)
    UNd ich würde mir wünschen, das man das Nicht-Kommerziel, als FanFiction einfach so machen darf!

  13. 8.

    Spannend wird es dann, wenn die KI nicht mehr nur das Drehbuch schreibt, sondern alle möglichen Fassungen gleich als Filmversion vorlegt. Am Ende könnte man dann immer noch die beste Version mit echten Schauspielern nachdrehen.

  14. 7.

    Wenn dann die KI diese Art Kunst auch noch konsumiert, und somit bezahlt, ist allen geholfen, die von Hollywood eh nicht mehr viel erwarten.
    Der letzte amerikanische Film, wegen dem ich ins Kino ging, war die Geschichte von dem Piloten, der es geschafft hat, auf dem Hudson-River zu landen. Sehr aufschlussreich, man sieht, wie USA funktioniert.

  15. 6.


    Woimmer Gewinne maximiert werden können und es technisch möglich ist, wird nicht gezögert, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, auch wenn die Seele dabei verloren geht. Diese Entwicklung ist nirgends aufzuhalten.

    Käse- und Wursttheken sind mit ihrem Wegrationalisieren aus Kostengründen dauerhaft verschwunden, dafür fielen plötzlich Millionen Tonnen von Plastikmüll an.

    Bewegtbilder sind der Suchtstoff der armen Leute und ihre Nachfrage dürfte auch in verminderter Qualität ungebrochen bleiben.

  16. 5.

    Hans-Werner Meyer hat völlig recht, wenn er darauf hinweist, dass man vor Einsatz der KI im künstlerischen Bereich erstmal einen rechtlichen Rahmen dafür schaffen muss.
    Dass Komparsen eines Tages komplett durch KI-gesteuerte Avatare ersetzt werden, ist meiner Ansicht nach nicht zu verhindern. Aber wie viel Emotionen könnte der KI-gesteuerte Avatar eines Hauptdarstellers wohl im Close up glaubhaft und berührend rüberbringen?
    Da ist der Einsatz wohl nur bei billiger Massenware denkbar, die auf KI-generierten Drehbüchern beruht und den Markt dann überschwemmen wird. Solche Filme wären letztlich nur Imitationen oder fakes. Doch selbst der beste Imitator ist eben niemals das Original.
    Es wird sicher so kommen, wie mit den bearbeiteten Instagram-Fotos. Erst staunt man, dann ist man begeistert und dann langweilt man sich ob der Eintönigkeit und sehnt sich nach einem Original.

  17. 4.

    Das Ganze ist ja für die Bezieher von Bürgergeld gedacht.....die schaffen es leicht, die ganze Soße zu konsumieren.

  18. 3.

    Da bleibt einen das Geprahle und Gepranze der selbsternannten Künstler erspart.

  19. 2.

    Am Ende führt die KI dazu, dass die Produktion von Filmen günstiger wird und es mehr FIlme gibt. Das Angebot steigt derart, dass man so viele Filme eh nicht mehr konsumieren kann. Die Beliebigkeit nimmt zu. Am Ende steht keine Kunst mehr, sondern Massenware.

  20. 1.

    Wo sich die natürliche Welt (in bestimmten Filmgenres) soweit "abschleift", dass sie von einer rein technischen Welt nicht weit entfernt ist, ist der Einsatz so bezeichneter K I in gewisser Weise schon logisch.

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