Kritik | "Höchste Zeit!" im Schlosspark-Theater - Heiraten für Fortgeschrittene oder ein Stück zwischen Wahrheit und Klamauk

Mi 03.01.24 | 10:11 Uhr | Von Magdalena Bienert
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Gastspiel "Höchste Zeit!" im Schlosspark Theater. (Quelle: Schlosspark Theater/DERDEHMEL)
Audio: rbb24 Inforadio | 03.01.2024 | Magdalena Bienert | Bild: Schlosspark Theater/DERDEHMEL

Im Steglitzer Schlosspark-Theater gastiert die Revue "Höchste Zeit!", bei der sich alles ums Heiraten dreht. Lohnt sich der ganze Aufwand für den Ring am Finger? Die Meinungen darüber gehen bei vier Frauen auseinander. Von Magdalena Bienert

Wir landen in der Hochzeits-Suite eines Berliner Grand Hotels. Durch das breite Fenster sieht man den Fernsehturm und zu unserer Linken hört man an der Wand den Spiegel sprechen. Er erklärt, dass es neun Uhr morgens ist und hier gleich drei "Freundinnen" zum Hochzeits-Frühstück erwartet werden. Wobei Freundinnen vielleicht zu viel des Guten ist: sie waren lediglich beim Kennenlernen von Braut und Bräutigam vor etlichen Jahren beteiligt, doch seitdem haben sich alle Vier nicht mehr gesehen!

Partners in crime

Bei diesen unfreiwilligen Freundinnen der Braut handelt es sich um die naive Hausfrau, knapp 60, immer einen Spruch parat und vom Berliner Urgestein Angelika Mann schön schnoddrig verkörpert. Dann ist da noch die Jüngste im Bunde, eine spießige Mutter (gespielt von Nini Stadlmann) eines neun Monate alten Babys, die seit fünf Jahren darauf wartet von ihrem Verlobten einen Antrag zu bekommen und Heike Jonca gibt eine zynische Ehefrau, die auf ihren Termin beim Scheidungsanwalt wartet, der für sie die "vorzeitige Haftentlassung" bedeutet.

Dieses ungleiche Trio trifft also auf die Braut (Charlotte Heinke) in spe. Diese ist allerdings wahnsinnig betrunken und erinnert sich nur noch vage an ihren Junggesellinnenabschied am Abend zuvor.

Sie war in zig Bars, hatte Sex und nun eine signierte CD von Howard Carpendale in der Handtasche, der im Hotelzimmer nebenan wohnt! Und dann ist auch noch der zukünftige Gatte verschwunden. Da liegen doch die Fakten auf der Hand: er muss abgehauen sein, weil sie ihn mit "Howie" betrogen hat! Und dass, obwohl sie ihren Dietrich liebt, aber fremdgehen sei nun mal "eine schlechte Angewohnheit" kommentiert sie trocken.

Viagra für Frauen sollte wenigstens blind machen

Die Karrierefrau hat Angst durch die anstehende Hochzeit ihre Freiheit zu verlieren, und wird darin bestärkt, es doch einfach sein zu lassen, schließlich verliere man mit der Monogamie „auch seine Libido“, erklärt die Freundin. Da helfe doch Viagra für Frauen, meint die Braut, woraufhin sie einen fragenden Blick erntet: "Und was macht das? Etwa blind?!"

Der Saal johlt.

"Höchste Zeit!" ist teilweise wirklich komisch, dann wieder zotig. Auch als die korallfarbenen Brautjungfernkleider der Drei kommentiert werden mit: "Wir sehen aus, wie angegammelte Lachsschnitten!" durchzieht großes Gelächter das Schlosspark-Theater. Dennoch: die Witze gehen meistens auf die Kosten, der eben nicht mehr ganz jungen Frauen.

Und weil es eine Revue ist, werden weitere vermeintliche "Frauen-Themen" in alten Hits neu verarbeitet. Aus dem Choop Choop Song wird "Bye Bye Jugend" oder aus One Moment in Time "Die Regeln machen wir".

Klischees vs. Emanzipation

Die zwei Stunden sind kurzweilig, die Schauspielerinnen allesamt fantastisch, dennoch ist das Stück unentschlossen – auf der einen Seite Chauvi-Sprüchen von Seiten des Wandspiegels und Klischees, wie das der kontrollsüchtigen Helikopter-Mutter und der zynisch gewordenen Ehefrau – auf der anderen Seite sagt die Braut am Ende zu ihrem Zukünftigen am Telefon er möge bitte akzeptieren, dass sie im Herzen treu sei, aber im Leben frei sein möchte.

Und das Quartett beschwört das Motto: "selbst ist die Frau", jede nach ihrer façon.

Da liegt der Gedanke nahe, es jeder Generation im Publikum recht machen zu wollen.

Das Stück ist eine Wiederaufnahme von 2014 (und der Nachfolger von "Heissen Zeiten") von Autor Tilmann von Blomberg, Regisseurin Katja Wolf und mit Arrangements von Carsten Gerlitz. Trotz manchem Klamauk schaffen sie es durch Tempo und Musik das Ganze nie ins Peinliche abdriften zu lassen und so gibt es am Ende großen Applaus für "Höchste Zeit".

Bis Sonntag ist das Stück noch in Steglitz am Schlosspark-Theater zu Gast und hoffentlich wird bis dahin noch die Musik-Ton-Abmischung nachjustiert, damit man die Texte der Songs besser versteht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.01.2024, 06:55 Uhr

Beitrag von Magdalena Bienert

1 Kommentar

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  1. 1.

    Der Bericht hatte einen spontanen "Mädels"-abend zur Folge. Wir haben uns köstlich amüsiert. Einfach herrlich.
    Danke dafür.

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