15 Geräte zum Start - Brandenburg testet jetzt auch Bodycams für Polizisten

Mi 27.07.22 | 15:17 Uhr | Von Hanno Christ
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Archivbild: Ihre neue Body-Cam schaltet Polizeiobermeisterin Maria Potratz bei der Vorstellung des neuen Systems ein. (Quelle: dpa/Jens Büttner)
Audio: Antenne Brandenburg | 21.07.2022 | Bild: dpa/Jens Büttner

Nach langem Anlauf startet nun auch in Brandenburg ein Test mit Bodycams für Polizisten. Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt den Einsatz und verweist auf Erfolge in anderen Ländern. Datenschützer setzen aber weiter enge Grenzen. Von Hanno Christ

In Brandenburg – so der gängige Slogan des Landesmarketings – kann es so einfach sein. Beim Thema Bodycams war es das offenbar nicht. Sonst wären die Kameras, die künftig Polizeieinsätze körpernah dokumentieren sollen, wohl schon längst Teil der Ausrüstung der Beamten.

Seit 2016 sind sie in der Diskussion, am Mittwoch werden die Kameras von Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Polizeipräsident Oliver Stepien nun auf dem Hof des Innenministeriums präsentiert. Es ist der Startschuss für die Erprobung von 15 Geräten, vorerst auch nur auf dem Gebiet der Polizeiinspektion Potsdam. Geplant waren auch Einsätze in Oberhavel, Cottbus und Spree-Neiße. Für Bürgerinnen und Bürger ist also die Wahrscheinlichkeit einer Bodycam-Kontrolle bei 8.500 Beamten in Brandenburg noch ziemlich gering.

Bodycam soll in Einsätzen deeskalierend wirken

Für Stübgen ist das jetzt aber ein wichtiger Schritt, "um Gewalt gegenüber Polizeikräften im Dienst im Vorfeld zu verhindern oder zumindest nachträglich ahnden zu können, werden die Kameras das Einsatzverhalten aufzeichnen". Im vergangenen Jahr seien mehr als 2.000 Polizeibedienstete Opfer von Gewalt geworden, ergänzte Polizeipräsident Oliver Stepien. Die Zahlen seien im ersten Halbjahr leicht gestiegen. "Die Bodycam soll in solchen Einsatzsituationen deeskalierend wirken und im Einzelfall auch zur objektiven Sachverhaltsaufklärung beitragen", sagte Stepien.

Die Verzögerung des Einsatzes schiebt Stügben maßgeblich auf komplexe Datenschutzbestimmungen des Landes. Aber auch in der rot-roten Vorgängerregierung fehlte ein gemeinsamer Wille, das Projekt anzugehen. Stübgen hofft aber auf den landesweiten Einsatz der Geräte. Je nach Ausstattung kostet ein solcher Apparat 300 bis 750 Euro. Insgesamt ist der Einsatz von 45 Kameras dreier Hersteller vorgesehen.

Überwachung und Schutz

Das Prinzip der Technik ist eingängig: Die Kameras tragen Polizistinnen und Polizisten auf Schulterhöhe. Bei Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Beamten oder auch Gefahr für Dritte können sie sie aktivieren. Vor der Aktivierung müssen sie die Personen, die gefilmt werden, erst davon in Kenntnis setzen. Es ist der Schlüsselmoment, auf den die Polizei setzt, da Aggressoren meist keinen Wert darauf legen, bei Angriffen dokumentiert zu werden und von einem Angriff ablassen. Ziel des Einsatzes ist nicht nur der Schutz der Beamtinnen und Beamten, die Dokumentation von Fehlverhalten, sondern auch die Sicherung von Beweismitteln und die Aufklärung von Straftaten.

Die auf der Kamera gespeicherten Aufnahmen werden anschließend an spezielle Rechner übermittelt und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Wenn sie nicht für ein Strafverfahren benötigt werden, ist die Löschung nach 14 Tagen vorgeschrieben. Datenschützer haben ein genaues Auge auf die technischen Prozesse und die Speicherung der Daten. Selbst eine Zwischenspeicherung unterliegt genauen Vorschriften im eigens novellierten Brandenburger Polizeigesetz.

Brandenburg als Nachzügler

In Brandenburg startet nun offiziell die Erprobung der Geräte, die andere Bundesländer schon vor Jahren durchlaufen hat. Ob Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder auch Sachsen – bundesweit hat die Polizei bereits tausende Geräte unterschiedlicher Fabrikation im Einsatz und reichlich Erfahrung damit gesammelt. Nun macht Brandenburg erneut seine eigenen.

Dabei hatte erst vor wenigen Tagen die Berliner Gewerkschaft der Polizei bereits den Abbruch der Probephase in Berlin gefordert und eine umgehende flächendeckende Ausrüstung der Beamten mit den Kameras. Schon allein das Tragen beziehungsweise die Androhung einer Aufnahme habe deeskalierend gewirkt und präventiven Charakter entfaltet, so GdP-Landeschef Stephan Weh.

In Berlin sind seit 2021 20 Bodycams im Einsatz, die gesetzliche Grundlage dafür läuft zum 1. April 2024 aus. Ende 2022 sollte die Zahl der Kameras auf 300 erhöht werden. Bislang seien sie 101 Mal aktiviert worden - und hätten den oftmals angefeindeten Polizistinnen und Polizisten einen zusätzlichen Schutz vor Angriffen geboten. Es sei "unerklärlich", warum die Berliner Landespolitik jahrelange Erfahrungen in anderen Bundesländern und bei der Bundespolizei ignoriere und Zeit verliere, kritisierte die Berliner GdP.

Gewerkschaft fordert mehr Einsatzmöglichkeiten

Ähnlich ungeduldig zeigt sich auch die Brandenburger GdP-Vorsitzende Anita Kirsten. Die GdP begrüßt das Pilotprojekt der Bodycams, fordert aber eine Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten, etwa den Einsatz der Kameras in Wohnräumen. Der ist aus Datenschutzgründen bislang nicht zulässig. "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Einsätze mit hohem Konfliktpotential häufig in häuslicher Umgebung stattfinden, da Bedrohungslagen sich hauptsächlich im sozialen Umfeld und damit oft in Wohnräumen entwickeln", schreibt Kirsten per Pressemitteilung. Eine Bodycam biete Möglichkeiten, Transparenz und Nachvollziehbarkeit polizeilichen Handelns zu schaffen.

Auch hier seien andere Bundesländer weiter. Nordrhein-Westfalen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben bereits gesetzliche Grundlagen für den Einsatz der Kameras auch in Wohnräumen geschaffen. So weit sind sie in Brandenburg noch lange nicht. Angesichts knapper Haushaltsmittel ist fraglich, ob das Projekt Bodycam dauerhaft in nennenswertem Umfang bei der Brandenburger Polizei zum Einsatz kommt – oder vielleicht doch wieder ausgeknipst wird.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.07.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

17 Kommentare

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  1. 17.

    Zitat: "Da sollen die Mädels und Jungs das Filmen auch noch ankündigen müssen? Ist das nicht ein wenig weltfremd?"

    Die Beamten sollen doch nicht um Erlaubnis fragen oder sich für den Kameraeinsatz rechtfertigen, sondern ihn einfach nur ankündigen. Das sind 'ne Handvoll Wörter, Heidekind. ;)

  2. 16.

    So sehe ich das auch. Jeder mit verlaub gesagt “Dödel“ kann mein Kennzeichen einfach so abfragen, davon bekomme ich nicht einmal was mit bzw würde es nicht einmal in Erfahrung bringen können und dürfen. Aber die Polizei muss erstmal einen “Antrag“ stellen?

  3. 15.

    Her mit diesen Dingern und Schluß mit "mangels Beweisen".

  4. 14.

    "Händehoch oder ich filme!" wäre dann die Steigerung. Ok, mit der "Bluemangroup" habe ich es zwar auch nicht so, aber anpöbeln oder mehr verbietet sich doch einfach. Da sollen die Mädels und Jungs das Filmen auch noch ankündigen müssen? Ist das nicht ein wenig weltfremd?

  5. 13.

    Klingt gut.
    Abseits "prinzipieller" Fragen bzgl. der "Mechanismen" der Exekutive - Bsp. Beschwerderecht, Zwang, EFFEKTIVER Rechtsschutz, etc. - sind es schließlich Organwalter/MENSCHEN die diese Funktion wahrnehmen.

    PS
    Regierungskritik immer an die zuständigen Organwalter/Personen adressieren.

  6. 12.

    Die Kamera sollte ständig laufen. So kann jedes Fehlverhalten von Bürgern und Polizisten sicher festgestellt werden. Kommt es in einer Schicht zu keinen strafrelewanten Vorkommnisse , können die Daten gelöscht werden.

  7. 11.

    Zitat: "Politik scheint das Berufsfeld zu sein, alles soweit zu verkomplizieren, bis es gar nicht mehr geht."

    Was soll denn daran "politisch verkompliziert" sein, wenn der Beamte vor dem Einschalten der Kamera eben dies artikuliert; also sagt: "Ich schalte jetzt die Kamera ein."? Und wie im Artikel geschrieben, könnte dies den Angreifer auch abschrecken, da er nicht unbedingt gefilmt werden will.

  8. 10.

    6 Jahre von der Idee bis zum Start der Erprobung. Da ist noch Einiges an Luft bei der Digitalisierung bei der Polizei.

  9. 9.

    der pvb meldet das einschalten der bodycam beim polizeilichen gegenueber an. erst dann wird eingeschaltet. meistens folgen noch so ansagen wie "wenn sie sich nicht gleich beruhigen und ein wenig runterfahren, schalte ich die bodycam zu dokumentationszwecken ein".

  10. 8.

    :-)) Auf jeden Fall in 5facher Ausfertigung! Vielleicht gibt der Verbrecher ja dann genervt auf.

  11. 7.

    Die Hoffnung ist vielleicht, dass man mit dieser Art der Einführung, die ja praktisch ausschließlich den Polizisten schützt, die Hemmschwelle senkt die Dinger irgendwann permanent mitlaufen zu lassen, ohne dass die Beamten sie abschalten oder die Aufnahmen löschen könnten.

  12. 6.

    Der Scjritt ist längst überfällig.

  13. 5.

    Auf jeden Fall wäre eine schriftliche Einverständniserklärung incl. ausführlicher Belehrung usw, sinnvoll, damit es später keine Probleme mit dem Datenschutz gibt oder sogar Gerichte entscheiden müssten.

  14. 4.

    Die Datenschützer nehmen sich jetzt wieder wichtig. Wenn es darum geht das private Parkplatzkontrolleure die Anschrift des Halters über das KFZ Kennzeichnen ermitteln oder die Gebühreneinzugszentrale regelmäßig Daten der Landeseinwohnermeldeämter erhält, da ist dann alles okay.

  15. 3.

    Hi,

    Warum macht denn jetzt nich nacheinander jede Polizeiwache ihre eigenen Tests. Ist ja nicht so das die nicht schon woanders getestet wurden.
    So ein Unfug

  16. 2.

    „ Vor der Aktivierung müssen sie die Personen, die gefilmt werden, erst davon in Kenntnis setzen.“
    Ja klar… die Polizisten werden zu ner Gewalttat gerufen, greifen ein und müssen den vermeindlichen Täter erst noch über die Aktivierung der Kamera informieren. Wie realitätsfremd ist das denn? Politik scheint das Berufsfeld zu sein, alles soweit zu verkomplizieren, bis es gar nicht mehr geht.
    Mein Vorschlag: Bei präventiven Maßnahmen, z.B. Personenkontrollen, sollte vorher informiert werden. Bei Eingreifen auf Grund von evtl. Straftaten soll die Cam gleich mitlaufen ohne Information vorher.

  17. 1.

    Bodycams als "neutrale Beobachter" - auf die die Polizei selbst auch keinen Zugriff hat - wären echt gut. #Beweissicherung

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