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Quelle: rbb / Julian von Bülow

Fischer im Hitzestress

Der Wasserjäger

Fast überall in Berlin und Brandenburg stehen die Pegel bedrohlich niedrig: Wasser wird rationiert, Flüsse trocknen aus. Der Teichwirt Toni Richter kämpft um das Überleben seiner Fische – und seine Existenz. Von Julian von Bülow

Toni Richters Kampf gegen den Klimawandel beginnt morgens um sechs mit der Schrotflinte. Richter steht auf, schaut als erstes aus dem Fenster: Sind die Kormorane wieder am Teich und fressen die Karpfen? Er greift zur Waffe, zielt hoch in den Himmel über Maasdorf bei Bad Liebenwerda. Erst fliegt das Schrot durch die Morgenluft, dann fliegen die Fischräuber. So beginnen seine Arbeitstage häufig, erzählt er. "Wenn man da nicht hinterher ist, wird das nichts mit den Teichen", sagt Richter.

Fische züchten, Fische angeln, Fische verkaufen – für Familie Richter ist es ihr Leben. Doch ihre Arbeit in Bad Liebenwerda im Kreis Elbe-Elster wird immer schwieriger. Die Vögel waren schon immer da, doch die niedrigen Wasserpegel machen den Fischräubern den Fang deutlich leichter. Wegen der Klimakrise werden die Brandenburger Sommer immer trockener und heißer.

Seit 2018 seien die Wasserprobleme "ganz schön krass" geworden, so beschreibt es Toni Richter. Auch in diesem Jahr ist die Lage kritisch. Von den 26 Pegelmessstellen in Brandenburger Flüssen melden 22 Niedrigwasser, an dreien gilt die Vorwarnstufe (Stand: 22.07.22, 10:45 Uhr). Der Wassermangel bedroht an der Oder Naturschutzgebiete, an der Schwarzen Elster wurden Fische aus dem letzten bisschen Flusswasser gerettet. Damit es bei Richters Teichen nicht auch so drastisch kommt, muss der 39-Jährige dem Wasser hinterherjagen.

Die Niedrigwasserampel zeigt, ob viel oder wenig Wasser durch die Flüsse fließt: 22 von 26 Punkten sind rot - das heißt Niedrigwasser. Stand: 22.07.2022 (Quelle: Auskunftsplattform Wasser Brandenburg). | Quelle: Auskunftsplattform Wasser/Landesamt für Umwelt Brandenburg, LUNG-MV, SenUMVK Berlin, WSV | dl-de/by-2-0

Autofahrt wie ein Erdbeben

Gemeinsam mit seinen Eltern kümmert sich Toni Richter um 20 Teiche, auf einer Gesamtfläche von 86 Hektar. Das entspricht in etwa der Größe von 120 Fußballfeldern. Schon Toni Richters Urgroßvater züchtete Fische in Teichen. 1960 kam sein Sohn nach Bad Liebenwerda und baute die Teichwirtschaft auf, die heute Toni Richter und sein Vater betreiben.

Der Job verlange ihm vieles ab, sagt der Fischermeister: Körperlich müsse er immer fit sein - krank zu sein könne er sich nicht erlauben, sonst sei er verloren. Und zeitintensiv ist der Beruf, mal seien es acht Stunden Arbeit am Tag, mal 80 Stunden in der Woche. "Mein fünfjähriger Sohn ist viel dabei. Sonst gäbe es Zeiten, wo ich ihn nur sehr wenig sehen würde", sagt Richter. Deshalb steht ein blauer Kindersitz in seinem weißem Nissan-Pickup.

In diesem Moment fühlt sich die Autofahrt über die Feldwege an wie ein Erdbeben. Die Armaturen knarzen und rumpeln, ein rostiger Hammer und eine Astschere knallen auf dem Boden hin und her. Die Bordelektronik komplettiert das Feldweg-Crescendo mit einem penetrant nervigen Warnton. Auf diesen kurzen Wegen am Teich schnallt Richter sich nicht an. Beim Blick aus dem Fenster sieht er ein kümmerliches Maisfeld, dessen Pflanzen bisher nur Kniehöhe erreicht haben. Normalerweise stünden die jetzt zwei Meter hoch, sagt Richter. Doch das Wasser fehlt.

Einer der Teiche von Teichwirt Toni Richter in Bad Liebenwerda (Quelle: rbb / Julian von Bülow). | Quelle: rbb / Julian von Bülow

Bis er 28 Jahre alt war, habe er keine Lust auf Fische gehabt, erinnert sich Richter. "Ich bin viel gereist, habe in Neuseeland auf einer Kiwifarm und in Australien auf einer Paprikafarm gearbeitet. Da lernte ich den Wert der Lebensmittel schätzen und wieviel Zeit und Arbeit da drinsteckt", sagt er. Danach stieg er in den Familienbetrieb ein und machte die Prüfung zum Fischermeister. Die Fische aufwachsen zu sehen, draußen in der Natur zu sein und viel Abwechslung seien für ihn das Schöne am Beruf. "Mal sitze ich im Büro, mal steh ich im Wasser und am nächsten Tag fahr ich Bagger", sagt Toni Richter. Nervig seien dagegen Biber, Kormorane - und das immer weiter zurückweichende Wasser.

"Extremes Wasserdefizit"

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Niedrige Pegelstände in der Oder legen derzeit große Sandbänke frei. Der Wassermangel erreicht den Nationalpark Unteres Odertal. Dessen Leiter spricht von historischen Extremen und einer Gefahr für die Lebensräume.

Erst steht der Fischreiher im Teich, dann der Fischer

Als Richter aus dem Nissan steigt, hebt gerade ein Reiher zum Abflug aus dem Teich an und mit ihm vermutlich der ein oder andere Fisch im Bauch. Während der Vogel über das Wasser segelt, zieht Richter sich um: Er schlüpft in der prallen Mittagshitze in eine olivgrüne Gummihose, die fließend in Gummistiefel übergeht. Stand vorher der Fischreiher im Teich, ist es jetzt der Fischzüchter mit Zollstock. Etwa zehn Meter watet er, doch das Wasser steht ihm kaum bis zu den Knien. Idealerweise sollte es ihm fast bis zur Hüfte gehen.

"45 Zentimeter!", ruft der Fischermeister und klingt besorgt. "Hier könnte es zu Notabfischungen kommen." Dann würden die Fische umgesiedelt. Acht Wochen Sommer stehen den Fischen noch bevor. Wenn sie Pech haben, sind es acht heiße, trockene Wochen. Das Wasser verdunstet und je heißer es ist, desto mehr Sauerstoff zum Atmen brauchen die Fische. Gleichzeitig kann warmes Wasser weniger Sauerstoff binden. Das führt notfalls dazu, dass die Fische an der Wasseroberfläche nach Luft ringen. Dort warten dann Reiher und Co., die bei niedrigem Pegel zudem einen besseren Blick auf ihre Beute haben.

Der Krötenchor tritt nicht mehr auf

Für Notabfischungen muss Richter dann mit Traktoren, Anhängern und Baggern die Fische anderswo unterbringen. Bei hohen Temperaturen ist das enormer Stress für die Tiere, erklärt der Fischermeister. Für andere Tiere scheint es hier an den Teichen schon fast zu spät: Richter steht neben Wasser und Schilf, vereinzelt ist ein Quaken zu hören oder eine Libelle zu sehen. Doch um die Teiche herum gebe es kaum Krötenkonzerte mehr, sagt der 39-Jährige und klingt etwas traurig. Die Zahl an Kammmolchen, Rotbauchunken, Knoblauchkröten und Laubfröschen sei deutlich zurückgegangen.

Mit der Mistgabel gegen das Biberbauprojekt

Nach einer kurzen Tour im Nissan steht Richter an einer anderen Stelle seines Teichgebiets. Es sind fast 40 Grad im Schatten und Richter hat wieder die Watehose an. Er stapft mit einer Mistgabel in den Händen durch Brennnesseln und mannshohes Schilf. Kurz darauf steht er im Wassergraben vor einem Biberdamm. Der hindert Wasser daran, in den Fischteich zu strömen. Mit der Mistgabel schafft Richter Laub und Schlick beiseite, ehe er Äste aus dem Damm zerrt. "Scheiß Weiden, störrisches Zeug", flucht er, während die Mittagssonne auf seine rote Schirmmütze und die Äste aufs Schilfufer knallen. Nach einer Viertelstunde ist das Biberbauwerk beseitigt, das Wasser fließt wieder. Ein kleiner Punktsieg für den Teichwirt.

Die Hitzewellen werden laut der Weltwetterorganisation künftig länger und intensiver sein. Wie will Richter darauf reagieren? Er gibt sich pragmatisch: "Weitermachen! Optimieren!“, sagt er, doch er klingt dabei etwas verzweifelt. Wie hoch sind die Pegel? Wo müssen Wehre ausgebessert, wo neue Stauwerke errichtet und Dämme aufgeschüttet werden? All das muss er ständig im Blick behalten. Auch muss er Wasser von einem Ort zum anderen pumpen, dafür Zeit und Geld investieren - und diese Kosten werden steigen.

Erlösung kann nur von oben kommen

Landwirte brauchen das Wasser für ihre Pflanzen, Richter für die Fische, und 230 Menschen leben davon, dass in Bad Liebenwerda Mineralwasser abgefüllt wird. Zu viele wollen in Brandenburg an die wertvolle Flüssigkeit. Man müsste die Entnahme von Grundwasser in der Nähe von Teichen und Seen verbieten, sagt Richter.

Bis dahin kann der 1,90-Meter-Mann mit der roten Schirmmütze aber nicht warten. Also legt er Hand an, tut, was er kann. Trotz aller Hemdsärmeligkeit: "Wir gucken jeden Abend den Wetterbericht und hoffen auf Gewitter mit viel Regen", sagt er und schaut auf seinen Fischteich.

Sendung: rbb24, 21.07.2022, 18:00 Uhr

Beitrag von Julian von Bülow

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