CO2-Monitoring - Forscher scannen Raumluft von öffentlichen Gebäuden in Berlin

Mo 12.09.22 | 06:08 Uhr | Von Elena Deutscher und Axel Dorloff
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Schulraum mit geöffneten Fenstern (Quelle: dpa/Iris Kaczmarczyk)
dpa/Iris Kaczmarczyk
Audio: rbb24 Inforadio | 6.9.2022 | Bild: dpa/Iris Kaczmarczyk Download (mp3, 4 MB)

Ein neues Projekt der Technologiestiftung und der Hochschule für Technik und Wirtschaft hat das Ziel, die Qualität der Raumluft zu verbessern. Mithilfe eines CO2-Monitorings kann erfasst werden, wann es Zeit zum Lüften ist. Von Elena Deutscher und Axel Dorloff

Kopfschmerzen, Müdigkeit, Unzufriedenheit – und seit der Pandemie auch ein erhöhtes Corona-Infektionsrisiko: Das alles kann durch schlechte Raumluft verursacht werden. "Dicke Luft" entsteht, wenn Menschen in Innenräumen zusammenkommen und nicht ausreichend gelüftet wird. Ganz egal ob in den eigenen vier Wänden oder in Restaurants, Bibliotheken, Clubs und Schulen: Durch die ausgeatmete Luft steigt die CO2-Konzentration im Raum an und damit auch die Belastung mit Coronaviren.

Im sogenannten Como-Projekt messen die Technologiestiftung Berlin und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) deshalb die CO2-Konzentration in öffentlichen Gebäuden. "Das ist ein guter Indikator für die Ansteckungsgefahr", sagt Birgit Müller, Professorin für Gebäude-, Energie und Informationstechnik an der HTW. "Wir können sehen, wie gut ein Raum belüftet ist und wie man besser lüften kann, um die CO2-Konzentration wieder zu senken. Alternativ könnten wir auch wie in der Pandemie weniger Menschen in ein Geschäft lassen, bis die CO2-Konzentration wieder fällt."

Infobox

Wie werden die Daten der Sensoren übertragen?

Neben der Messung der CO2-Konzentrationen wird mit dem Como-Projekt auch die Qualität der Lora-Funkabdeckung in der Stadt untersucht. So soll Basiswissen zum Ausbau von Berlin zur "Smart City" gesammelt werden. Die Messdaten der Sensoren werden per Funk nach Lorawan-Standard (leitungsloses Übertragungsverfahren) übermittelt, eine Funktechnik speziell zur Vernetzung von Endgeräten, die wenig Energie benötigt.

Das Berliner Lorawan-Funknetzwerk "The Things Network" (ttn) wird von Freiwilligen betrieben, die etwa 200 öffentlich nutzbare Gateways betreiben. Die Sensoren übertragen per Funk über Lorawan die Daten an ein Gateway. Das Gateway sendet die Daten über das Internet an den Como-Server, wo die Daten zur Nutzung im Projekt bereitstehen.

Luftwerte in Echtzeit ablesen

Für das Projekt wurden deshalb rund 50 Sensoren in öffentlichen Innenräumen wie zum Beispiel im Berliner Club Schwuz aufgestellt. Sie messen nicht nur den CO2-Wert, sondern auch Temperatur und Feuchtigkeit. "Die Werte werden über Lorawan übermittelt", sagt Projektleiterin Ninett Rosenfeld von der Technologiestiftung. Über ein Gateway werden die Daten direkt gesendet, WLAN ist daher nicht notwendig.

Auf der Internetseite des Como-Projekts können die aktuellen Werte aufgerufen werden [como-berlin.de]. So werden Berlinerinnen und Berliner fürs Lüften sensibilisiert und können besser abschätzen, wann Lüften nötig ist. Teilnehmende Betreiberinnen und Betreiber von zum Beispiel Clubs oder Restaurants können außerdem durch eine stündliche Bewertung der CO2-Konzentration Phasen mit guter und unzureichender Belüftung erkennen und entsprechend reagieren.

Die CO2-Konzentration in der Luft wird in ppm gemessen, also in Parts per Million (zu Deutsch: Anteile pro Millionen). 1 ppm entspricht einem CO2-Molekül pro einer Million Moleküle trockener Luft. "Es gibt eine Studie vom Hermann-Rietschel-Institut, die untersucht hat, wie das Ansteckungsrisiko in einem Raum reduziert werden kann und dazu zählt eben auch die Einhaltung des CO2-Werts 1.000 ppm", erklärt Müller. Werte unter 1.000 ppm gelten laut Umweltbundesamt als hygienisch unbedenklich. Bei Werten darüber sollte jedoch gelüftet werden, bei Werten über 2.000 ppm muss dringend gelüftet werden. Zum Vergleich: Die CO2-Konzentration der Außenluft in Deutschland liegt seit der Industrialisierung bei etwa 400 ppm.

Corona-Infektionsrisiko bis zu 33-fach geringer

Hält man laut Müller einen Wert von unter 1.000 ppm ein, so ist das Infektionsrisiko mit Corona siebenmal geringer. "Und trägt man zusätzlich eine FFP2-Maske reduziert sich das Risiko sogar um das 33-fache", so die HTW-Professorin.

Regelmäßiges Lüften ist wichtig – vor allem vor dem Hintergrund, dass Menschen in Ländern wie Deutschland 80 bis 90 Prozent ihres Tages in Innenräumen verbringen. Das CO2-Monitoring des Como-Projekts könnte dabei helfen, bedarfsgerechter zu Lüften und damit im Winter auch Heizkosten zu sparen.

Das Projekt läuft noch bis Ende September und wird dann von der Technologiestiftung und der HTW evaluiert. Die Ergebnisse werden Ende des Monats präsentiert. Dort soll gezeigt werden, welche Aussagen über die Raumluftqualität anhand der gemessenen CO2-Konzentration möglich sind und wie die Ergebnisse interpretiert werden können. Das Luftmonitoring kann ein weiter Baustein der Pandemiebekämpfung sein und unabhängig davon die Lern- und Konzentrationsfähigkeit im Raum verbessern.

Ob das Projekt noch weitergeführt werden und vielleicht sogar ausgebaut werden kann, ist noch nicht klar. Zur Fortführung des Projektes ist die Technologiestiftung in Gesprächen mit verschiedenen Senatsverwaltungen. Die rund 50 Sensoren, die bereits verteilt sind, verbleiben voraussichtlich an ihren Standorten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 6.9.2022, 14:16 Uhr

Beitrag von Elena Deutscher und Axel Dorloff

9 Kommentare

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  1. 9.

    Nicht schlecht. Und wenn man die Sensoren mit Gerüchen verknüpfen könnte, dann wüste jeder was zu tun ist, wenn es soundso riecht. Wenn dann noch auf diese Weise sich die Sensoren ganz von selbst entbehrlich machen? Dann haben wir ein neues und nicht nur philosophisches Thema...

  2. 8.

    Wenn es jetzt noch Sensoren für virale Aerosole gäbe, dann könnte man bestimmt vieles erheblich vereinfachen. Ein CoViD-Test der wie ein Atem-Alkoholtest funktioniert, wäre eine Erleichterung in vielen Bereichen.

  3. 7.

    "Kopfschmerzen, Müdigkeit, Unzufriedenheit [...]: Das alles kann durch schlechte Raumluft verursacht werden."

    ...jedoch nicht, wenn es die erhöhte CO2-Konzentration unter einer FFP2 ist. Dann passiert das alles nicht ;-)

  4. 6.

    Seit Jahrtausenden wußte jeder Mensch (na gut - außer Teenagern), wann er lüften muß. Heute brauchen wir "Projekte" dafür. Nun ja - kost ja nix. Sind ja bloß Steuermillionen...

  5. 5.

    "Alternativ könnten wir auch wie in der Pandemie weniger Menschen in ein Geschäft lassen, bis die CO2-Konzentration wieder fällt"

    Irgendwie drehen alle durch. Meine Güte - war das Leben einmal einfach. Da soll doch demnächst wohl keine Angstwelle wegen zu viel CO2 in der Raumluft losgetreten werden? ;-)

  6. 4.

    "Das CO2-Monitoring des Como-Projekts könnte (!!) dabei helfen, bedarfsgerechter zu Lüften" - Warum im Konjunktiv? Ohne diesen Aufwand wüssten die Lehrer nicht das das Lüften nach 20 Minuten richtig oder falsch ist? Ein ganzes Leherleben wurde dann falsch gelebt...

  7. 3.

    Ich fass es nicht! Gibt es nichts sinnvolles zu erforschen? Wie hat nur die Menschheit bis heute überlebt ohne Sensoren, die uns sagen, wann wir lüften müssen?
    Manchmal hab ich das Gefühl, dass die natürliche Intelligenz bald durch die künstliche ersetzt wird.

  8. 1.

    "Dort soll gezeigt werden, welche Aussagen über die Raumluftqualität anhand der gemessenen CO2-Konzentration möglich sind und wie die Ergebnisse interpretiert werden können."

    @rbb: bitte diese Ergebnisse einholen und von unabhängigen Experten bewerten lassen, also nicht HTW und keine Gesundheits-Fachleute. Danke.

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