Reportage | Hubschrauber "Christoph 31" - Unterwegs mit dem fliegenden Rettungstaxi

Sa 29.10.22 | 17:16 Uhr | Von Christina Rubarth
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Pilot und Christoph 31-Stationsleiter Nico Hellmann. (Quelle: rbb/Rubarth)
Video: rbb24 Abendschau | 29.10.2022 | Bericht: C. Rubarth | Bild: rbb/Rubarth

Wenn der Notarztwagen nicht schnell genug sein kann, hebt "Christoph 31" ab. Seit genau 35 Jahren ist der gelbe ADAC-Hubschrauber in Berlin im Einsatz. Und das mit 250 Stundenkilometern. Christina Rubarth war bei einem Rettungsflug dabei.

Auf dem großen Hangar neben der Charité-Klinikum in Berlin-Steglitz piept es, laut und schrill. Und das gleichzeitig auf mehreren Handys und Funkgeräten. Der Drucker brummt und spuckt ein Blatt der Berliner Feuerwehr aus: Koordinaten für den Piloten Nico Hellmann, außerdem Patienteninfos für Notarzt Wolfgang Bauer und Notfallsanitäter Felix Behringer. Ein Einsatz im Falkenhagener Feld steht an. In einem Supermarkt liegt eine bewusstlose Frau.

Gleichzeitig stülpen sich alle drei Männer ihre Helme über. Schnell laufen sie zum Rettungshubschrauber, der vor dem Hangar abflugbereit auf sie wartet. Keine zwei Minuten vergehen vom schrillen Piepen bis der gelbe Hubschrauber "Christoph 31" vom Boden abhebt. "Wir werden immer dann gerufen", sagt Pilot Nico Hellman, "wenn keiner der 25 Notarztwagen in der Stadt schneller bei dem Patienten oder der Patientin ist als wir."

Etwa sechs bis sieben Einsätze hat das Team zurzeit am Tag, rund 3.000 im Jahr. Mit 250 Stundenkilometern geht es von der "Christoph 31"-Station am Benjamin Franklin Krankenhaus in Steglitz nach Spandau ins Falkenhagener Feld. Für den Flug quer durch die Stadt braucht das Team neun bis zehn Minuten.

Infos im netz

Mit 250 Stundenkilometern über Berlin

Er sehe sich als eine Art Taxifahrer, sagt Hellmann. Er kennt die Straßen der Stadt von oben – und weiß den kürzesten Weg fast immer passgenau. Vorne neben ihm sitzt Felix Behringer, Co-Pilot und Notfallsanitäter in einem. Behringer kümmert sich um den Funk, erfragt Infos zum Zustand der Patientin, spricht mit der Polizei, die den Landeplatz absichern wird. Notarzt Wolfgang Bauer ist im hinteren Teil des Hubschraubers mit Blick auf Notfallkoffer und Liege, da wo verletzte Menschen in Spezialkliniken transportiert werden können. Er schaut aus dem Fenster. Auf seinem Ärmel ist ein Aufnäher, mit einem gelben Hubschrauber vor blauem Himmel "ADAC-Luftrettung Christoph 31, Berlin".

Rettung aus der Luft

Ihr Flug führt sie über den Teufelsberg hinweg, über orange-gelb gefärbte Bäume, über ein dichtes Netz von Kleingärten. Dann wird es wieder städtischer: Straßen, Kreuzungen, Supermärkte, hohe Häuser. Bereits im Landeanflug öffnet Co-Pilot Felix Behringer die linke Tür, schaut hinunter. So sichert er doppelt ab, dass der Hubschrauber mit seinen weiten Rotoren ohne Schäden unbeschadet zwischen Häuserwänden und Tankstelle landet. Blätter und ein Plakat der Tankstelle nebenan wirbeln durch die Luft; die Haare der Polizisten am Boden, die die Straße für die Landung absperren, wehen im Landewind.

Herausforderung: 4 Millionen Einwohner, viele Häuser

Arzt und Sanitäter springen heraus, laufen mit dem Notfallkoffer zum Supermarkt, in dem die Patientin liegt. Als Pilot Nico Hellmann erfährt, dass die beiden die Frau im Rettungswagen ins Klinikum Spandau, das nächstgelegene Krankenhaus begleiten werden, hebt er wieder ab und fliegt eine Kurve über die Havel und Eiswerder zum dortigen Landeplatz.

Hellmann ist seit über zehn Jahren Pilot: zuerst bei der Bundeswehr, seit 2016 für den ADAC. Seit fünf Jahren leitet er "Christoph 31", die Station in Berlin mit den meisten Einsätzen weltweit.

Pilot und Christoph 31-Stationsleiter Nico Hellmann. (Quelle: rbb/Rubarth)

"Christoph 31" gehört weltweit zu den Stationen mit den meisten Einsätzen

Stolz ist er auf seine moderne Maschine, die er mit einer Art Joystick zwischen den Knien lenkt. "Wir haben hier keinerlei Zeigerinstrumente mehr, keinerlei analogen Instrumente." Nirgend bewegt sich ein Zeiger. Alles ist digital. "Teilweise fünffach redundant über Computer abgesichert", sagt er. Vor ihm zeigen Bildschirme, was die Kamera noch vorne und nach unten einfängt, flimmern Grafiken und Karten, dazu viele Knöpfe vor ihm, über ihm.

Beim Heruntersinken auf den Landeplatz in Eiswerder bleiben Menschen stehen und zücken ihre Handys. Kurz nur ist "Christoph 31" am Boden – bis Hellmanns Kollegen eingestiegen sind. Zurück geht es vorbei am Olympiastadion unter dichten, grauen Wolken zur Station in Steglitz. Hellmann mag seinen Job, sagt er. Selbst wenn der Himmel grau ist, sei er doch noch nie mit einem schlechten Gefühl oder mit einem grummeligen Gesicht zur Arbeit gefahren.

Pilot und Christoph 31-Stationsleiter Nico Hellmann. (Quelle: rbb/Rubarth)

Schicht von 7 Uhr morgens bis Sonnenuntergang

Zurück am Boden, kurz vor Sonnenuntergang: Für Notarzt und Notfallsanitäter geht die Schicht langsam zu Ende. Sie freuen sich, zu Ihren Familien nach Hause zu kommen. Pilot Nico Hellmann macht noch einen Sicherheitscheck, öffnet alle Türen, trocknet den Heckrotor, leuchtet in jedes Eck. Die Maschine soll fit sein am nächsten Morgen. "Wir sitzen hier zu dritt oder zu viert in diesem Hubschrauber, bewegen uns mit 250 Stundenkilometern durch die Luft. Da muss man sich einfach drauf verlassen können, dass alles ordnungsgemäß funktioniert."

Um sieben Uhr morgens ist wieder Dienstbeginn. Nico Hellmann drückt den Lichtschalter. Nach und nach gehen alle Strahler im Hangar aus. "Gute Nacht" sagt er. "Christoph 31" ist bereit für den nächsten Einsatz.

Sendung: Abendschau, 28.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Christina Rubarth

27 Kommentare

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  1. 27.

    Auch in diesem Post wieder die Meinung, dass ein Rettungswagen anstelle des Helis (aus Ersparnisgründen) zum schnellatmöglichen Transport eines Schwerkranken oder Schwerverletzten eingesetzt werden sollte.Haben Sie noch nie gesehen, wie sich Rettungsfahrzeuge trotz Blaulicht und Sirene durch den Berliner Verkehr quälen, wenn beim Patienten jede Minute zählt ?

  2. 26.

    Keiner hat behauptet, dass C31 aus Jux fliegt. Aber der Fakt, dass der ADAC mit C31 Geld verdient weil der Berliner Senat nicht ausreichend Fahrzeuge und Besatzung auf die Straße bekommt, dass darf wohl erwähnt werden. Ein Kostenvergleich zwischen einer Flugstunde und einer Fahrzeugstunde ist leicht zu berechnen. So produzierte der Senat horrende Kosten im Gesundheitssystem und macht sich selbst auf Kosten von uns allen einen schlanken Fuß.

    Darüber hinaus konnte C31 über ein Jahr (während des Umbaus des Landeplatzes inkl. Abholzung zahlreicher Bäume)von Schönefeld starten. Es besteht also keine Notwendigkeit, C31 mitten im Wohngebiet zu platzieren. Sollte einmal etwas passieren, sind natürlich alle mächtig betroffen, aber keiner hat es geahnt. Man kann die Rettung von Menschenleben auch intelligent organisieren.

  3. 25.

    Hannes, haben Sie sich mal klargemacht, dass der Heli nicht aus Jux und Dollerei fliegt, sondern es geht um Menschenleben. Ich selbst wohne auch dicht am Landeplatz des UKB, und finde , dass der "Lärm" durchaus auszuhalten ist. Überflug über das Wohngebäude 3-4 Min., Rückflug je nach Anforderung, und das 4-5 mal täglich im Durchschnitt. Soviel Lärm dürfte Ihnen ein Menschenleben doch wert sein. Und Ihr Verweis auf Notfalltransporte im Strassenverkehr ist,gelinde gesagt, weltfremd

  4. 24.

    Antwort auf [Marta] vom 30.10.2022 um 8:02

    Nur mal zur Info: Der Rettungshubschrauber Christoph 31 ist nicht 35 Jahre alt, sondern es gibt unter dem diesem Rufnamen, seit 35 Jahren, am Standort in Steglitz einen Rettungshubschrauber, welcher im Laufe der 35 Jahre, durch neuere Modelle ersetzt wurde, die deutlich leiser sind, als der allererste Hubschrauber (der heute auf einem Mast, am Feuerwehrmuseum, in Tegel steht). Der erste war ein Messerschmidt BO 105, der zweite ein EC 135 von Eurocopter und der aktuelle ein H135 von Airbus. Und der ist nicht nur innnen wesentlich moderner, als der erste, sondern auch außen.

  5. 23.

    Schön, dass es Christoph plus Piloten gibt, keine Frage.
    An manchen Tagen rauscht Christoph gefühlt 5 Mal übers Haus, was in meinem Falle meint, dass ich - etwas überspitzt formuliert - mich an die Kufen des Helis hängen könnte. Freundlicher Handgruß zum Piloten klappt problemlos.
    Einige Zeit und jetzt auch nicht soo selten, landet er auch direkt vorm Balkon. Scheint so eine Art Lieblingslandeplatz zu sein.
    Das ist beeindruckend und spannend.
    Aber auch ganz schön laut. An Arbeiten oder Telefonieren ist dann nicht zu denken.
    Hinzu kommen noch die echt wahnsinnig lauten BuPo-Hubis.

    Gibt es keine Mindesthöhen für Hubschrauber und keine Lärmschutzauflagen?
    Ansonsten fänd ich den Deal super: für 10 Direktüberflüge gibt einen Sightseeing-Frei-Mitflug :).

  6. 22.

    Klar sind wir froh dass es Rettun gshelikopter gibt . Aber wer in der Einflugsschneise wohnt hat zu leiden zu dem der Heli auch Nachts tief über den Häusern fliegt nur um in Bewegung zu bleiben. Das las ich in der ADAC Zeitung , denn es müssen ständig auch Testflüge stattfinden also nicht jeder Flug ist eine Rettung. Und ein Heli der 35Jahre alt ist knattert entsetzlich der mag modern innen sein von der Technik aber nicht vom Motor!

  7. 20.

    Als Freizeitpilot und Fluglehrer habe ich über Funk öfter Kontakt mit den Rettungshelis und wenn sie gelegentlich einenTankstop an unserer Homebase einlegen immer wieder mal kameradschaftlichen Smalltalk mit Pilot, Assi oder Arzt. Ich bin ihnen sehr dankbar für ihren unermüdlichen Einsatz für alle hilfsbedürftigen Menschen,

  8. 19.

    Ich bin immer begeistert von den Einsatzflügen des ADAC Rettungshubschraubers. Tatsächlich ist es nicht ganz so easy, auf dem Selma- oder Dubrow-Platz zu landen. Die hohe Dichte alter Menschen erfordert häufige Einsätze in den Randbezirken der Stadt, in denen die NEF Dichte nicht zu der der älteren Bewohner passt.

    Unvergessen der amerikanische Pilot, der nun im Ruhestand ist, und den herbeigelaufenen Kindern geduldig alles erklärte.

    Danke für die Einsätze!

  9. 18.

    Es muss heißen, 25 Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF), wenn diese nicht können, dann kommt Christoph 31 zum Einsatz. Das passiert vorwiegend in den Randbezirken…

  10. 17.

    Die heißen aber alle Christoph. Christoph 47 ist in Greifswald stationiert. ( Klinik ). Habe mir mal im Schnelldurchlauf eine Kurzübersicht verschafft. Auch über die zentrale Wartungsstelle. Kann ich allen nur empfehlen. ( Habe ja selbst Triebwerkmechaniker gelernt und das bleibt im "Blut".

  11. 16.

    Wirklich absolut unfassbar dieser Zustand...


    ...sie kennen noch kein Oropax?

  12. 14.

    Ich hoffen, dass Sie nie auf einen Helikoptereinsatz angewiesen sein werden. Bleiben Sie gesund. Meinen Respekt den Besatzungen der Rettungshelis und "always happy landings"

  13. 13.

    Gleich nebenan ist unser Marktplatz. Habe ein schönes Foto als hier der Hubi von DLR nach Schneefall landete und startete. Auch das nahe Stadion ist Landepunkt. Niemand klagt darüber. Helios-Bad Saarow - unser KH und Klinikum Buch und Bernau sind ohne Hubi nicht denkbar. Mein Schwager war vor einigen Jahren Flugpatient.

  14. 12.

    Andere benutzen dieses tolle Fluggerät aber auch. Aber nicht in gelb.

  15. 11.

    Mit ein bissel Durchsicht und Kontrolle ist es bei einem Fluggerät nicht getan. Es bestehen genau festgelegte gründliche Wartungsintervalle. Gerade ein Triebwerk mit Getriebe etc. unterliegt kürzeren Prüfungen.

  16. 10.

    Ihr Kommentar ist mehr als faneben.Sehen Sie eigentlich was auf Berlins Strassen los ist.Rettungswagen kämpfen sich mit Blaulicht und Sirene durch die Straßen und wenn sie Glück haben wird eine Rettungsgasse gebildet.Vielleich werden sie eines Tages zufrieden sein wenn der Hubschrauber rechtzeitig bei ihnen eintrifft

  17. 9.

    Es gibt EINEN Rettungshubschrauber und Sie schreiben von "ewig vielen"? Und nein, der ist nicht besonders laut, fliegt oft genug über mein Haus.

  18. 8.

    Die Straßen sind mit Klimaklebern blockiert... der Verkehr ruht oft genug wegen Baustellen oder Unfällen Gut das es diese Hilfe aus der Luft gibt....die Sie ja nicht brauchen.
    Hoffentlich fliegt er noch oft genug da viele Menschenleben dadurch gerettet werden.

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