Berliner Landgericht - Todesfahrt am Ku'damm: Beschuldigter schweigt im Prozess

Di 07.02.23 | 12:29 Uhr
Der Platz des Angeklagte bleibt am 07.02.2023 zum Beginn des Prozesses nach der Todesfahrt in der Berliner Innenstadt mit einer Toten und zahlreichen Schwerverletzten leer. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb24 Abendschau | 07.02.2023 | N. Siegmund | Bild: dpa/Fabian Sommer

Am 8. Juni vergangenen Jahres fuhr ein Mann in der Berliner City West in eine Menschenmenge. Eine Frau starb, viele weitere Personen wurden verletzt. Ob der mutmaßliche Täter schuldunfähig war, soll ab Dienstag der Prozess gegen ihn klären.

Acht Monate nach der Todesfahrt am Berliner Ku'damm hat am Dienstagvormittag der Prozess gegen den mutmaßlichen Fahrer begonnen. Die Anklage wirft dem 29-Jährigen Mord und versuchten Mord in 16 Fällen sowie gefährliche Körperverletzung vor.

Der 29-Jährige soll am 8. Juni 2022 mit einem Auto auf dem Kurfürstendamm (Ku'damm) und der Tauentzienstraße mit Absicht in Fußgängergruppen gefahren sein. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass es Todesopfer geben könnte. Das habe er billigend in Kauf genommen. Der Verteidiger des Beschuldigten erklärte am Dienstag vor dem Landgericht in Berlin, sein Mandant werde sich dazu zunächst nicht äußern.

Gutachten legt Schuldunfähigkeit nah

Besonders betroffen war eine Schulklasse aus Hessen. Deren 51-jährige Lehrerin kam ums Leben, ein Kollege sowie elf Schülerinnen und Schüler wurden verletzt, manche lebensgefährlich. Auch eine 14-jährige Berlin-Besucherin gehörte zu den Betroffenen. Außerdem wurden eine 32-Jährige, die im siebten Monat schwanger war, sowie zwei vor einem Imbiss stehende 29 und 31 Jahre alte Männer erheblich verletzt.

Nach der Todesfahrt hatten die Behörden insgesamt 142 Betroffene registriert. Sie kommen aus Hessen sowie sieben weiteren Bundesländern und drei anderen EU-Staaten. In der Senatsjustizverwaltung war nach der Tat eine Stelle angesiedelt worden, die das Hilfsangebot für Verletzte, Ersthelfende oder Augenzeugen koordinierte.

Richter: Opfer sollen von Zeugenaussagen vor Gericht verschont werden

Wie der Vorsitzende Richter Thomas Groß zum Prozessauftakt erklärte, besteht bei zahlreichen Opfern die Gefahr einer Retraumatisierung durch das Verfahren. Vor allem den betroffenen Jugendlichen will er darum nach Möglichkeit eine zusätzliche psychische Belastung durch eine Zeugenvernehmung ersparen.

Um ihre Erlebnisse gleichwohl im Prozess berücksichtigen zu können, sollen frühere Aussagen verlesen werden. Er wolle so den jungen Leuten "hier Raum geben, ohne sie in
diesen Raum zu zwingen", erklärte Groß. Elf Opfer sind laut Gericht auch als Nebenkläger an dem Verfahren beteiligt.

Prozess soll bis Ende April dauern

Der Beschuldigte ist seit der Todesfahrt in einem Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht. Ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten legt laut Staatsanwaltschaft die Schuldunfähigkeit des Mannes nahe. Staatsanwältin Silke van Sweringen strebt in einem sogenannten Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Seit mindestens 2014 sei der 29-Jährige an einer Schizophrenie erkrankt. Ohne Behandlung ist aus Sicht der Behörde zu befürchten, dass der Beschuldigte weitere gefährliche Taten begeht.

Für den Prozess hat das Berliner Landgericht zunächst insgesamt zwölf Verhandlungstage bis zum 21. April geplant. Am ersten Prozesstag wurde zunächst ein Sachverständiger zum Verlauf des Vorfalls gehört. Am zweiten Prozesstag am 17. Februar plant die zuständige 22. Strafkammer, den schwer verletzten Lehrer aus Hessen als Zeugen zu vernehmen. Bislang hat das Gericht insgesamt zwölf Verhandlungstage geplant.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.02.2023, 07:00 Uhr

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