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Quelle: dpa/N. Bachmann

Beispiel Prignitz

Wo das 49-Euro-Ticket nicht ankommt

Für nur 49 Euro Busse und Bahnen in ganz Deutschland nutzen? Klingt verlockend. Dumm nur, wenn gleich zum Start Bahnhof oder Bushaltestelle schwer zu erreichen sind - wie beispielsweise in der Prignitz. Von Yasser Speck

Ab Mai gilt das Deutschlandticket - es soll einen Anreiz liefern, dass die Menschen vom Auto auf die umweltfreundlichere Schiene oder den Bus umsteigen. Für 49 Euro können Ticket-Inhaber dann mit dem öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland fahren. Doch was, wenn schon die erste Bahn oder die nächste Bushaltestelle in weiter Ferne liegen?

Dieses Problem haben nicht wenige Bürger - gerade in ländlichen Regionen Deutschlands. Ein Beispiel dafür ist der Nordwesten Brandenburgs: Jede vierte Bewohner des Landkreises Prignitz ist nicht ausreichend gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden, wie aus einer Statistik des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung aus dem Jahr 2020 hervorgeht. Die Statistik mag drei Jahre alt sein, veraltet ist sie aber nicht.

Region Berlin-Brandenburg

Für diese drei RE-Linien gilt das 49-Euro-Ticket bisher nicht

Mit dem Deutschlandticket dürfen Reisende ab 1. Mai bundesweit mit jeder Nahverkehrsbahn fahren. So lautet die Theorie. In der Praxis gilt das 49 Euro teure Ticket nach aktuellem Stand für einige RE-Linien nicht.

Keine neuen Buslinien seit 2016

So hat sich im Beispiel Prignitz am Bus-Angebot seit der Erhebung des Instituts nichts verändert. "Es sind seit 2016 keine neuen Linienführungen dazu gekommen", bestätigt Karin Jansen von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Prignitzbus. Auch, weil die ARGE Prignitzbus nicht einfach neue Linien anbieten kann: Der Unternehmensverbund hatte im Jahr 2016 die Ausschreibung des Landkreises Prignitz gewonnen den Zuschlag für die sogenannten Linienkonzessionen erhalten, also die Linienführung - und für zehn Jahre. Das sei viel zu lang, sagt Verkehrsforscher Andreas Knie gegenüber rbb|24. "Das ÖPNV-System ist morsch und kann die Herausforderungen der Zukunft nicht mehr bewältigen", konstatiert Knie. "Dass Linienkonzessionen für zehn Jahre gelten und nicht verändert werden können, das funktioniert in dieser schnelllebigen Zeit nicht mehr."

Neue Buslinien in der Prignitz könnte es - Stand jetzt - frühestens im Jahr 2026 geben. Dann schreibt der Landkreis neu aus und das Landesamt für Bauen und Verkehr Hoppegarten vergibt die Linienkonzessionen neu.

Prignitz am schlechtesten an den ÖPNV angebunden

Die Statistik des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung [bbsr.bund.de] hatte jedoch auch gezeigt, dass die Anbindung an den Nahverkehr nicht überall gut ist. Das BBSR hatte bewertet, wie viel Prozent der Bevölkerung ausreichend gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden ist. "Gut angebunden" meint in diesem Zusammenhang, dass Bürger eine Bushaltestelle in maximal 600 Meter Entfernung erreichen können oder maximal 1.200 Meter von einem Bahnhof entfernt wohnen, an dem über 20 Züge am Tag abfahren.

Im Brandenburger Landkreis Prignitz trifft das auf rund 73 Prozent der Bevölkerung zu. Immerhin drei Viertel der Menschen im Landkreis - für circa jede vierte Person im Landkreis jedoch gilt das nicht. Um Bus und Bahn zu erreichen, müssen sie deutlich mehr Strecke machen. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind 27 Prozent der Menschen im Kreis Prignitz nicht ausreichend gut angebunden. Damit belegt der Landkreis den letzten Platz im Brandenburger Vergleich.

Forderung nach einem attraktiveren Ticket

Den vorletzten Platz im Brandenburger Vergleich belegt der benachbarte Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Dort wohnen rund 26 Prozent der Menschen weiter als 600 Meter von einer Bushaltestelle oder 1.200 Meter von einem Bahnhof mit mindestens 20 Abfahrten am Tag entfernt.

Auch im Bundesvergleich wurde die ÖPNV-Anbindung in der Prignitz und in Ostprignitz-Ruppin vom BBSR als vergleichsweise schlecht eingestuft. Im Ranking von 402 Kreisen belegt die Prignitz nur Platz 57, Ostprignitz-Ruppin Platz 60. Doch es sieht teils noch schlechter aus: So haben im bayerischen Kreis Dingolfing-Landau - am Ende der Rangliste - mehr als 70 Prozent der Bürger keinen Bahnhof und Bushaltestelle in entsprechender Nähe.

Verkehrsforscher Andreas Knie kritisiert, dass ÖPNV und 49-Euro-Ticket nicht vom Kunden her gedacht seien. "Wenn man Menschen davon überzeugen möchte, das Auto stehen zu lassen, dann muss das Angebot eines solchen Tickets umfassender und attraktiver sein", sagt er und schlägt stattdessen ein 29-Euro-Ticket vor, das auch für den Fernverkehr gilt. darüber hinaus sollten mit diesem Ticket auch Taxis genutzt werden könnten, fordert Knie, damit die Menschen von ihrem Wohnort bis zum Bahnhof und zurück kämen. "Ein solches Ticket muss auch die erste und letzte Meile beinhalten", so der Verkehrsforscher.

Stand jetzt sei das 49-Euro-Ticket vor allem ein Ticket für die großen Metropolen, fasst der Verkehrsforscher zusammen: Für diejenigen, die keinen Zugang zum ÖPNV hätten, sei das Ticket keine Alternative zum Auto.

Sendung: Brandenburg aktuell, 21.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Yasser Speck

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