rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: Claudia Vogel

Interview | Inklusive Spielplätze

"Es muss Möglichkeiten geben, gemeinsam zu spielen"

Kunststoff- statt Sandboden - so einfach kann es sein, einem gehbehinderten Kind das Mitspielen zu ermöglichen. Claudia Vogel hat einen inklusiven Spielplatz in Berlin geplant - und weiß, warum hierzulande so oft auf Sand zurückgegriffen wird.

rbb|24: Frau Vogel, Sie haben einen inklusiven Spielplatz in der Pankow in der Dusekestraße geplant. Was unterscheidet ihn von anderen Spielplätzen?

Claudia Vogel: Grundsätzlich gilt, dass alle neuen Spielplätze inzwischen mindestens einen barrierefreien Zugang haben müssen. Bei diesem Standort war schon mal von Vorteil, dass beide Eingänge ebenerdig erreichbar sind. Jenseits dessen hat der Spielplatz eine besondere Geschichte. Er war wegen Baufälligkeit geschlossen, ein Verein im Kiez hat sich sehr stark für seine Wiedereröffnung eingesetzt – und Fördermittel von der "Aktion Mensch" eingeworben, der Bezirk hat mitfinanziert. Bedingung der Förderung war, den Spielplatz inklusiv zu gestalten.

Zur Person

Wie sieht das konkret aus?

Im Kleinkind-Spielbereich gibt es zum Beispiel eine Kombination aus Rutsche und Kletterturm, an der seitlich Spielelemente angedockt sind. Darunter sind sogenannte Klanghölzer. An die kommt dank Kunststoffbodenbelag das Kind im Rollstuhl heran, aber auch Kinder mit Sehbehinderung können über das Schlagen und Hören der Hölzer teilhaben. Wegen der Klanghölzer gab es übrigens Beschwerden aus der Nachbarschaft, aber wir konnten mit guten Argumenten überzeugen, dass sie bleiben.

Auch unter dem Hauptspielgerät, einer großen Netz-Kletter-Konstruktion, liegt ein Kunststoffbelag. Kinder können also ranfahren an die Netze, können sich vielleicht ein Stück hochziehen, können mit hangeln. Außerdem habe ich bei der Gestaltung auch auf unterschiedliche Wegebeläge geachtet, es gibt Betonsteinpflaster, Asphalt, Kunststoff. Das kann für Sehgeschädigte Orientierung bieten.

Auf deutschen Spielplätzen findet sich viel Sand, warum ist das eigentlich so?

Unter Klettergerüsten einer bestimmten Höhe braucht es einen sogenannten Fallschutzbelag – um zu verhindert, dass ein Kind sich verletzt, wenn es runterfällt. In Deutschland ist das traditionell Fallschutzsand. Bei der Erstanschaffung ist der tatsächlich auch günstiger als Kunststoff: Sand kostet etwa 80 Euro pro Quadratmeter, Kunststoff fast zweieinhalb mal so viel. Allerdings muss der Sand wegen Verunreinigung und weil er sich sozusagen wegspielt häufiger ausgetauscht werden. Das heißt auf lange Sicht dürften sich die Kosten ausgleichen - vorausgesetzt, am Kunststoffbelag sind keine Ausbesserungen notwendig.

Das Klettergerüst steht auf Gummi- statt Sandboden. | Quelle: Claudia Vogel

Wo wir gerade von Geld reden: Sind inklusive Spielplätze eigentlich grundsätzlich teurer?

Also von den Spielgeräten her nicht, die Hauptunterschiede liegen beim Belag.

Sand ist ja für alle Gehbehinderten, nicht nur für Rollstuhlfahrende, ein Hindernis. Warum wird darauf eigentlich nicht komplett verzichtet?

Ich finde tatsächlich gerade für kleine Kinder Sand sehr wichtig. Es ist ein haptisches Erlebnis, sie können damit Burgen bauen, Kuchen backen, Wege ziehen. Ich würde nicht auf Sand verzichten wollen, aber vielleicht reicht auch mal ein Sandkasten.

Kinder mit und ohne Behinderung

Spielplätze in Berlin und Brandenburg sind fast nie inklusiv

Kinder haben laut UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Spielen. Auf Spielplätzen in Berlin und Brandenburg erfüllt sich dieser Anspruch längst nicht für alle. Denn inklusiv sind die Plätze nur selten. Von David Donschen

Haben Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung andere Wünsche an Spielplätze als Kinder ohne Behinderung?

Spielen definiert sich ja über ganz unterschiedliche Dinge, das kann Drehen, Laufen, Schwingen, Klettern, Balancieren, aber auch Sitzen sein. Inklusion heißt für mich nicht, dass alles für alle nutzbar sein muss. Aber es muss Möglichkeiten geben, gemeinsam zu spielen. Für Kinder mit Einschränkung steht an erster Stelle, dass sie Kontakt zu anderen Kindern haben. Es gibt in Pankow zum Beispiel auch eine Nestschaukel, in der ein Kind in der Mitte liegen kann – die anderen stehen auf dem Rand und bringen die Schaukel zum Schwingen. In der Mitte kann dann eben auch ein Kind liegen, das Unterstützung braucht. Allerdings muss man hier einschränkend sagen, dass speziell die Nestschaukel auf Sand steht – und nicht barrierefrei zugänglich ist.

Grundsätzlich gilt aber auch: Kinder brauchen Herausforderung – und in Pankow gibt es zum Beispiel ein Klettergerüst aus Würfeln, das ist nur für Kinder geeignet, die sich körperlich ausprobieren wollen und es auch können.

Herausforderung Kletterwürfel. | Quelle: Claudia Vogel

Gibt es in anderen Ländern gute Vorbilder für inklusive Spielplätze?

Eine Sache ist mir speziell in Belgien aufgefallen: Hier gibt es ganz oft WCs auf den Spielplätzen. Das ist gut für die Kinder, aber auch für ältere Menschen, die die Kinder begleiten. Aus meiner Sicht mangelt es hier im öffentlichen Raum sehr oft an WCs. Wir sind da in Pankow unter anderem auch am Budget gescheitert.

Wie schwer tun sich Ihrer Erfahrung nach die Kommunen mit der Planung inklusiver Spielplätze?

Das hängt stark davon ab, wie engagiert die Bezirksämter sind. Ich kenne nur das Beispiel in Pankow, es war der erste inklusive Spielplatz – und wenn eine bestimmte Routine da ist, wird es bei den Folgespielplätzen bestimmt einfacher. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Bezirke selbst mit dem Planer entscheiden können, welche Geräte aufgestellt werden. Und auch für uns Landschaftsarchitekten sollte es öfter Schulungen von der Architektenkammer oder auch eine Art Handbuch geben. Es gibt durchaus Informationen, aber ich musste mir alles erst einmal zusammensuchen.

Der Spielplatz wurde 2020 eröffnet. Wie sind die Rückmeldungen, von wem wird er genutzt?

Ich bin oft da, um die Pflege zu überprüfen – und er wird sehr gut angenommen, auch von einer Kita, die nicht weit ist. Es ist gar nicht unbedingt so, dass ich dort besonders viele Kinder mit Einschränkungen wahrnehme, wenn ich mal da bin. Das kann viele Gründe haben, zum Beispiel auch, dass er zu weit weg ist. Dass er aber auch von Kindern ohne Einschränkungen sehr gut angenommen wird, werte ich prinzipiell als ein gutes Zeichen für einen inklusiven Spielplatz, der für alle da sein soll.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Claudia Vogel führte Ute Zauft.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21.06.2022, 19.30 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen