Alte Munition in Jüterbog - Belastende Altlasten

Di 06.06.23 | 18:59 Uhr
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Einsatzkräfte der Feuerwehr bekämpfen am 05.06.2023 in einem Waldstück nahe Jüterbog das Feuer.(Quelle:dpa/F.Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.06.2023 | Torsten Sydow | Bild: dpa/F.Sommer

Jedes Jahr brennt der Wald auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Jüterbog. Und jedes Mal gestalten sich die Löscharbeiten schwierig, weil Mengen von alter Munition im Boden liegen. Warum können die Altlasten nicht einfach komplett geräumt werden?

  • In Brandenburg gelten 290.000 Hektar Waldfläche als munitionsbelastet
  • 2021 wurden fast 330 Tonnen Kampfmittel auf mehr als 500 Hektar Fläche gefunden und vernichtet
  • Die komplette Räumung des ehemaligen Truppenplatzes in Jüterbog wäre teuer und es fehlen Spezialisten

Circa 326 Hektar Waldfläche sind derzeit vom Waldbrand auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Jüterbog (Landkreis Teltow-Fläming) betroffen. Eine Fläche, die etwas größer ist als das Tempelhofer Feld in Berlin. Die Waldbrand-Nachricht aus Jüterborg scheint sich Jahr für Jahr zu wiederholen. Ebenso wie die Information: Die Löscharbeiten sind schwierig. Denn ehemaliger Truppenübungsplatz bedeutet: Im Boden liegt jede Menge alte Munition.

Brandenburg ist das am stärksten mit Altmunition belastete Bundesland. 290.000 Hektar Waldfläche – und damit jeder dritte Hektar – gelten als munitionabelastet. Laut Bund [bundestag.de] wurden in Brandenburg allein 2021 fast 330 Tonnen Kampfmittel auf mehr als 500 Hektar Fläche gefunden und vernichtet. Die Munitionsreste stammen aus der DDR, der NS-Zeit oder – noch weiter zurückliegend – der Kaiserzeit.

Schon kaiserliche Truppen übten in Jüterbog

So auch in Jüterbog. Auf dem Truppenübungsplatz wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts militärisch geübt. Kaiserliche Truppen waren hier unterwegs, zu Zeiten des Nationalsozialismus gab es dort ebenfalls militärische Übungen, später kamen die sowjetischen Streitkräfte.

Im Boden liegen: Streumunition, Bomben und Granaten. Normale Feuerwehrfahrzeuge, die den Weg verlassen und direkt an den Brandherden löschen – undenkbar. Im Brandgebiet sind Explosionen zu hören, der Waldbrand enzündet die alte Munition. Die Einsatzfahrzeuge müssen deswegen auf den Wegen bleiben, die bereits munitionsfrei sind. Oder es kommen Löschpanzer zum Einsatz, deren Unterboden besonders gegen Explosionen geschützt ist. Alternativ löschen Hubschrauber und Flugzeuge aus der Luft.

1,8 Millionen Euro Räumungskosten in 20 Jahren

Wäre es nicht einfacher, das gesamte Gebiet von Altlasten zu befreien, anstatt jedes Jahr vor den gleichen Problemen zu stehen? Der ehemalige Truppenübungsplatz in Jüterbog umfasst 9.280 Hektar und erstreckt sich über 11,5 Kilometer. Für die Beseitigung der Munition ist der Eigentümer der Waldfläche zuständig. In Jüterbog gehört ein Großteil der Fläche der Wildstiftung Naturlandschaften Brandenburg.

Auf rbb-Nachfrage erklärte die Stiftung: In den vergangenen zwei Jahren seien etwa 16 Kilometer Einsatzwege, die dieses Gebiet eingrenzen, von Kampfmitteln geräumt worden und auf etwa 10 Kilometern wurden Waldbrandschutzschneisen von Munition befreit. Die Stiftung habe für die Beräumung alter Munition – laut eigener Angaben – in den vergangenen 20 Jahren 1,8 Millionen Euro ausgegeben. 300.000 Euro davon habe sie vom Land als Fördermittel zurückbekommen.

Würde man nun die komplette noch verbleibende Munition aus dem Boden entfernen, würde dies mindestens 250 Millionen Euro kosten, erklärt die Stiftung Naturlandschaften auf Nachfrage von rbb|24.

"Bergbaufolgelandschaft" statt Wildnis

Doch es sind nicht nur die Finanzen, die der Stiftung zu denken geben: eine flächendeckende Kampfmittelsuche - und räumung würde auch bedeuten, dass die gesamte Vegetation entfernt werden müsse. So würde eine "Bergbaufolgelandschaft" entstehen. Die Wildnis würde verloren gehen, so die Stiftung auf Nachfrage.

Wer zahlt was?

Kampfmittel bergen können nur Spezial-Firmen. Bevor sie anrücken, muss erst einmal geprüft werden, was genau und wo im Boden liegt. Dafür müssen alte Karten gesichtet werden, Augenzeugen können helfen und Hinweise auf frühere Militärübungen sind hilfreich. Ist einigermaßen klar, wo was liegt, können Kampfmittelbeseitigungsexperten kommen. Doch von diesen Spezial-Firmen gibt es nach rbb-Information nicht viele, sie sind folglich gut ausgelastet. Erschwerend kommt hinzu: Auch in dieser Branche gibt es ein Fachkräfteproblem.

Wer für die Bergung der Altlasten bezahlt, scheint auf den ersten Blick eigentlich klar geregelt: Für reichseigene – also deutsche – Munition, kommt der Bund auf. Bei alliierten Rückständen zahlt die Bergung die Kommune oder das Land. Doch trotz vermeintlich klarer Regelung: Manchmal ist es nicht von vornherein ersichtlich, welche Art von Munition im Boden liegt und wer nun was für die Räumung zahlen muss.

Es gab zudem auch eine Bundesrichtlinie mit einem Volumen von 60 Millionen Euro, von der das Bergen alter Munitionsrückstände bezahlt wurde. Doch der Topf soll wohl so gut wie ausgeschöpft sein, so eine rbb-Recherche. Kurzum: Das Geld ist überall knapp.

Politik fordert mehr Geld vom Bund

Bezüglich des Geldproblems machen nun auch Politiker Druck: Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) forderte den Bund angesichts der besonderen Belastung des Bundeslandes zu mehr Unterstützung bei der Räumung munitionsbelasteter Gebiete auf. Er würde sich freuen, wenn der Bund hier mehr tue, bislang kämen aber keine Rückmeldungen, sagte Stübgen am Dienstag im Waldbrandgebiet bei Jüterbog. Kein anderes Bundesland gilt als so stark mit Munition belastet wie Brandenburg. Auch die Landtagsfraktionen von SPD und CDU dringen auf mehr Mittel.

Stübgen spricht sich für Löschhubschrauber aus

Stübgen sprach sich am Dienstag zudem gegen die Anschaffung von Löschflugzeugen aus.

Die Forderung des brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke) nach einer bundeseigenen Löschflugzeugstaffel, die im Brandfall von den Ländern angefordert werden kann, hält Stübgen für unnötig.

rbb|24 Brandenburg aktuell sagte Stübgen, man wolle auch künftig auf Hubschrauber setzen. Diese hätten sich in den vergangenen 30 Jahren bewährt, weil sie am besten punktuell Wasser abwerfen könnten. Außerdem seien sie sehr schnell in der Lage nachzutanken.

Offen sei man zudem für eine Löschstaffel mit Drohnen, sagte Stübgen weiter. Diese sei momentan aber noch in der Entwicklung.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 06.06.2023, 19:30 Uhr.

11 Kommentare

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  1. 11.

    326 Hektar Waldfläche , dazu munitionsbelastet, kann man nicht einfach kontrolliert abbrennen lassen , Kontrolle ist da nicht möglich

  2. 10.

    Kann man dieses Gebiet nicht einfach kontrolliert abbrennen lassen? Um dann die restliche Munition zu bergen?

  3. 9.

    Und woher weiß man, wo alliierten Munitionsrückstände liegen und wo "deutsche" Munition? Deutschland gibt für viele Länder Milliarden Euro aus, aber für die Munitionsbergung spielt man Korinthenkacker

  4. 8.

    Bei der Armee geht es vor allem um Minenräumung oder Entdeckung von Sprengfallen - nicht aber um das Entfernen von teils uralter Munition, Sprengmitteln oder Bomben. Insofern ist das nicht so einfach wie es sich anhört.

  5. 7.

    Diese Düne interessiert halt keinen - keine Menschen in Gefahr, oder Sachschäden ($!), dann egal. Tiere egal, Vegetation egal. Luft egal (zieht ja weiter...). Löschpanzer nur, wenn man für Schäden aufkommen müsste. Der Waldeigentümer hat offenbar bisher nix gefordert - also macht man nix.

    Kann eine Stiftung auch klagen??? Den Kaufpreis zurückfordern oder das Gebiet zurückgeben wegen arglistiger Täuschung?

  6. 6.

    Worum geht es hier eigentlich: darum einen Brand zu löschen oder Geldquellen zu erschließen?
    Wie in den Jahren zuvor könnten (vorhandene) Löschpanzer eingesetzt werden, auch in Gebieten, die durch Munition belastet sind - es wird aber wieder nicht getan und mit Kosten begründet (die Vernichtung der Bäume kostet wohl nichts). Oder geht es nicht eher darum hier alles abzufackeln und dann zu sagen: es ist doch jetzt optimal, dass nun die Räumung der Munition erfolgt und der Westen wieder mal alles zahlt?

  7. 5.

    "Kampfmittel bergen können nur Spezial-Firmen." Oder halt die Armee. Kann man das nicht dort als jährliche Übung einbauen?

  8. 4.

    " weil jede Menge alte Munition im Boden "

    und genau so ist es in der Ostesee, nur die brennt nicht

  9. 3.

    Die Beseitigung solcher Altlasten ist gar nicht so einfach, selbst wenn ein sehr großer Aufwand betrieben wird. Immerhin werden nach wie vor innerhalb geschlossener Ortschaften regelmäßig Bomben aus dem zweiten Weltkrieg gefunden. Die Blindgängerdichte auf jahrzehntelang genutzten Truppenübungsflächen dürfte eher höher sein.

  10. 2.

    Geld birgt keine Altlasten, sondern Fachleute. Die bildet aber keiner aus. Mein Kumpel sucht noch eine Stelle.

  11. 1.

    Was ist sinnvoll? Einmal richtig Geld in die Hand nehmen und die Altlasten richtig entfernen oder jedes Mal wieder die Leute der Feuerwehr, THW und anderen Helfern, Helden....der Gefahr aussetzen? Zu schweigen von den Anwohnern im Umfeld! Für soviel Unsinn wird das Geld ausgegeben! Eine Schande.

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