Müllauto meidet Sackgassen - Anwohner in Oberhavel müssen bei Müllentsorgung selbst anpacken

Fr 10.11.23 | 12:53 Uhr | Von Karsten Zummack
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Abfallentsorgung in Oberhavel (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 10.11.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: rbb

Ob Papier, Plastik, Haus- oder Biomüll - die Abfallentsorgung kann ganz schön ins Geld gehen. Richtig ärgerlich wird es aber dann, wenn dafür die Tonnen plötzlich nicht mehr vor der eigenen Haustür abgeholt werden. Von Karsten Zummack

 

"Es ist wieder Wandertag", seufzt Manfred Häfke, während er seine schwere, vollgefüllte Hausmülltonne über Laub und Steine hinweg aus seinem Garten zieht. Wie die Nachbarn auch muss der 69-jährige Zühlsdorfer seit ein paar Wochen selbst anpacken für die Abfallentsorgung. Der Rentner schiebt die graue Tonne fast 200 Meter weit zur nächsten Straßenkreuzung. Erst dort wird sie von der Abfallwirtschafts-Union Oberhavel (AWU) abgeholt.

In diese Sackgasse rollt das Müllauto nicht mehr, wie das Unternehmen den Anwohnern der Gartenstraße im September in einem Brief ankündigte. Seitdem brodelt es unter den Betroffenen.

Jährlich zehn Todesfälle bundesweit

"Das ist Verarschung. Was jahrelang geklappt hat, soll auf einmal nicht mehr klappen?", fragt und schimpft Manfred Häfke. Nicht nur er ist in Bewegung, sondern fast die ganze Gartenstraße. Bis zu zehn Mal im Monat werden die verschiedenen Tonnen hin und zurück gebracht. Die Anwohner sind selbst gefragt, wenn sie ihre Abfälle loswerden wollen.

Das Entsorgungsunternehmen AWU, das im gesamten Kreis Oberhavel für die Müllabfuhr zuständig ist, weiß um die Kritik der betroffenen Sackgassen-Anwohner. Geschäftsführer Stefan Günther beruft sich bei seiner Entscheidung allerdings auf jahrzehntealte Vorschriften der Berufsgenossenschaft. Nach langer Verzögerung werden die jetzt umgesetzt. "Es ist gefährlich und sehr schwer, bei einem 10 Meter langen 20-Tonnen-Fahrzeug alles zu überblicken", erklärt Günther. Bundesweit gebe es jedes Jahr etwa zehn Todesfälle bei der offiziellen Müllentsorgung.

Kleinere Müllfahrzeuge als Lösung?

Die AWU-Flotte umfasst insgesamt 60 Müllfahrzeuge. Jedes dritte davon ist ein sogenannter Seitenlader. Dort sitzt der Fahrer auf der rechten Seite. Mithilfe von Steuerhebel, Rückspiegeln und Bildschirmen steuert er einen üppigen Greifarm auf der rechten Seite, leert so die Mülltonnen. Aussteigen muss er dafür in der Regel nicht. Einweiser oder andere Unterstützer haben die Fahrer meist nicht an Bord. Rangieren oder sogar Wenden ist arg schwierig mit den riesigen Müllautos.

Deshalb hat die Abfallwirtschafts-Union Oberhavel für mehr als 200 Sackgassen angeordnet, dass die Fahrzeuge dort nicht mehr rückwärts hinein rollen. Auch für besonders enge Straßen gibt es Einschränkungen. Doch für die wütenden Anwohner gibt es einen kleinen Lichtblick. Die AWU spricht derzeit mit Bürgermeistern aus der Region über mögliche Lösungen. Langfristig würden beispielsweise die Anschaffung kleinerer Fahrzeuge sowie neue Wendeschleifen in Betracht kommen, so Geschäftführer Günther.

"Müll-Wandertage" bei Wind und Wetter

Doch das ist Zukunftsmusik. In einigen Sackgassen holen die Fahrer die Tonnen noch zu Fuß ab und bringen sie zum Entleeren ans Müllauto, zum Beispiel in Stolpe. Auch in Zühlsdorf wäre das möglich. Für diesen Service allerdings verlangt die AWU eine Gebühr von gut 19 Euro pro Tonne. Ansonsten müssen eben die Anwohner eben selbst ran. "Machen Sie das mal bei Schnee, Glätte und Regen. Dann wissen Sie, was Sie getan haben", sagt Rentner Manfred Häfke. Doch da muss er jetzt erst mal durch. Und der nächste "Müll-Wandertag" kommt bestimmt: Schon morgen, wenn er die geleerte Tonne an der Straßenkreuzung wieder abholt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 9.11.23, 17:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

49 Kommentare

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  1. 48.

    Komisch, wir in Falkensee wollten unsere Tonnen zur nächsten Ecke (100m) bringen: wir wurden von der Stadt gezwungen 90% der Baukosten für einen Wendehammer zu bezahlen.
    Uns wurde gesagt, es handelt sich um eine gesetzliche Vorschrift.
    Blöd und ärgerlich: die HAW fährt trotzdem rückwärts OHNE EINWEISER!
    Wir haben das schon oft gemeldet, auch der zuständigen BG: interessiert niemanden.
    Der durch Anwohner zu 90% bezahlte Wendehammer wird durch Fremde gerne zu geparkt: haben also 12.000 € für einen Parkplatz bezahlt. Trotz mehrerer Hinweise an die Stadt kommt das Ordnungsamt nicht.
    Hoffentlich muss nie die Feuerwehr oder der Rettungsdienst kommen: auch dafür war lt. Bürgermeister Falkensee der Wendehammer vorgeschrieben.
    Alle Anwohner hätten alle Tonnen alle 14 Tage zur Ecke gebracht um viel Geld zu sparen.

  2. 47.

    Nochmal das Video anschauen, fast am Ende wird klar eingeblendet 19 € pro Abholung, nichts pro Jahr

  3. 46.

    Im Video ist doch klar die Aussage 19 € pro Abholung, wer hier mit 70cent argumentiert hat irgendwo etwas verpasst

  4. 45.

    Ja, mit den Preisen hält die AWU sich auf ihrer Seite sehr bedeckt, dafür sind aber die "FAQ zum Rückwärtsfahren" recht frisch auf der Homepage. Ein klare Kostenansage wie die BSR in Berlin https://www.bsr.de/gebuehrenmodell-20989.php wäre bei der AWU schon schön. Dafür weiß man wenigstens warum nicht rückwärts gefahren werden darf - hat ja auch was. Allerdings ist die BSR bei 200 Meter echt entgegenkommend, "Transportgebühr 3 über 50 bis 100 m Entfernung" ... man trifft sich auf halben Wege ;-).

  5. 44.

    Die Probleme sind nicht nur bei der Firma und Anwohnern zu suchen"

    Das Problem liegt m.E. eher darin, das man heute bereit ist, aus jeder Kleinigkeit einen riesigen Popanz aufzubauen.
    Hier bei uns in der Wohnanlage sind es bis zu den Mülltonnen auch mal locker 150-200 mtr. Bisher ist noch niemand auf die Idee gekommen ein RTL-Walraff-Team einzuladen um über diesen Skandal zu berichten.
    Und auch die, die den Müll mal für evtl. gehbehinderte Nachbarn mit runternehmen, beanspruchen deswegen nicht das Bundesverdienstkreuz.

  6. 43.

    Die Probleme sind nicht nur bei der Firma und Anwohnern zu suchen, sondern auch bei den Gemeinden bereits bei der Planung der Zuwegungen u. bei der Ausschreibung der Entsorgungsleistungen. Jeder versucht so wenig wie möglich zu investieren, bzw. die Kosten gering zu halten u. dabei alle geltenden Vorschriften einzuhalten. Geiz ist nicht geil! Die 19€ Abholgebühr halte ich übrigens für realistisch, da die Vollkostensätze pro Mitarbeiter u. Fahrzeug unbekannt sind u. auch Wartezeiten entstehen.

  7. 42.

    In Spanien bringt man selbst in den Städten seinen Müll immer zu zentralen Sammelstellen....und bezahlt dafür und zwar nicht wenig! Schlimmer geht immer!

  8. 41.

    Direkt Sonderkündigungsrecht nutzen. Wenn das Unternehmen seine Dienstleistung an einem Ort nicht mehr anbieten kann, fällt die Vertragsgrundlage weg.

    Würde ich so machen und meinen Müll selbst hinbringen. Dann muss ich wenigstens nicht meine Mülltonne 200m die Straße hochschieben.

  9. 40.

    Die Höchstmaße für Solo-LKW betragen in Deutschland; Länge 12 m, Breite 2,55 m und Höhe 4,00 m. Für alles andere braucht man Sondergenemigungen. Also mit immer breiter kann so nicht Stimmen. Und Sondergenemigungen gibt es nur wenn sich das zu Transportierende Gut, in Gewicht und Ausmaß, nicht teilen lässt. Das ist bei Müll ja nu nich der Fall.

  10. 39.

    Leider steht auf der Homepage noch nichts zu diesem Service, aber eine Abfuhr kostet dort 4,40 € mit Grundpreis von 17,10 € im Jahr. Bei 4,40 nochmal 19 drauf, klingt nicht so realistisch. Schade das da nicht richtig nachgefragt wurde.

  11. 38.

    Dann sollten Sie diese Fahrschule nie wieder besuchen und zu einer kompetenten Fahrschule wechseln.
    Ein Blick ins (materielle)Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:
    § 9 Abs. 5 StVO

  12. 37.

    Die Müllentsorgung ist doch sicher eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Dafür zahlen wir alle Steuern und noch zusätzliche Gebühren. Deshalb gehört die Müllentsorgung nicht in die Hand von privaten Anbietern. Die Parteien stehen für demokratische Vielfalt. Es ist also nicht zu verstehen, wenn Sie meinen, dass eine Partei unvernünftig ist, wenn sie dem Bürger selbstverständlicher Weise verspricht, den Müll direkt vor der Haustür abzuholen. Die Unvernunft wäre in unserem Land das Gegenteil.

  13. 36.

    Tachchen, Oma Erna...Ick globe, da ham wa watt missverstanden.
    "Wär ja noch schöner, das Zeug in der Tonne lassen bis es von selbst nach vorn läuft - oder die Berliner Ratschläge annehmen ... auf die Straße kippen ... wat lömern würd' ick dem Rüpel. Un Mäken, ick bin zwar alt, aber nicht dämlich."
    Ich bin immer noch ganz bei Ihnen und finde Nachbarschaftshilfe und Tipps toll. Ja, ob in Berlin, an der Küste oder sonst wo...das Müllproblem ist enorm. Super finde ich es den den Bioabfall, also alles was pflanzlich ist, weiter zu verwerten. Macht super Kompost. Habe ich von meinen Eltern und meiner Oma im kleinen Strebergarten gelernt. Bin auch nicht dämlich.
    Schönes Wochenende. Viele Grüße Ines

  14. 35.

    AUCH bei uns in der Gropiusstadt--- bei Eigentumshäusern.,
    die nicht direkt an der Strasse stehen-- NA UND ?

  15. 34.

    Also wir haben einen Sammelplatz und die Mülltonne von älteren Nachbarn werden von anderen mit geschoben und keiner nörgelt.
    "Urteilen Sie nicht über Dinge, von denen Sie keine Ahnung haben/können." Schöner Spruch.

  16. 33.

    "Lesen hilft" Verstehen hilft nocht mehr. Die 19 Euro werden wohl kaum für eine Abfuhr sein, sondern fürs Jahr oder Quartal. Damit sind die Kosten relativ normal.

  17. 32.

    Völliger Nonsens. In der Fahrschule lernt man nicht, das man einen Einweiser benötigt, sondern lediglich einen Sicherungsposten, der den voraus- oder nachfolgenden Verkehr vor der Gefahr eines rangierenden Fahrzeuges warnt.

  18. 31.

    Wenn sich die Müllabfuhr den Weg in die Sackgasse wegen ihrer zu großen Autos nicht traut, müssen die Tonnen eben mit kleineren Autos oder per Hand abgeholt werden. Das darf selbstverständlich nicht mehr Geld für den Bürger kosten, weil das ja dann ein logistisches Problem der Müllabfuhr ist, welches auch nicht zu verstehen ist, warum es nun plötzlich nicht mehr gehen soll. Gab es denn davor schon mal einen Unfall in der Sackgasse? Wer hatte dann Schuld? Vorsicht ist natürlich die Mutter der Porzellankiste. Dann muss die Müllabfuhr eben schieben. Oder kleinere Autos einsetzen. Ich denke, dass ist alles schon vom Bürger bezahlt. Die 19 Euro sehe ich als Wucher. Schon allein wegen der "neun" im Preis. :)

  19. 30.

    Das mit dem nicht mehr befahren, der Sackgasse kommt ja von der BG (Berufsgenossenschaft) und nicht von der AWU Oberhavel. Der Dumme ist jetzt der Kraftfahrer und wenn denn doch mal eine Person zu schaden kommt beim Rückwärts fahren oder ein anderer Schaden wo auch immer entsteht, haftet der Fahrer. Ab dem ersten Tag in der LKW Fahrschule lernt man, das es nicht erlaubt ist ohne einweiser Rückwärts zu fahren. Aber man macht es trotzdem, bis was passiert und dann heißt es wieder....der böse böse Lkw Fahrer.
    LG euer Müllfahrer

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