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Quelle: imago imges/Hernandez and Sorokina

Der Absacker

Die Zahlen haben mir den Kopf gewaschen

Ab morgen gibt es wieder mehr Lockerungen in Berlin und Brandenburg. Das ist auch möglich, weil gewisse Zahlen sich besser entwickeln als gedacht. Doch es bleibt vertrackt mit den Statistiken. Von Haluka Maier-Borst

Seit dem Beginn der Corona-Krise habe ich ein ungewolltes Ritual. Jeden Abend trage ich von Hand die Fallzahlen für Berlin und Brandenburg ein, schlicht weil deutsche Ämter chaotisch sind. So musste ich mich zum Beispiel gestern darüber ärgern, dass bei den Angaben des Brandenburger Gesundheitsministeriums die Zahlen zu den Patienten in den Krankenhäusern fehlten. Dadurch, dass ich jeden Tag stoisch die Zahlen händisch eintragen muss, merke ich aber auch schnell, wenn ich irgendwo falsch lag. 

Als ich mich diese Woche mit Handydaten beschäftigte und diese zeigten, dass sich die Menschen seit Ostern wieder mehr bewegten, ging ich davon aus, dass bald auch die Neuinfektionen steigen würden. Schließlich hatten schon bei anderen Epidemien Mobilfunkdaten recht gut die Ausbreitung der jeweiligen Krankheit nachgezeichnet. Und so schrieb ich das auch so auf.

Natürlich erwähnte ich ebenfalls, dass mehr Mobilität nicht automatisch mehr Infektionen bedeuten müsse. Zum Beispiel, wenn sich alle an die Abstandsregeln halten. Aber irgendwie befürchtete ich doch, dass der Pessimist in mir Recht behalten würde. Eine halbe Woche nach meinem Text ist es nun so, dass die einfache Gleichung "Mehr Mobilität gleich mehr Infektionen" für den Moment zumindest falsch ist. Was zwar für mich ein wenig ärgerlich ist, aber vor allem eine verhalten positive Nachricht.

1. Was vom Tag bleibt

Die Folge ist, dass es in Berlin und auch Brandenburg ab morgen weitere Lockerungen geben wird. Ich werde zwar trotz amtlicher Corona-Matte nicht sofort zum Friseur gehen, weil ich nicht im Gedränge stehen möchte. Aber trotzdem freue ich mich, dass ein wenig mehr Normalität einkehren kann.

Und zugleich bleiben da die Sorgen, wenn zum Beispiel Sachsen-Anhalt weiter mit den Lockerungen geht, als die Bundesländer eigentlich verabredet haben. Weil zumindest eine Unsicherheit sicher bleibt. Bis man den Effekt von Maßnahmen und Lockerungen in den Daten sehen kann, vergehen einige Tage, wenn nicht gar Wochen.

2. Abschalten.

Weil ich jeden Abend mich mit den Daten zu Corona beschäftige, fällt es manchmal schwer abzuschalten. Gestern hat mich darum zurecht mein Laufpartner gescholten. Entsprechend hab ich mich ein wenig damit beschäftigt, wie ich mehr Alternativprogramm finden kann. Und gelandet bin ich bei: Ping Pong.

Die Ping Pong Map [pingpongmap.net] listet auf, wo in Ihrer Nähe es Tischtennisplatten gibt. Falls Ihnen also das viele Joggen und Spazieren inzwischen auf den Senkel geht, aber die eine Platte, die Sie kennen, stets besetzt ist, schauen Sie doch mal auf dieser Seite nach.

Ach ja und apropos Abschalten und den Kopf frei machen. Helfen kann dabei auch leicht dadaistische Musik wie zum Beispiel der schon etwas ältere, aber thematisch passende Song "Ping Pong" von der Band Golf [youtube.com].

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Tag gegen acht genehmigen er und seine Kollegen sich einen Absacker und gönnen sich eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

3. Und, wie geht's?

Heute sind Sie wieder dran und weil wir es gerade vom Kopf-Frei-Kriegen hatten, ist hier ein bisschen schönes Bildfutter von Frau Bussmann, die seit dem Anfang dieser Kolumne ganz unerwartet eine Mailfreundschaft mit mir pflegt. 

Dank Radioeins kann ich jetzt jeden Tag Entspannungstraining machen, danke dafür. Ja, ich sehne mich jetzt nach sozialen Kontakten, so Auge in Auge. Immer nur lesen und nicht darüber reden können, weil man es nicht erlebt – das ist doof. Aber hier ein Foto von meinen Kirschbäumen Ihnen zur Freude. Grüße aus der Provinz

Quelle: Marina Bussmann

Wie versuchen Sie abzuschalten? Welche Schnappschüsse haben Sie am Wochenende gesammelt? Schreiben Sie mir doch an: haluka.maier-borst@rbb-online.de und sagen Sie, was Sie beschäftigt.

4. Ein weites Feld...

Das war die erste Woche mit Kollegen in der Kolumne. Und ich bin heilfroh darüber. Weil ich mir nicht mehr jeden Tag alleine etwas überlegen muss. Vor allem aber, weil Sie sich sicher auch freuen, andere Perspektiven auf die Welt zu bekommen statt immer den gleichen Blick von meiner Weddinger Couch.

Diese Woche war da die Kollegin, die doch laut Freundinnen endlich über "was anderes als Corona" schreiben soll. Der gestresste Vater, der gerne seine geliebten Kinder doch mal loswerden würde. Oder der Kollege, der sich Gedanken machte zu 75 Jahren Kapitulation und unserem Umgang mit der Geschichte. Ab nächster Woche haben wir dann auch mehr weibliche Vertretung hier. So oder so hoffe ich aber, dass Ihnen der Wandel in dieser Kolumne genauso gefällt wie mir.

Bis morgen, bleiben Sie drinnen und Prost, sagt

Haluka Maier-Borst

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