Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 17. Tür: Ein Lied geht auf Reisen

Sa 17.12.22 | 09:52 Uhr | Von Stefan Ruwoldt
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Adventskalender: Udo Lindenberg fährt mit dem Sonderzug nach Pankow (Quelle: Marcus Behrendt)
Bild: Marcus Behrendt

Udo Lindenberg hätte beinahe für richtig viel Bewegung gesorgt. Mit einem Song. Doch dann machte er komische Bewegungen, ging Geschenke einkaufen und verbeugte sich tief.

24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.

Der Sonderzug nach Pankow ist eine reichlich peinliche Altmännergeschichte der 80er. Aber weil sie zur geschichtlichen Fortbewegung gehört, muss dieser Sonderzug ein Türchen kriegen. Um im Kumpel-Duktus von Sonderzug-Musikant Udo Lindenberg zu sprechen: Hier kommt das Notausgangstürchen aus dem Ost-Express mit dreizehnfachem Nasen-Äh, das alle Vokale ersetzt.

Das Türenteam

Marcus Behrendt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Illustrator und Comiczeichner "EMBE", mit bürgerlichem Namen Marcus Behrendt, steigt auch bei Schnee und Kälte auf sein Rad. Der gelernte Pädagoge nutzt jede Gelegenheit zum Zeichnen.

Stefan Ruwoldt (Quelle: Marcus Behrendt)
Marcus Behrendt

Redakteur Stefan Ruwoldt ist dem Weihnachtmann hinterhergehetzt, hat ihn aber nie erwischt. Das tat er mit dem Rad, dem Boot und seinem ganz privaten Motorschlitten. Nur beim Reiten, Golfen und Gleitschirmfliegen guckt er lieber zu.

Zwei alte Männer am Gabentisch

Nach einer Tüte oder zwei, nach ein paar Likörchen und mit dem Filzhut im Nacken hat Udo Lindenberg in den frühen 80ern ein Lied verfasst, über das jeder damals eine Art Meinung hatte: "Sonderzug nach Pankow". Meine Oma fragte: "Wer issn das?" Meine Mutter sagte: "Was soll das nun?" Mein Vater sagte mit hochgezogener Stirn: "Oh, mutigmutig. Und einen neuen Kumpel im Osten hat der schicke Rocker auch gleich."

Meine Freunde und ich pfiffen wochenlang subversiv die Melodie beim Gang in den Klassenraum. Wir fanden den Song ein bisschen rotzig, aber ein bisschen platt. Er taugte für komische Kopfbewungen. Das war ein Kandidat für mehr. Ich wohnte in Pankow.

Alles easy - nur ein Song!

Dann aber tauschten sich sich Lindenberg und Honecker aus, schickten sich Geschenke, Honecker lernte das Wort "easy" und Lindenberg fing an, die SED "ganz okay" zu finden. Wir pfiffen nicht mehr. Da hatten sich zwei gefunden. Sie schickten Abordnungen, die den nächsten Move verhandelten. Der Westbarde machte den Ost-Herrscher zum Streichel-Opa und am Ende durfte er dafür vor FDJlern seine Lieder singen.

Die Bewegung, die dieser Sonderzugsong eigentlich versprochen hatte, wurde zu einer Art offiziellem Stuhltanz, den selbst die Parteileute witzig fanden. Der "Sonderzug nach Pankow" wurde Liedgut. Jetzt kannte ihn auch meine Oma. Bewegung ist eine Illusion, schlussfolgerten wir erwachsen. Und die jugendliche Tiefenanalyse ergab: Tanzen kann man nach dem Ding sowieso nicht.

Beitrag von Stefan Ruwoldt

5 Kommentare

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  1. 5.

    Ich wollte nur an den Gassenhauer vön Bully Buhlan erinnern, der in den 40ern aus allen Radios klang. Er hatte es wiederum von Glenn Miller. Übrigens:Udo Lindenberg war damals im stolzen Alter von 1 Jahr.

  2. 4.

    Ja, es lohnt sich schon, auf die Eisenbahngeschichte einzugehen. Es war wohl Friedrich Wilhelm IV. währenddessen das Eisenbahnwesen aufblühte, wenn auch viel zu langsam, was Friedrich List, dem Eisenbahn-Protagonisten, dann buchstäblich das Leben raubte. Ein Ausspruch aber ist überliefert, was die Fasznation vor diesem damals neuen Verkehrsmittel ausdrückte:

    "Dieses Gefährt in seinem Lauf, hält kein Menschenarm mehr auf!"

    Ende der 1980er gab es kurz vor Toresschluss dann die Variation davon; gleichfalls vom hier erwähnten Erich Honecker,
    in Richtung der Versammlungen, die sich in den Kirchen zusammenfanden ...

  3. 3.

    Der Song ist von Glenn Miller(1947) und heißt "Chattanooga Choo Choo ",dann sang Bully Buhlan aus Berlin:"Verzeihen Sie, mein Herr, ist das der Zug nach Kötzschenbroda? "
    Es ist also schon das 3.Eisenbahnlied. Man sollte die Vorgänger wenigstens erwähnen dürfen.

  4. 2.

    Wie ich festgestellt habe, stammt die Melodie eigentlich von Glenn Miller. Der Titel ist "Chattanooga Choo Choo."
    Beì Buhlan [1947]kam übrigens der schöne Satz:"Nachts in Wusterhausen lässt du dich entlausen und verlierst den Koffer dabei "So waren die Zeiten damals. Ob der Udo das wusste?

  5. 1.

    Och - jede Zeit hat ihren Udo, äh, Song. Damals der Sonderzug und heut passt, so zwischen den Bagatellen und Lapidarien, der König von Sch...egalien.

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