Der rbb|24-Adventskalender | Abgefahren aufgemacht - 17. Tür: Ein Lied geht auf Reisen

Udo Lindenberg hätte beinahe für richtig viel Bewegung gesorgt. Mit einem Song. Doch dann machte er komische Bewegungen, ging Geschenke einkaufen und verbeugte sich tief.
24 kleine Geschichten rund um Bewegung, Geschwindigkeit oder um das bloße Fortkommen, das Verschwinden oder über Menschen, die etwas in Gang setzen - all das natürlich in Berlin und Brandenburg. Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Der Sonderzug nach Pankow ist eine reichlich peinliche Altmännergeschichte der 80er. Aber weil sie zur geschichtlichen Fortbewegung gehört, muss dieser Sonderzug ein Türchen kriegen. Um im Kumpel-Duktus von Sonderzug-Musikant Udo Lindenberg zu sprechen: Hier kommt das Notausgangstürchen aus dem Ost-Express mit dreizehnfachem Nasen-Äh, das alle Vokale ersetzt.
Zwei alte Männer am Gabentisch
Nach einer Tüte oder zwei, nach ein paar Likörchen und mit dem Filzhut im Nacken hat Udo Lindenberg in den frühen 80ern ein Lied verfasst, über das jeder damals eine Art Meinung hatte: "Sonderzug nach Pankow". Meine Oma fragte: "Wer issn das?" Meine Mutter sagte: "Was soll das nun?" Mein Vater sagte mit hochgezogener Stirn: "Oh, mutigmutig. Und einen neuen Kumpel im Osten hat der schicke Rocker auch gleich."
Meine Freunde und ich pfiffen wochenlang subversiv die Melodie beim Gang in den Klassenraum. Wir fanden den Song ein bisschen rotzig, aber ein bisschen platt. Er taugte für komische Kopfbewungen. Das war ein Kandidat für mehr. Ich wohnte in Pankow.
Alles easy - nur ein Song!
Dann aber tauschten sich sich Lindenberg und Honecker aus, schickten sich Geschenke, Honecker lernte das Wort "easy" und Lindenberg fing an, die SED "ganz okay" zu finden. Wir pfiffen nicht mehr. Da hatten sich zwei gefunden. Sie schickten Abordnungen, die den nächsten Move verhandelten. Der Westbarde machte den Ost-Herrscher zum Streichel-Opa und am Ende durfte er dafür vor FDJlern seine Lieder singen.
Die Bewegung, die dieser Sonderzugsong eigentlich versprochen hatte, wurde zu einer Art offiziellem Stuhltanz, den selbst die Parteileute witzig fanden. Der "Sonderzug nach Pankow" wurde Liedgut. Jetzt kannte ihn auch meine Oma. Bewegung ist eine Illusion, schlussfolgerten wir erwachsen. Und die jugendliche Tiefenanalyse ergab: Tanzen kann man nach dem Ding sowieso nicht.