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Quelle: rbb

#Wiegehtesuns? | Spätes Lehramtsstudium

"Ich möchte ein Vorbild für junge Menschen mit Migrationshintergrund werden."

Bouba Jan Sambaké hat sich mit 27 Jahren nach einem wilden Karriereweg entschieden, Lehramt zu studieren. Lehrkräfte fehlen in der Region. Sambaké sieht sich in der Pflicht und möchte ein Beispiel für junge Menschen mit Migrationsgeschichte werden. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Bouba Jan Sambaké ist 27 Jahre alt und von Beruf DJ und Barkeeper in Berlin. In der Hauptstadt ist er geboren und aufgewachsen. Nach einer langen Reise mit Höhen und Tiefen hat er sich nun entschieden, Lehrer zu werden – von denen die Region und ganz Deutschland ja so viele braucht.

An meinem Alter sieht man ja schon, dass ich nicht der typische "Ersti" bin, der direkt nach dem Abitur anfängt zu studieren. Das finde ich aber gar nicht so schlimm. Ehrlich gesagt sehe ich da nur Vorteile drin: Ich bin reifer als noch vor zehn Jahren, lebe allein in meiner eigenen Wohnung, habe sechs Jahre Berufserfahrung, finanziere mich selbst. Die typischen Fragen eines Erstsemestlers nach dem Abi stelle ich mir gar nicht – "Wo und wie suche ich mir eine WG?" oder "Wie bezahle ich das alles?" Und die meisten sind sich noch nicht sicher, ob sie diesen Weg auch final einschlagen wollen, was gerade im Lehramtsstudium ja enorm wichtig ist.

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Ich hatte genügend Zeit, mir das genau zu überlegen, wobei ich in den vergangenen acht, neun Jahren hier und da auch ziemlich verloren war. Manchmal wusste ich überhaupt nicht, was ich mit meinem Leben anstellen wollte. 2015, nach meinem Abschluss, bin ich erstmal durch die Welt gereist – typisch für meine Generation. Da habe ich gelernt, wie man selbstständig klarkommt und auf eigenen Beinen steht. Danach habe ich ein Studium an der TU angefangen, aber auch nur, weil das alle gemacht haben zu der Zeit. So richtig gefühlt habe ich das nicht.

Es folgte der Abbruch und ein jahrelanges Überlegen. Freunde wollten mir helfen. Ich weiß noch, wie ich sie immer vollgeheult habe, dass ich ja noch nichts Karrieremäßiges mache, während alle so langsam ihren Platz in der beruflichen Welt gefunden hatten. Das bedeutet Druck von außen, in deinem eigenen Umfeld, für den die anderen überhaupt nichts können. Aber ich wusste einfach nicht, wohin mit mir.

Ich bin kein Typ, der irgendetwas macht. Es muss Spaß machen! Auflegen als DJ macht mir enorm viel Spaß. Die Energie und die Gefühle, die Musik in mir auslöst, anderen weiterzugeben, das Feuer in den Augen tanzender Menschen in Ektase zu sehen – und du bist dafür verantwortlich - ist etwas ganz Besonderes für mich. Das muss erstmal getoppt werden, habe ich mir gedacht – eigentlich ein wahnwitziger Gedanke – aber gut… Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass ich mehr Geld brauche, um meine Träume zu erfüllen und mein enormes Talent fürs Barkeepen entdeckt. Hart Ackern konnte ich schon immer, schnell unter Druck arbeiten auch. Und von Menschen umgeben zu sein, die Spaß haben und gute Stimmung verbreiten, kenne ich ja schon vom Auflegen.

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Doch nun bin ich an einen Punkt gekommen, an dem ich eine neue Herausforderung brauche. Ich bin reifer geworden. Irgendwann gibt einem das Party- und DJ-Leben auch nicht mehr alles. Ich wusste schon lange, dass ich Lehrer werden will. Zu 100 Prozent sicher war ich mir aber nie. Mein Umfeld hatte mir immer wieder gespiegelt, dass sie mich in diesem Beruf sehen.

Manche waren enttäuscht, dass ich ihren Rat nicht befolge. Dabei liebte ich Mathe. Mein Opa hatte mir damals schon in der ersten Klasse Aufgaben aus der Dritten und Vierten gegeben. Zur Belohnung für eine 1 bekam ich immer zehn Euro. Und Rechenaufgaben machten mir einfach Spaß, ich sah sie immer als Challenge an, ähnlich wie im Handball – ich war früher Handballtorwart in der Schule. Eine Matheaufgabe zu lösen, hat sich für mich immer wie ein Sieg angefühlt, wie wenn ich durch das Halten von Bällen einen Sieg im Handball sichere.

Hinzu kam, dass ich als Schüler nie einen Lehrer mit Migrationshintergrund oder POC als Lehrer hatte (Anm. d. Red. POC=Person of Color). Ich als POC bin erst sehr spät auf den Gedanken gekommen, dass das ein Karriereweg für mich sein könnte. Ich wurde nie dazu ermutigt, es wurde mir auch nie vorgelebt, als POC Lehrer zu werden, die waren ja alle deutsch und weiß. Ich möchte deswegen den vielen jungen Menschen da draußen ein Vorbild werden, damit sie vielleicht selbst auf die Idee kommen, Lehrer zu werden.

Ich hatte in meinem Opa meine Bezugsperson, die mir unter vier Augen Rechenaufgaben erklärt hat. Das hat mir in der Schule gefehlt, weil gerade Mathe ein Fach ist, zu dem du einen Zugang brauchst. Das ist das Problem bei Mathe: Wenn Schüler keine Lust haben, machen sie zu und dann wird Mathe ein Hass-Fach.

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Als Zweitfach wollte ich eigentlich Sport wählen. Da bin ich aber nicht reingekommen. Also habe ich Physik gewählt, weil sie mit der Mathematik verwandt ist. Ich werde schauen, ob mir Physik gefällt. Wenn nicht, werde ich wechseln. Also vielleicht bin ich doch zu einem kleinen Prozentanteil ein typischer Erstsemestler, der schaut, was auf ihn zukommt.

Gesprächsprotokoll: Lukas Kuite

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