Lehrkräftemangel in Berlin - Lücken in Lehrerzimmern haben sich laut Bildungssenatorin deutlich verkleinert

Mi 04.10.23 | 16:35 Uhr | Von Kirsten Buchman
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Symbolbild:Eine Lehrerin schreibt etwas an eine Schultafel im Unterricht.(Quelle:dpa/S.Gollnow)
Audio: Fritz | 04.10.2023 | Hannah Burmeister | Bild: dpa

Die Zahl der offenen Lehrerstellen an den Berliner Schulen ist laut Bildungssenatorin Günther-Wünsch halb so groß wie zunächst erwartet. 716 Vollzeitlehrkräfte sind aktuell unbesetzt, halb so viele wie noch vor einem halben Jahr. Von Kirsten Buchmann

  • Zahl der offenen Lehrerstellen hat sich offenbar deutlich verkleinert
  • Lücken werden maßgeblich mit Quer- und Seiteneinsteigern besetzt
  • weitere Anreize: Verbeamtung und Einfluss auf Standort
  • Situation in den Bezirken stark verschieden

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) wirkt erleichtert. Laut einer Abfrage bei den Berliner Schulen könnten diese 97,3 Prozent ihres Lehrkräftebedarfs abdecken. Aktuell sind demnach 716 Vollzeitstellen unbesetzt. Im Mai war die Bildungsverwaltung noch von 1.460 unbesetzten Stellen ausgegangen.

Möglich wird das geringere Lehrkräftedefizit auch durch Quer- und Seiteneinsteiger. Von den 2.446 neu besetzten Stellen entfallen nur 1.121 auf Lehrkräfte, die ein reguläres Lehramtsstudium abgeschlossen haben - weniger als die Hälfte.

So hat etwa an Grundschulen mehr als die Hälfte der neu einstellten Pädagoginnen und Pädagogen keine Lehramtsausbildung. Sie sollen daher berufsbegleitend qualifiziert werden. "Alle müssen alphabetisieren können", sagt die Bildungssenatorin. Das heißt, wer an einer Grundschule unterrichtet, soll in der Lage sein, Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen.

Situation in den Bezirken nicht ebenmäßig

Mit den Neueinstellungen für dieses Schuljahr könnten alle bis auf sieben Berliner Schulen ihre Stundentafel abdecken, rechnet die Bildungssenatorin vor. Eine der sieben ist die Beatrix-Potter-Grundschule in Marzahn-Hellersdorf.

Am besten ist die Situation auf die Schularten bezogen an Gymnasien, am schlechtesten an den Förderschulen. Auch regional sind die Lücken unterschiedlich groß. In Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg fällt die Lehrkräftebilanz am positivsten aus. Vor allem in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick sind dagegen viele Lehrerstellen unbesetzt.

Bildungssenatorin hofft auf Klebeeffekte

Sie wolle daher Studierende im Praxissemester und Referendare durch Ausschreibungen insbesondere in die Randbezirke bringen, so die Bildungssenatorin, "wo wir die bestausgebildetsten Lehrer in Zukunft brauchen". Dafür sollen die Nachwuchskräfte laut Günther-Wünsch durch Mentoren an den Schulen betreut werden. Sie hofft auf "Klebeeffekte", damit sie dort weiter unterrichten.

Insgesamt war Günther-Wünsch bei ihrer Prognose im Mai davon ausgegangen, dass berlinweit 1.460 Stellen in diesem Schuljahr unbesetzt bleiben würden. Die Lücke habe sich unter anderem dadurch verringert, dass Lehrerstellen umgewandelt und beispielsweise auch mit Logopäden und Lerntherapeuten besetzt werden können, so die Senatorin. Die Rückkehr zur Lehrkräfteverbeamtung zählt sie ebenfalls zu den Gründen für mehr Neueinstellungen.

Bewerbungsfrist verlängert

Zudem habe die Bildungsverwaltung die Bewerbungsfrist um vier Wochen verlängert. Auch damit habe sich noch "einiges bewegt", meint die Senatorin.

Sie nennt darüber hinaus einen weiteren Aspekt: das Ende der so genannten Steuerung. Laut einer Regelung der Vorgängersenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) vom März dieses Jahres sollten die Schulen ihre Lehrerstellen nur noch zu rund 96 Prozent besetzen dürfen. Die Hoffnung war, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber damit besser auf die Stadt verteilen würden. Schulleiterverbände warnten allerdings, stattdessen würden womöglich Interessenten der Stadt den Rücken kehren, wenn sie nicht an ihre gewünschte Schule kämen.

Als neue Bildungssenatorin kippte Katharina Günther-Wünsch die 96-Prozent-Regelung. Sie fühlt sich durch die aktuellen Zahlen bestätigt: "Den Deckel aufzuheben, hat nicht dazu geführt, dass wir Lehrkräfte verloren haben, im Gegenteil."

Freude über jeden Zuwachs

Im vergangenen Schuljahr war die Personallücke noch größer, der Anteil der nicht besetzten Lehrerstellen in den Schulen lag bei 3,4 Prozent, gegenüber momentan 2,7 Prozent.

Zum neuen Schuljahr sind Günther-Wünsch zufolge insgesamt 2.446 volle Stellen besetzt worden. "Im letzten Jahr waren es noch 2.390", sagt die Politikerin. "Wenn man bedenkt, dass der Lehrkräftemangel bundesweit ist, freue ich mich über jeden Zuwachs." Andere Bundesländer hätten Probleme, ihren Vorjahresstand zu halten.

Allerdings dämpft Günther-Wünsch die Erwartung, dass sich in Berlin an der hohen Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger schnell etwas ändern könnte: "Das wird die nächsten Jahre noch anhalten." Denn viele Lehrkräfte der geburtenstarken Jahrgänge erreichen das Pensionsalter. Zugleich rücken zu wenig ausgebildete Nachwuchskräfte aus geburtenschwächeren Jahrgängen nach.

Sendung: Fritz , 04.10.2023, 16.30 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchman

14 Kommentare

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  1. 14.

    Das sehe ich als Lehrerin genau andersherum.
    Was früher selbstverständlich im Elternhaus an Allgemeinbildung und vor allem an
    korrekten Verhaltensweisen, Arbeitshaltung etc. Kindern mitgegeben wurde,
    findet heute nicht mehr statt.
    Bin inzwischen allerdings an einer Privatschule.
    Da sind die Eltern doch deutlich engagierter und vernünftiger.

  2. 13.

    Und wieder einmal hat man sich um ein bundesweit einheitliches Schulwesen und die längst überfällige Digitalisierung erfolgreich gedrückt. Kein Wunder, das Deutschland immer mehr zum Bildungsschlusslicht in Europa wird... Wenn schon nicht mal das Bildungswesen schlagartig zentralisiert und reformiert wird. Echt traurig. Also wir werden, wenn die Kinder schulpflichtig werden, diese entweder in einer Privatschule anmelden oder in die nordischen Länder umziehen.

  3. 12.

    Dann bleibt,
    bei der hohen Zahl an Aushilfslehrern ,
    im Personal-Budget noch Platz,
    für mehr Lehr-Amts-Lehrer*Innen ?
    Nein,
    Bildung ist eine Investition in die Zukunft !
    Wird bezahlt in .... Tadah ... der Zukunft !
    Von Steuerpflichtigen, ohne ... Tadah ... Zukunft ....
    Bildung, Bildung, Bildung,
    Varus, Varus, gib mir meine Lehrer wieder ..

  4. 11.

    In den staatl. Schulen Berlins wird nicht der Grundstein für das Lernen gelegt. Den jungen Menschen wird hier verlässlich die momentan vorherschende libertäre Ideeologie eingetrichert, alle sollen bitte normal sein, sich verhalten wie die Lehrperson es für richtig erachtet, nach "unten" treten und nach "oben" buckeln, Zensuren (Bewertung) als Ausdruck des eigenen Selbst akzeptieren und möglichst fein petzen.
    Zu den Zuständen an privaten Schulen kann ich nichts sagen, da ich nie in einer sogenannten "Privatschule" arbeitete.

  5. 10.

    Die Zahl zeigt nur, wie viele Vollzeitadäquate noch unbesetzt sind. Eingerechnet sind alle, die ungeachtet ihrer Ausbildung an Lehrer (m/w/d) statt eingesetzt sind. Jede*r, der einen Bachelor-Abschluss hat/ studiert, erhält mind. einen befristeten Vertrag. Wenn man alle diese Leute abzieht und boshafterweise auch die Quereinsteigenden in Ausbildung, kommt man schnell drauf, dass weit mehr qualifizierte Lehrkräfte fehlen als die veröffentlichte Zahl suggeriert.
    Es ist nicht alles Gold was glänzt

  6. 9.

    1. Die Senatorin hat ein die Lehrerstellenumwandlung nur vereinfacht, sie war schon lange möglich.
    2. Quereinsteigende verlassen das Ausbildungsinstitut als vollbezahlte Lehrkräfte. Da hören sie: "Lassen Sie sich keine 1. Klasse geben. Das ist total anstrengend, das können wir hier nicht leisten."
    3. Viele Grundschulen überleben nur durch Studienräte, die Überflussfächer studiert haben (z.B. Ges, Lat, Rus) und Studenten. Sie haben keine Idee von Anfangsunterricht! Das hilft nur nominell.

  7. 8.

    Und wie entsetzlich ist es, was Schule mittlerweile leisten muss was eigentlich Aufgabe des Elternhauses ist.

  8. 7.

    Niemand kann jetzt Lehrer aus dem Hut zaubern und Kompromisse bleiben Kompromisse. Gerade in den unteren Jahrgängen ist Stabilität wichtig. Hier wird der Grundstein für's Lernen gelegt. Mich macht die Halbherzigkeit, wie mit dieser Aufgabe umgegangen wird, wütend. Dafür könnte man sich schon mal auf dem Schulhof festkleben. Das ist natürlich eine Metapher, aber hier geht es um die Zukunft unseres Landes.

  9. 6.

    Aus der Kategorie: Günther Wünscht sich was...

  10. 4.

    Die aktuelle Senatorin hat es nicht verbrochen. Insofern Glückwunsch zu jedem Erfolg. Trotzdem: Schule ist nur noch Verwahrung, ob vor- oder nachmittags. Meine Eltern sind jedesmal entsetzt, wenn sie mitbekommen, was Eltern heutzutage alles leisten müssen, das früher klare Aufgabe der Schule war.

  11. 3.

    Wenn man aus 100% Bedarf an Lehrer*innen, einfach weniger macht, fehlen auch weniger Lehrer. Eine Frechheit.!!!

  12. 2.

    Dann braucht die Dame eine Brille!
    An meiner alten Schule in Lichtenberg fehlen mit mir 7 oder 8 Leute.
    Jetzt geht noch eine Kollegin.
    Hm...

  13. 1.

    Ein typisch Berliner Kommentar und Verhalten. Es ist nur noch schlecht und nicht mehr katastrophal, damit können wir einen Erfolg feiern.
    Was wohl die Lehrer und Kinder denken, wenn weiterhin viele Lehrkräfte fehlen.

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