Interview | Union-Trainerin Ailien Poese - "Wir haben den Profifußball so sehr etabliert, dass er gelebt wird"
Das Frauen-Team des 1. FC Union hat sich vorzeitig die Meisterschaft in der Regionalliga gesichert - die für den Aufstieg entscheidenden Duelle stehen aber erst noch bevor. Im Interview spricht die Trainerin Ailien Poese über die bisherige Saison und die Aussichten.
In der Regionalliga Nordost der Frauen war das Team des 1. FC Union Berlin in dieser Saison bislang nicht zu schlagen. Ohne Niederlage haben sich die Köpenickerinnen am vergangenen Wochenende vorzeitig die Meisterschaft gesichert. Die Umstellung auf Profi-Fußball scheint sich ausgezahlt zu haben, denn seit dem vergangenen Sommer arbeiten die Spielerinnen Vollzeit bei Union und verdienen mit Fußball ihren Lebensunterhalt.
Noch ist das große Saisonziel allerdings nicht erreicht. Erst in den Aufstiegsduellen gegen die Meisterinnen der Regionalliga Nord wird sich zeigen, ob die Berlinerinnen sich bereits so weit entwickelt haben, dass sie bereit für die 2. Liga sind.
rbb|24: Frau Poese, Ihre Mannschaft hat sich zwei Spieltage vor Schluss auch rechnerisch die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost gesichert. Überraschend war das ganz und gar nicht. Wurde dennoch gefeiert?
Ailien Poese: Aber selbstverständlich. Es ist natürlich nur ein Zwischenschritt, dessen sind wir uns auch bewusst. Aber Meister wird man ja nicht einfach mal so. Dementsprechend wurde gestern gefeiert und heute Vormittag war auch kein Training angesetzt.
Wie sahen die Feierlichkeiten aus?
Noch am Platz bei Turbine gab es ein paar Kaltgetränke und es wurde auch viele davon verspritzt. Und die Busfahrt war ein bisschen länger - mit einer Extrarunde durch Köpenick und aufgedrehten Boxen.
20 Spiele, 20 Siege, 134:5 Tore: Hätten Sie vor der Saison damit gerechnet, dass es so deutlich wird?
Nein. Natürlich hatten wir nach der Umstellung auf Profifußball ein klares Ziel und wollten mehr in sportlichen Erfolg investieren. Ob man diesen dann am Ende aber auch wirklich hat, kann man nie wissen. Am Anfang der Saison waren die Ergebnisse noch knapper, aber wir haben es ganz gut geschafft, unsere Spielidee mit der Zeit zu etablieren. Zum Ende der Hinrunde sind wir dann schon dominanter geworden, als wir es am Anfang waren. Auch die Wintervorbereitung war überragend. Da hatten wir im Trainingslager in Spanien super Wetter und super Bedingungen. Da hat der Verein uns die Rahmenbedingungen für den sportlichen Erfolg geschaffen.
Sie arbeiten unter Profi-Bedingungen. Davon sind die anderen Teams in der Regionalliga Nordost weit entfernt. Hohe, ja teils zweistellige Siege waren die Regel - knapp wurde es selten. Wie schwierig war es, bei dieser Dominanz die Konzentration hochzuhalten?
Ich muss ehrlich sagen, dass es so schwierig gar nicht war. Jeder war sich bewusst, was das Ziel ist und wir haben den Profifußball so sehr etabliert, dass er gelebt wird. Es ist ein ganz großer Unterschied, wenn es einfach dein Job ist, Erfolg zu haben und wenn du dich in deinem Leben auf nichts anderes konzentrieren musst. Trotzdem hatten wir am Anfang der Saison auch Probleme mit der Umstellung. Man ist nicht einfach von heute auf morgen Profifußballerin, sondern gibt dafür viel auf. Zum Beispiel den vorherigen Job und damit Sicherheit. Und das alles für ein Abenteuer, das auch nach hinten losgehen kann. Das war also am Anfang bei manchen von Zweifeln geprägt, die wir über mentales Training und über Arbeit mit der Sportpsychologin parallel bearbeitet haben.
Taten Ihnen die Gegnerinnen manchmal leid?
Das ist eine schwierige Frage. Es ist natürlich schon hart zu sehen, wenn jemand so viele Gegentore kriegt. Vor allem, weil viele Teams wirklich alles probiert und alles dagegen geworfen haben. Aber ich glaube, dass es vielleicht auch ein bisschen ein strukturelles Problem im Frauenfußball in der 3. Liga ist. An und für sich sollte es nicht solche Unterschiede geben. In den Regionalligen der Männer haben auch manche Vereine Profimannschaften und manche nicht. Und trotzdem sind die Unterschiede nicht so riesig. Mir wurde von vielen Gegnern gesagt, dass wir bloß aufsteigen und aus der Liga weg sein sollen. Das verstehe ich auch. Natürlich ist es demotivierend und es tut einem auch ein bisschen leid, wenn du da mit 15:0, 7:1 oder wie auch immer vom Platz gehst. Es war aber immer ein respektvolles und gutes Miteinander.
Gegen Hertha BSC waren beim Derby 12.500 Zuschauerinnen und Zuschauer im Stadion An der Alten Försterei. Wie haben Sie das erlebt? Und war es Ihr bisheriges Saison-Highlight?
Das Highlight für uns als Mannschaft insgesamt war die Konstanz, die wir auf den Platz gebracht haben. Aber von der Atmosphäre, von der Unterstützung, von dem, was Fußball ausmacht, mit den Fans im Rücken, war das natürlich grandios. Auch die Hertha-Fans haben einfach eine tolle Stimmung verbreitet. Es war ein total gelungener Tag, von dem wir noch lange sprechen werden. Jetzt hoffen wir natürlich, dass wir auch im ersten Relegationsspiel viele Menschen ins Stadion kriegen.
Wie nehmen Sie insgesamt das Potenzial - gerade auch bei den Fans - für den Frauenfußball bei Union Berlin wahr?
Wir haben großes Potenzial, den Frauenfußball in der Hauptstadt nach oben zu bringen. Und ich finde es total klasse, dass wir drei Vereine haben, die da richtig gut dran arbeiten. Was Viktoria macht, was Hertha BSC macht, was Union macht - das rückt einfach ins Rampenlicht. Wir sind auf einem guten Weg in einer attraktiven Stadt. Und da sind auch drei Vereine nicht zu viel, weil das Potenzial Berlins und das Potenzial generell im Frauenfußball ja gerade enorm steigt.
Noch ist aber - trotz der furiosen Runde - nichts gewonnen. Die Meisterschaft bedeutet nicht automatisch die 2. Liga. Vorher müssen Sie sich noch in den Aufstiegsspielen gegen den Meister der Regionalliga Nord durchsetzen: Henstedt-Ulzburg. Was erwarten sie von dem Duell?
Wir beobachten Henstedt schon die ganze Saison und sind informiert. Wir hatten Leute bei deren Spielen vor Ort und wir beschäftigen uns im Hintergrund mit ihnen. Sie haben eine super Saison gespielt und sind auch vorzeitig Meister geworden. Sie sind zwar im DFB-Pokal gegen Viktoria gescheitert, aber trotzdem haben sie eine gute Spielanlage. Wir haben als erstes ein Heimspiel, was für uns sicherlich eine gute Sache ist. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es jetzt so ein dominantes Regionalligaspiel von uns wird, wie es die letzten Spiele waren. Dementsprechend brauchen wir eine hochkonzentrierte Leistung, wir brauchen Überzeugung und wir brauchen Mentalität. Daran werden wir arbeiten.
Vorher wartet am Sonntag erstmal noch das Berliner Pokalfinale gegen Viktoria Berlin. In der Liga gab es Siege über 1:0 und 3:0. Es waren also - gegen den Tabellenzweiten der Regionalliga Nordost - mit die knappsten Spiele der Saison. Wie groß wird die Herausforderung?
Wir gehen als Favorit in das Spiel. Sie haben eine richtig gute Mannschaft und werden immer wieder ihre Nadelstiche setzen. Auch taktisch werden sie vermutlich nochmal was verändern, es ist schließlich das Pokalfinale und der Pokal schreibt bekanntlich seine eigenen Gesetze. Von daher freuen wir uns total auf dieses Spiel und wollen auch diesen Titel in dieser Saison mitnehmen. Und man kann es, wenn man möchte, natürlich auch ein bisschen als Generalprobe für die Aufstiegsspiele betiteln.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Johannes Mohren, rbb Sport. Es wurde für die Online-Fassung gekürzt und redigiert.
Sendung: rbb24, 13.05.2024,16 Uhr