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Video: rbb24 Abendschau | 29.05.2023 | P. Höppner | Im Gespräch: Dr. Z. Yanasmayan | Quelle: dpa/E. Sansar

Meinung | Präsidentschaftswahl in der Türkei

Warum die Hälfte der Berliner Türken Erdogan gewählt hat

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Metropolen hatte der alte und neue türkische Präsident Erdogan in Berlin die Nase vorn. Sein Fan-Lager in der deutschen Hauptstadt ist groß. Ein Erklärungsversuch von Cem Dalaman.

Es waren Wahlen in der Türkei, und seit nun 21 Jahren ist es am Ende wie immer: Recep Tayyip Erdogan ist der Sieger. Erdoğan hat gewonnen, weil seine Anhänger, auch in Berlin, Angst vor Veränderungen haben. Und weil er ihnen erfolgreich eingehämmert hat, dass er wie ein Vater für sie sorgt.

Der Staat, das bin ich. "Ich habe für euch Autobahnen, Brücken, Moscheen, Flughäfen und Krankenhäuser gebaut", erzählte er immer wieder während der Wahlphase. Dreispurige Autobahnen, moderne Krankenhäuser, Strom und Internet in den Dörfern, das mag in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein; Erdogan verkauft es als Zeichen seiner islamisch begründeten Fürsorge. Und das gelingt ihm auch bei seinen Anhängern in unserer Stadt, die dann im Sommerurlaub nur die positiven Ergebnisse seiner Politik wahrnehmen und nicht die wirtschaftlich-politischen Einschränkungen.

Stichwahl um türkisches Präsidentenamt

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Viele fühlen sich von der deutschen Politik nicht abgeholt

Immer wieder werde ich gefragt, wie es sein kann, dass Berliner Türkeistämmige - trotz der massiven Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit und der enormen Wirtschaftskrise - mehrheitlich Erdogan wählen. Ein Grund sind ihre konservativen Einstellungen. Dagegen ist als politische Haltung nichts einzuwenden.

Ein weiterer Grund: Die Opposition ist nicht stark genug und nicht gut genug organisiert. In Berlin verfügen die Erdogan-Fans hingegen über eine starke Infrastruktur über ihre Moscheen und Vereine. Und viele türkeistämmige Berliner, die Erdoğan wählen, fühlen sich von der deutschen Politik nicht abgeholt, gerade, wenn sie wie viele Berliner Türkeistämmige rassistische Erfahrungen gemacht haben. Erdogan ist auch für sie der starke Mann, ihr Beschützer. Ein Bild, das verfängt. Ob es uns gefällt oder nicht.

"Gezi - Ten Years After"

Gorki-Theater würdigt türkische Protestbewegung mit eigenem Festival

Zwei Tage vor der Stichwahl in der Türkei startet im Maxim-Gorki-Theater ein einmonatiges Kultur-Festival zu den Protesten im Istanbuler Gezi Park. Vor zehn Jahren standen die Ereignisse ganz im Zeichen der Demokratiebewegung in der Türkei. Von Andrea Handels

Positiver Nebeneffekt: Akademische Zuwanderung

Doch es gibt eine zweite Ebene dieser Wahl. Die türkische Wirtschaft wird weiter auf Talfahrt sein, gerade weil Erdogan wieder gesiegt hat. Und das zusammen mit den politisch bedingten Einschränkungen wird dazu führen, dass junge gut ausgebildete Menschen aus der Türkei nach Berlin kommen. In den letzten Jahren gab es schon einen Vorgeschmack auf eine neue Qualität der Türkeistämmigen in unserer Stadt. Sie werden von den hiesigen Türkeistämmigen als "die mit den weißen Kragen" bezeichnet – als Anspielung auf ihre gesellschaftliche Herkunft.

Viele Ärzte, Akademikerinnen, Künstler und IT-Fachleute aus Istanbul und anderen Städten sehen hier ihre Zukunft. Unsere Stadt kann von dieser Zuwanderung nur profitieren. Das gilt auch für die türkeistämmigen Berliner, die anders denken als die, die Erdogan gewählt haben.

Cen Dalaman ist Redakteur bei der rbb24 Abendschau

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.05.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Cem Dalaman

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