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Video: rbb24 Abendschau | 12.01.2024 | Dorit Knieling | Quelle: IMAGO/Sascha Steinach

Sechs Richterposten ohne Nachfolge

Berliner Parteien streiten über Neubesetzung am Verfassungsgerichtshof

Am Verfassungsgericht, dem obersten Berliner Gericht, hätte ein Großteil der Richterposten seit mehr als zwei Jahren neu besetzt werden müssen. Aktuell beharken sich Regierungsfraktionen und Opposition. Die Hängepartie hat bereits personelle Konsequenzen. Von A. Ulrich und B. Hermel

Das Berliner Verfassungsgericht ist schon seit Monaten nicht mehr komplett - bekannt wurde es erst jetzt. Die Strafrechtlerin Margarete von Galen, die auf Vorschlag der Grünen ins Amt gekommen war, hatte bereits im Sommer letzten Jahres um ihre Entlassung gebeten. Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld, CDU, stimmte dem Antrag zu.

Seit Oktober 2023 besteht der Verfassungsgerichtshof damit nur noch aus acht statt neun Richterinnen und Richtern.

Alte Besetzung bis zur Wiederholungswahl

Margarete von Galen erklärte gegenüber dem rbb, sie empfinde es als "Respektlosigkeit des Abgeordnetenhauses gegenüber der Institution des Verfassungsgerichtshofs", dass das Parlament - nach der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus im Februar 2023 - für die Richter und Richterinnen, deren Amtszeit abgelaufen ist, nicht zügig eine Nachfolge gewählt habe. Sowohl ihre siebenjährige Amtszeit wie auch die von fünf weiteren Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs endete formal bereits im Sommer 2021. Von Galen bezeichnete es als nachvollziehbar, dass das Gericht in alter Besetzung noch bis zum Urteil zur Wiederholungswahl im Herbst 2022 amtiert habe. Danach aber hätte es schnell eine Nachwahl geben müssen. Aus Gründen eigener Planungssicherheit habe sie den Antrag auf Entlassung gestellt.

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"Ein ungeheuerlicher Vorgang"

Die oppositionellen Fraktionen von Grünen und Linken erhöhen nun den Druck auf die Regierungsparteien. In einem Brief an die Fraktionsspitzen von CDU und SPD fordern sie ein Spitzengespräch zur Nachwahl der sechs Richterposten am kommenden Donnerstag.

Sie hätten erwartet, dass die CDU als größte Fraktion zu einem derartigen Treffen einlädt, schreiben die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und Linken, Werner Graf und Carsten Schatz, in dem Brief, der dem rbb vorliegt. "Dass die Koalition bis heute nicht mal zu einem Gespräch unter den demokratischen Fraktionen eingeladen hat, ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der der Würde dieses Gerichts nicht gerecht wird," so Grünen-Fraktionschef Graf gegenüber dem rbb.

Carsten Schatz von den Linken befürchtet, dass neben Margarete von Galen weitere Richterinnen und Richter wegen der ausbleibenden Nachwahlen ihre Entlassung beantragen könnten. "Der Verfassungsgerichtshof könnte deshalb in die Gefahr geraten, nicht mehr tätig werden zu können", so der Linksfraktionschef. "Das ist in der demokratischen Ordnung undenkbar."

Zoff um Vorschlagsrecht

Nach rbb-Informationen besteht zwischen dem schwarz-roten Regierungslager und der Opposition große Uneinigkeit darüber, welche Fraktionen wie viele neue Richterinnen und Richter vorschlagen dürfen.

Was ist das Verfassungsgericht Berlin?

Nach einer ungeschriebenen Übereinkunft werden die Vorschlagsrechte eigentlich nach dem sogenannten d'Hondt-Verfahren verteilt, das proportionale Repräsentation gewährleisten soll. Das heißt, von den neun Richterinnen und Richtern dürften drei von der CDU vorgeschlagen werden, zwei von der SPD, zwei von den Grünen und jeweils eine oder einer von Linken und AfD.

Einig sind sich CDU, SPD, Grüne und Linke darin, dass sie einen Vorschlag der AfD verhindern wollen. Die Streitfrage ist nun offenbar, ob stattdessen den Linken oder aber dem Koalitionslager ein weiterer Richtervorschlag zugestanden werden soll.

Definitiv weiter im Amt bleiben die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Ludgera Selting, vorgeschlagen von der SPD, der Richter Christian Burholt, vorgeschlagen von der CDU, und Ulrike Lembcke, nominiert von den Linken. Sie waren erst im Herbst 2019 beziehungsweise im März 2020 gewählt worden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.01.2024, 12 Uhr

Beitrag von Angela Ulrich und Boris Hermel

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