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Audio: rbb24 Abendschau| 15.03.2024 | T. Schmutzler | Studiogast: T. Gabriel | Quelle: dpa/Rebsch

Nach der Bundesparteigründung

Berliner Werteunion vor der Zerreißprobe

Die Werteunion wollte der konservative Stachel im Fleisch der Union sein. Aber dann machte Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen aus dem Verein eine eigenständige Partei. Weshalb ihm Berliner Werteunion-Mitglieder nun die Gefolgschaft verweigern. Von S. Müller, T. Gabriel und T. Schmutzler  

Jürgen F. Matthes ist 82 Jahre alt. Aber wenn er über die Werteunion redet – und vor allem über deren Bundeschef Hans-Georg Maaßen –, zeigt er sich kampfeslustig wie ein aufstrebender Jungpolitiker. Dass der umstrittene Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen Mitte Februar mit der Werteunion einen Neustart als Partei hingelegt hat, ärgert Matthes maßlos. "Mit dem will ich nichts zu tun haben", wettert er im Gespräch mit dem rbb. "Ich will nicht eine neue Partei fördern, mit deren Zielen und Vorstellungen ich nicht einverstanden bin."

Matthes ist seit Jahrzehnten Mitglied in der Berliner CDU. In den Siebzigern saß er für die Partei im Abgeordnetenhaus. In die Werteunion trat er ein, weil ihm die Politik der früheren CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen den Strich ging. Für diejenigen, die sich seinerzeit zur "Werteunion" zusammenfanden, ist Merkel insbesondere wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik schuld an einem "Linksruck" der Union. Die Konservativen sahen sich im Abseits.

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Auch Matthes suchte damals einen Ort, wo er offen – und eben sehr konservativ – diskutieren konnte. Doch die CDU zu verlassen, war ihm dabei nie in den Sinn gekommen. Auch deshalb passt es ihm nicht, dass Maaßen aus der Werteunion nun eine Konkurrenzpartei gemacht hat. "Die neue Werteunion legt keinen Wert mehr auf die CDU und will außerhalb der CDU wirken. Das ist aber nicht mein Verein. Ich halte ja die Fahne der CDU hoch."

Zuerst versuchte Matthes, gerichtlich gegen die Parteigründung vorzugehen. Dass der vormalige Verein Werteunion nun per Versammlungsbeschluss zu einem Förderverein für die neue Partei degradiert wurde, sei rechtlich nicht sauber gelaufen, ist er noch immer überzeugt. Doch das Amtsgericht Mannheim sah das anders und gab seiner Beschwerde nicht statt.

CDU erklärt Werteunion zum "Irrweg"

Mit seinem Groll insbesondere auf Parteigründer Maaßen steht Jürgen Matthes im Berliner Landesverband der Werteunion nicht allein da. Das wird in Gesprächen mit weiteren Mitgliedern deutlich. Gut 100 sollen es insgesamt in Berlin sein, eine genaue aktuelle Zahl kann Landeschef Klaus-Peter Jürcke nicht nennen. Knapp 70 allerdings, soviel gilt als sicher, sind nach eigenen Angaben nicht nur Mitglied in der bisherigen Werteunion, sondern gehören auch der CDU an. Viele von ihnen sind nach rbb-Informationen ähnlich verärgert wie Matthes, fliegen mit ihrem Frust aber quasi unter dem Radar. Matthes ist der Einzige, der öffentlich seinem Unmut Luft macht.

Sie alle stehen aber nun unter Druck. Denn Ende Januar fasste der Landesvorstand der Berliner CDU einen Abgrenzungsbeschluss: "Wer den Irrweg der 'Werteunion' weiterverfolgt, kann nicht Mitglied der CDU sein", heißt es darin. "Parteien, die Rassismus und Antisemitismus in ihren Reihen dulden, können für uns kein politischer Partner sein", erläutert CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein gegenüber dem rbb den Vorstandsbeschluss. Das zielt auch in Richtung des Werteunions-Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen. Der wird vom Bundesverfassungsschutz, dessen Chef er einst selbst war, mittlerweile als Rechtsextremist geführt.

Außerdem könne niemand Mitglied in zwei Parteien sein, ergänzt sie mit Blick auf "Schnupper-Parteimitgliedschaften", die Hans-Georg Maaßen in Aussicht gestellt hatte. CDU-Mitglieder in der bisherigen Werteunion sind nun vor die Wahl gestellt: in der CDU bleiben und aus der Werteunion austreten oder sich mit der Werteunion auf einen neuen Weg machen und die CDU verlassen. Generalsekretärin Klein stellt unmissverständlich klar: "Wenn sie sich nicht entscheiden, kommt es eben zu Parteiausschlussverfahren."

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Parteiausschlussverfahren bislang "kein Massenphänomen"

Auch Jürgen Matthes bekam bereits Post von seinem CDU-Kreisverband Mitte. "Nach uns vorliegenden Erkenntnissen haben Sie in der Vergangenheit wiederholt öffentlich zu Ihrer Mitgliedschaft in der 'Werteunion' Stellung genommen", heißt es in dem Schreiben. Nun soll Matthes gegenüber der CDU Stellung beziehen. Damit auch keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Nachfrage aufkommen, zitiert das Schreiben auch noch die Kreissatzung: Wer zugleich einer anderen Partei angehöre, verhalte sich parteischädigend. Überrascht zeigt sich Matthes von dem Brief nicht. "Eigentlich habe ich das erwartet", sagt er.

CDU-Generalsekretärin Klein betont allerdings, dass es sich bislang nicht um ein "Massenphänomen" handelt: "Ich kenne tatsächlich jetzt drei Verfahren, die losgetreten wurden." Sie kenne auch "kaum" Mitglieder, die schon der neuen Partei beigetreten sind. Dass nur so wenige Aufforderungen zur Stellungnahme bislang rausgegangen sind, dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass die meisten betroffenen CDU-Mitglieder bisher eher im Verborgenen der Werteunion angehörten.

Dämpfer für die Maaßen-Partei in Berlin

Matthes, der bislang Schriftführer im Vorstand der Berliner Werteunion war, geht wie andere im Berliner Landesverband davon aus, dass eine hohe zweistellige Zahl an Mitgliedern nicht in die neue Partei wechseln wird. Auch von Landesverbänden aus anderen Bundesländern gebe es schon interessierte Nachfragen, sagt Matthes. Für die Jungpartei Werteunion wäre es ein Dämpfer, wenn ausgerechnet in der Hauptstadt, in Maaßens Heimatverband, eine stattliche Zahl an bisherigen Vereinsmitgliedern der Führung die Gefolgschaft verweigern würde.

Auf rbb-Nachfrage gibt es von der Bundesparteispitze keine Antwort, weder zur aktuellen Zahl der Mitglieder noch dazu, wie es um die Gründung einer Landespartei steht. Nach rbb-Informationen wurden allerdings sowohl für Berlin als auch für Brandenburg bereits Maaßen-Vertraute beauftragt, die neuen Landesparteien zu gründen.

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Jürgen Matthes und seine Mitstreiter sitzen nun zwischen den Stühlen. Sie schmieden vorsorglich schon an einer Ersatzlösung. Ganz lose, nicht als Verein, haben sie ein "Konservatives Forum" gegründet. Hier wollen sie weiter diskutieren und die CDU mit konservativen Ansichten versorgen. "Es ist einfach ein Treffen von Leuten, die ebenso wie vorher die Werteunion dem christlichen, dem wirtschaftsliberalen und dem konservativen Wertegefüge unserer Gesellschaft entsprechen, damit das in der CDU wieder stärker zum Ausdruck kommt", beschreibt Matthes die Ziele des neuen Kreises.

Dass sie auch damit in der CDU wieder anecken könnten, glaubt er nicht. Generalsekretärin Klein sagt auf die Frage, wie die CDU mit einem solchen Forum umgehen würde, nur: "Das kommt total drauf an. Jeder, der die Grundüberzeugungen und die Werte der CDU teilt und mitarbeiten möchte, ist bei uns herzlich willkommen." Sie widerspricht allerdings der Ansicht, dass das Konservative in der Union zuletzt zu kurz gekommen sei. "Wir haben ja durchaus auch konservative Positionen bei uns. So ist es nicht." Das Thema Sicherheit etwa sei eines der Kernthemen der Union. "Da sind wir sehr klar und auch konservativ, kann man sagen."

Jürgen Matthes jedenfalls hat sich fürs Erste entschieden. Am 7. März erklärte er seinen Austritt aus der Werteunion. Er geht davon aus, dass auch der Großteil der anderen CDU-Mitglieder dies genauso halten wird.

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.03.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von S. Müller, T. Gabriel und T. Schmutzler

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