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Audio: Inforadio | 09.08.2021 | Kirsten Buchmann | Quelle: dpa/Soeren Stache

Gesundheitssenatorin reagiert auf Brandbrief

Kalayci: Fast 30.000 Überstunden für Berliner Corona-Krisenstab

Vor Überlastung des Corona-Krisenstabs in Berlin warnte der Personalrat in einem Brandbrief. Die zuständige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci räumt eine hohe Arbeitsbelastung ein, auf die Kritik am Führungsstil geht sie aber nicht ein. Von Kirsten Buchmann

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat ihren Umgang mit dem Corona-Krisenstab ihrer Verwaltung verteidigt. In einem Brandbrief hatte der Personalrat Mitte Juli die Arbeitsüberlastung der Krisenstab-Beschäftigten und den Führungsstil der Hausleitung kritisiert. Als Konsequenz forderte er unter anderem, den Beschäftigten der Gesundheitsverwaltung müsse es ermöglicht werden, ihre Überstunden abzubauen.

Die Arbeitsbelastung habe sich deutlich erhöht in der Corona-Pandemie, räumte Kalayci am Montag im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses ein. Es gehe um die größte Krise, die Berlin zu bewältigen habe. Keiner sei da überrascht angesichts von Überstunden im Corona-Krisenstab ihrer Verwaltung, argumentiert die Senatorin: "In der Summe haben die Beschäftigten während der Krisenstabsarbeit 29.119 Überstunden aufgebaut. Zurzeit sind 12.007 Stunden davon noch nicht abgegolten."

 

Mögliche Fehler und Geldverschwendung

Landesrechnungshof überprüft Berliner Corona-Krisenmanagement

Erst vor zwei Wochen wurde scharfe Kritik am Corona-Management des Senats öffentlich, Mitarbeiter fühlten sich überarbeitet und im Stich gelassen. Auch vor diesem Hintergrund geht der Landesrechnungshof möglichen Fehlern des Krisenstabs nach.

Hilfe von außen

Zahlenmäßig sei etwas passiert, betonte die Senatorin. Es seien Überstunden abgebaut worden beziehungsweise Mitarbeiter hätten einen finanziellen Ausgleich erhalten. Im Krisenstab arbeiteten zudem auch Externe, etwa Menschen aus anderen Verwaltungen, zur Unterstützung. Die Senatorin rechnet vor: Momentan seien 31 der 74 Mitarbeiter Externe.

Die Kritik an dem Führungsstil der Hausleitung, also auch an ihr, erwähnt Kalayci allerdings nicht - zur Enttäuschung der Opposition. Der CDU-Abgeordnete Tim-Christopher Zeelen ist konsterniert: "Ich hätte mir gewünscht, dass sie heute die Gelegenheit genutzt hätten, auch zu Vorwürfen gegen Ihren persönlichen Führungsstil Stellung zu nehmen." Auch den Mitarbeitern, die ihre Kritik äußerten, hätte er gewünscht, dass von der Senatorin "etwas Selbstreflexion und Selbstkritik" gekommen wäre, so Zeelen.

rbb exklusiv | Corona-Krisenstab Berlin

Personalräte werfen Gesundheitssenatorin Kalayci komplettes Führungsversagen vor

Am Führungsstil von Gesundheitssenatorin Kalayci gab es immer wieder Kritik, das Personal wechselte schnell und häufig - oft im Streit. Nun haben die Personalräte einen Brandbrief verfasst, in dem sie den Zustand ihres Corona-Krisenstabes scharf kritisieren.

"Es geht um Wertschätzung"

Florian Kluckert von der FDP wirft der Senatorin vor, die Kritik der Beschäftigten abzubügeln: "Hier ging es um Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Es war von Wutausbrüchen der Senatorin die Rede." Er hätte daher eine Entschuldigung erwartet, dass man übers Ziel hinausgeschossen sei.

Rückendeckung bekommt Kalayci dagegen aus den Reihen der Koalition. Der SPD-Abgeordnete Lars Düsterhöft greift zwar inhaltlich das Stichwort Selbstkritik auf, allerdings nicht mit Blick auf die Senatorin. Sondern er münzt es auf das Parlament mit seinen ständigen Wünschen nach Zahlen, Daten und Fakten in der Corona-Krise um: "In der Hochphase haben auch wir als Abgeordnete erheblichen Druck auf diese Senatsverwaltung ausgeübt."

Die Grünen-Abgeordnete Catherina Pieroth-Manelli will, dass die Gesundheitssenatorin den Blick nun nach vorne richtet: "Da würde ich gerne wissen, was Sie in den nächsten sechs Wochen im Amt noch gedenken zu tun, damit uns dieser Krisenstab in bestmöglicher Arbeitsweise erhalten bleibt."

Brandbrief aus Corona-Krisenstab

Verdi schließt sich Kritik an Kalayci an

"12.000 Überstunden sind 1.500 Arbeitstage"

Auch Daniela Ortmann vom Hauptpersonalrat verfolgt die politische Diskussion. Aus ihrer Sicht hat sich die Situation im Krisenstab allerdings noch nicht verbessert. Sie wertete die Zahlen anders: "Also, wenn die 12.000 Überstunden sich auf die 43 Leute nur der Gesundheitsverwaltung erstrecken, dann sind das 1.500 Arbeitstage, die sie vor sich herschieben." Von Einzelnen wisse sie, dass sie schon für mehrere Monate Überstunden geleistet hätten und das bisher nicht hätten abbauen können. Das sei gesundheitsschädlich.

Ortmann pocht daher auf Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitszeitverordnungen, bei allem Engagement in 18 Monaten Dauerkrise. Angekündigte Verstärkungen wiederum seien noch nicht komplett an Bord, mahnt Daniela Ortmann. Sie rechnet damit, dass im Corona-Krisenstab zunächst weitere Überstunden aufgebaut werden. "Die, die noch da sind, gehen auf dem Zahnfleisch."

Kalayci: "Gespräche, selbstverständlich ständig“

Was sei seit dem Brandbrief passiert, wird Gesundheitssenatorin Kalayci im Parlamentsausschuss gefragt? "Gespräche, selbstverständlich ständig", lautet ihre Antwort. Es gebe immer wieder Anpassungen, auch in die Zukunft gerichtet. Der Krisenstab sei leistungs- und arbeitsfähig, versichert sie. Die Forderung von Seiten der Beschäftigtenvertretung, ihn aufzulösen, weist sie gleich mehrfach zurück. Die von der Opposition angemahnte Selbstkritik bleibt aus.

Sendung: Radioeins, 09.08.2021, 16 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

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