rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 11.01.2023 | Ismahan Alboga | Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Long Covid in Brandenburg

Teure Rehas, fehlende Ambulanzen

Corona scheint langsam an Bedeutung zu verlieren. Allerdings nimmt die Zahl derjenigen nicht ab, die auch Monate nach der eigentlichen Erkrankung unter massiven Symptomen leiden – genannt: Long Covid. Wird genug für sie getan in Brandenburg? Von Ismahan Alboga und Amelie Ernst

Das Gedächtnis ist das, was Dieter Köhler seit seiner Covid-Erkrankung vor gut zwei Monaten am meisten Probleme macht. Wörter finden, Zahlenreihen wiederholen – das trainiert der 70-Jährige jetzt in der Neurologischen Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten.

Zusammen mit 15 anderen Long Covid-Patient:innen nimmt er an einer Beobachtungsstudie teil. Die soll Klarheit bringen und eine Abgrenzung zu anderen Krankheiten ermöglichen. Im Gegensatz zu anderen Studien gibt es dabei gleich mehrere Kontrollgruppen: Etwa Patient:innen, die auch auf Intensivstationen beatmet wurden, aber keine Covid-Infektion hatten.

Long Covid

Bad Saarower Klinik testet per Studie neue Behandlungsmöglichkeiten

Corona ist und bleibt ein hartnäckiges Thema - vor allem wegen Long Covid. Erschöpfung und Leistungsverlust werden zu Dauersymptomen. Neue Behandlungsmöglichkeiten werden nun in Bad Saarow getestet.

Keine genauen Zahlen über Betroffene

Auch genaue Zahlen, wieviele Menschen deutschlandweit von Long Covid betroffen sind, gebe es bisher nicht, berichtet Tobias Müller, Chefarzt der Klinik für Neurologie in Neuruppin, im Gesundheitsausschuss des Brandenburger Landtags. Mehrere hunderttausend PatientInnen dürften es sein. Dafür wisse man inzwischen einiges über die Symptome. "Denkabläufe sind langsamer, Wörter werden nicht in der gewohnten Geschwindigkeit gefunden, Geschmacksstörungen. Und besonders auch das Erschöpfungssymptom."

Bis zu acht Monate Wartezeit auf Reha-Platz

Immerhin hat Rentner Dieter Köhler nur zwei Monate nach seiner Erkrankung einen Reha-Platz bekommen. Doch das sei eher die Ausnahme, sagt Jördis Frommhold, die Leiterin des neu gegründeten Long Covid-Instituts in Rostock. "Wir sehen häufig Patienten, die monatelang – mitunter sechs Monate, acht Monate, ohne irgendwelche Möglichkeiten der ambulanten Therapie verbleiben und dann irgendwann einer Reha zugewiesen werden. Also eine sehr große Zeitspanne, in der nicht viel passiert."

#Wiegehtesuns? l Die Post-Covid-Patientin

"Es fühlt sich an wie ein Schleier vorm Gehirn"

Michelle kann nicht im Supermarkt einkaufen, nicht arbeiten, keinen Sport machen – seit anderthalb Jahren leidet sie unter dem Post-Covid-Syndrom. Die 31-Jährige hofft, dass sich endlich eine Behandlung findet, die ihr hilft. Ein Gesprächsprotokoll.

Dabei müsse auch die Gesellschaft ein Interesse daran haben, die Betroffenen schnell zu behandeln und zurück in ihr altes Leben zu bringen, so Frommhold. Schließlich seien viele Long Covid-Patient:innen noch recht jung und sowohl arbeitsfähig als auch -willig. "Auch weil wir ja überall einen Fachkräftemangel haben, ist es entscheidend, dass wir diese Menschen wieder ins Berufsleben integrieren und damit nicht monatelang warten."

Viele Anfragen - aber nur zwei Long Covid-Ambulanzen

Doch schon bis zur richtigen Diagnose kann es ein langer Weg sein – auch in Brandenburg. Nur zwei spezielle Long Covid-Ambulanzen gibt es hier, in Treuenbrietzen (Potsdam-Mittelmark) und in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin); dazu die Charité in Berlin. Hier sollte die Politik nachsteuern, meint Martin Spielhagen, der Geschäftsführer der Neurologischen Fachkliniken in Beelitz. "Wir haben hier viele Anfragen in der Post Covid-Ambulanz, die wir nicht adäquat unterbringen, während die fachärztliche Versorgung im Land ja gesichert ist."

Spielhagen gehört zu den Initiatoren des Netzwerks DiReNa: Diagnostik, Rehabilitation und Nachsorge, das sich im April 2022 gegründet hat. Auf der Internet-Plattform des Netzwerks [https://direna.de] wird Covid-Patient:innen Beratung und Betreuung vermittelt. Außerdem wollen die Initiatoren erreichen, dass an vier Standorten in Brandenburg spezielle Anlaufstellen für Long Covid-Betroffene entstehen.

Infobox

Gute Ausstattung und gutes fachliches Personal wird benötigt

Denn fehlende Expertise bei der Diagnose verzögert wiederum die richtige Behandlung und die Überweisung in die passende Reha-Klinik. In diesem Bereich ist Brandenburg insgesamt gut aufgestellt - auch viele Long Covid-Patienten aus anderen Bundesländern würden hier behandelt, sagt Christin Walsh, Verwaltungsdirektorin der GLG Fachklinik Wolletzsee und Sprecherin des Netzwerks "Reha Land Brandenburg".

Doch gerade Long Covid-Patient:innen würden wegen der besonderen Therapien auch viele Kräfte binden. Deshalb müsse man über die Finanzierung reden. "Wir brauchen für die Versorgung dieser Patienten eine gute Ausstattung und gutes fachliches Personal."

95 Millionen Euro für Krankenhäuser

95 Millionen Euro will die Brandenburger Landesregierung den Krankenhäusern in diesem und im nächsten Jahr zusätzlich zur Verfügung stellen. Reha-Kliniken sollen davon allerdings nicht profitieren. Das müsse die Kenia-Koalition ändern, fordert die Linke im Landtag. Von den Reha-Möglichkeiten, aber auch von Spezial-Ambulanzen und anderen Beratungsangeboten wird abhängen, wie schnell Betroffene wie Dieter Köhler wieder zurück ins Leben finden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 11.01.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Ismahan Alboga und Amelie Ernst

Artikel im mobilen Angebot lesen