Hertha-Neuzugang Ivan Sunjic - Ein möglicherweise entscheidendes Puzzle-Stück

Do 14.07.22 | 06:04 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Hertha-Neuzugang Ivan Sunjic. / imago images/Matthias Koch
Bild: imago images/Matthias Koch

Von den bisherigen Transfers von Hertha BSC scheint Ivan Sunjic die größte Unbekannte zu sein. Der Wechsel verpuffte ohne große Aufmerksamkeit. Dabei hat er das Potenzial, ein wichtiges Zahnrad zu werden. Von Marc Schwitzky

Am Nachmittag des 5. Juli verkündete Fußball-Bundesligist Hertha BSC den Transfer von Ivan Sunjic. Der Kroate wird zunächst für ein Jahr vom englischen Zweitligisten Birmingham City ausgeliehen, anschließend kann ihn der Hauptstadt-Klub per Option fest verpflichten.

Die Meldung kam nahezu aus dem Nichts, Medien hatten erst wenige Stunden vor der offiziellen Verkündung Wind davon bekommen. Und so plötzlich Sunjic vorgestellt wurde, so schnell verpuffte die Aufmerksamkeit wieder.

Zu wenig wusste die Allgemeinheit über ihn: 25 Jahre alt, Kroate, defensiver Mittelfeldspieler, zuletzt für drei Jahre in der englischen Championship gespielt - die Grunddaten regten noch nicht zu großer Fantasie an. Dabei handelt es bei Sunjic um einen spannenden Spieler, der womöglich nur wieder das richtige Umfeld und Spielsystem braucht, um aufblühen zu können.

In Zagreb zum Nationalspieler gereift

Fußballerisch ausgebildet wurde Sunjic für ein paar Jahre in der Akademie von Dinamo Zagreb - einer herausragenden Fußballschule, die zahllose kroatische Nationalspieler und Weltstars hervorgebracht. Mit Luka Modric, Mateo Kovacic, Andrej Kramaric oder Josko Gvardiol sind nur ein paar Eigengewächse auszugsweise zu nennen.

In die Fußstapfen der eben Genannten konnte Sunjic nicht treten, er musste einen Umweg nehmen, um sich bei den Dinamo-Profis durchzusetzen. 2015 wurde Sunjic zunächst an Ligakonkurrent NK Lokomotiva Zagreb abgegeben, um dort Erfahrung auf Erstliga-Niveau zu erhalten. Der Plan ging voll auf: In seinen zweieinhalb Jahren bei Lokomotiva avancierte der damals so junge Sechser auf Anhieb zum Leistungsträger und später sogar zum Kapitän.

In der Spielzeit 2017/18 überzeugte Sunjic so sehr, dass er im Mai 2017 erstmals für die kroatische A-Nationalmannschaft auflief und am Ende der Saison von Dinamo zurückgeholt wurde. Auch in der darauffolgenden Saison konnte Sunjic überzeugen. Mit der nun gesammelten Profi-Erfahrung wurde er bei Dinamo zur Stammkraft, in der Europa League durfte sich nun auch erstmals auf internationaler Bühne präsentieren.

Im 4-2-3-1 oder 4-3-3 von Trainer Nenad Bjelica konnte er seine Qualitäten als Abräumer und unermüdlicher Arbeiter bestens einbringen. Zagreb wurde in dieser Saison kroatischer Meister und kam in der Europa League immerhin ins Achtelfinale.

Der Wechsel nach Birmingham - ein Fehler?

Sunjic nutzte seine starke Saison, um Zagreb nur ein Jahr nach seiner Rückkehr wieder zu verlassen. Im Sommer schloss sich der mittlerweile 22-Jährige für acht Millionen Euro dem englischen Zweitligisten Birmingham City an. Der Traditionsverein hatte ein schwaches Jahr hinter sich, mit neuem Trainer und insgesamt 45 Kaderbewegungen sollte der Umbruch gelingen - mit Sunjic als einem der Schlüsselspieler.

In den drei Jahren, in denen Sunjic in Birmingham spielte, veränderte sich jedoch nichts zum Guten. Platz 20, 18 und 20 waren die jeweiligen Endplatzierungen der "Blues", die damit jeweils knapp am Abstieg in die Drittklassigkeit vorbeischrammten.

Positiv ließ sich für Sunjic festhalten, dass er in all diesen Spielzeiten unabdingbarer Stammspieler war, in nur drei Jahren kam er auf 124 Liga-Einsätze, was für seine Konstanz und einen gesunden Körper spricht. "Es war eine harte Liga in England, 46 Spiele und zwei Pokalwettbewerbe", sagte er in einer Medienrunde.

Spielerisch aber waren es verlorene Jahre für den Kroaten. Im Fußball Birminghams, der von Abstiegskampf und fünf unterschiedlichen Trainern in drei Jahren geprägt war, konnte Sunjic seine Stärken kaum bis gar nicht einbringen. Ein Balleroberer ist schließlich nur so gut, wie das, was seine Mitspieler mit eben jenen Bällen anzufangen wissen. So schien er bei den Vereinsanhängern keine große Wertschätzung zu genießen, was sicherlich mit der hohen Ablösesumme verbunden war, die der Klub damals für ihn zahlte.

Der direkte Ascacibar-Nachfolger?

Doch was ist das Spielerprofil Sunjics? Wo liegen seine Stärken und Schwächen? Einen Hinweis darauf könnte bereits der Spitzname geben, der ihm von einem damaligen Team-Kollegen aus Birmingham verliehen wurde. Dort wurde Sunjic "der Zerstörer" genannt. "Ich habe nichts dagegen, ich finde es lustig", kommentiert er seinen Spitznamen, der vorwegnimmt, wo seine Qualitäten liegen: vor allem im Spiel gegen den Ball.

Am wohlsten fühlt sich Sunjic in einem 4-2-3-1 oder 4-3-3 neben oder hinter spielstarken Team-Kollegen. Mit seiner Laufstärke, robusten Physis und einem intelligenten Raumgefühl kann Sunjic viel Spielfläche abdecken und seinen Nebenleuten den Rücken freihalten. Er ist ein unermüdlicher und selbstloser Arbeiter, jemand, der darin glänzt, andere glänzen zu lassen.

Trotz seiner 1,85 Meter ist der Kroate recht schnell unterwegs, behäbig wirkt er trotz seines robusten Körperbaus nicht. Sunjic gilt als absoluter Mentalitätsspieler, der über 90 Minuten alles gibt und kämpferisch vorangeht. Trainer Sandro Schwarz hofft, "dass Ivan seine Laufstärke und Aggressivität auf der Sechserposition im Vorwärtsverteidigen und in Eins-gegen-eins-Duellen komplett einbringt."

Mit seinen Fähigkeiten ist Sunjic der ideale Nachfolger von Santiago Ascacibar. Der Argentinier ist zwar mit in das zweite Trainingslager von Hertha gereist, es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass er den Verein verlassen will. Bei einem finanziell passenden Angebot wird ihm Geschäftsführer Fredi Bobic keine Steine in den Weg legen. Ascacibar und Sunjic nehmen sich in ihrer Spielweise nur wenig, sie haben zudem ähnliche Werte vorzuweisen.

Sunjic steht für Herthas neuen Transferweg

Sunjic scheint nicht nur als Vorgriff auf einen wahrscheinlichen Ascacibar-Abgang ein cleverer Transfer zu sein - er passt auch zur neuen Transferstrategie der "alten Dame". Kurz und knapp: Hertha muss sparen, auch in diesem Sommer wird ein Transfer-Plus von knapp 20 Millionen Euro zu erwirtschaften sein. Mit Ascacibar würde zum einen eine recht hohe Ablösesumme generiert werden, zum anderen spart der Klub sein immenses Gehalt ein. Sunjic wird in beiden Kategorien deutlich günstiger sein und Hertha somit finanziell entlasten.

Waren es in den vergangenen Jahren oftmals Spieler mit größeren Namen und Ablösesummen, die es nach Berlin zog, schlägt der Hauptstadt-Klub nun leisere Töne an. Sunjic mag kein spektakulärer Transfer sein, doch wie schon ein Jonjoe Kenny oder Filip Uremovic passt er bestens in das System von Trainer Sandro Schwarz. Somit wird weiter eine einheitliche Idee für den Kader verfolgt - ein Umstand, der in den vergangenen Jahren kaum herrschte und der eben jenen unausgewogenen Kader zur Folge hatte, den Bobic nun so verzweifelt umstrukturieren muss.

Sunjic als kleines funktionierendes Zahnrad im System Schwarz könnte somit deutlich mehr wert sein als teurere Spieler mit größerem Potenzial, das angesichts keines klaren sportlichen Konzepts jedoch ungenutzt bleibt. Mit Dodi Lukebakio oder Krzysztof Piatek gibt es dahingehend genug abschreckende Beispiele. Nun sollen andere Zeiten bei Hertha anbrechen.

Beitrag von Marc Schwitzky

3 Kommentare

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  1. 3.

    „Im Fußball Birminghams, der von Abstiegskampf und fünf unterschiedlichen Trainern in drei Jahren geprägt war, konnte Sunjic seine Stärken kaum bis gar nicht einbringen.“ und ich hätte gedacht, gerade da hat ein Abräumer viel zu tun. So kann man sich irren.

  2. 2.

    Willkommen in Berlin

  3. 1.

    Zitat aus dem Bericht:
    Spielerisch aber waren es verlorene Jahre für den Kroaten. Im Fußball Birminghams, der von Abstiegskampf und fünf unterschiedlichen Trainern in drei Jahren geprägt war, konnte Sunjic seine Stärken kaum bis gar nicht einbringen.

    Schade für ihn. Wird sich wohl bei Hertha fortsetzen….

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