Eisbären-Mentaltrainer Markus Flemming - Gegen den Druck

Fr 18.11.22 | 08:28 Uhr
Eisbären Teampsychologe Markus Flemming. (Bild: rbb)
Video: rbbUM6 | 18.11.2022 | Simon Wenzel | Bild: rbb

Markus Flemming ist seit 16 Jahren der Teampsychologe bei den Eisbären Berlin. Seine Aufgabe: Den Spielern zuhören und ihnen die Lockerheit zurückgeben – trotz der sportlichen Talfahrt.

Die Eisbären Berlin stecken in einer sportlichen Krise. Nach 18 Spielen in der Deutschen Eishockey-Liga steht die Mannschaft auf einem enttäuschenden 13. Platz. Zu wenig für die ehrgeizigen Ambitionen eines amtierenden Deutschen Meisters, der vor Saisonbeginn noch zum absoluten Favoritenkreis gezählt wurde. Die Qualität des Kaders scheint unbestritten, doch die Eisbären kommen nach ihrem Fehlstart einfach nicht aus dem Tabellenkeller. Reine Kopfsache also?

Besonnenheit statt Aktionismus

Für die mentale Fitness ist bei den Eisbären Teampsychologe Markus Flemming zuständig. Der 54-jährige Diplom-Psychologe und ehemalige Eishockey-Profi ist bereits seit 16 Jahren in dieser Funktion für die Eisbären tätig. Markus Flemming ist bei jedem Training dabei, sitzt auf der Tribüne oder steht an der Bande. Er begrüßt jeden Spieler mit einem kleinen Spruch oder zumindest mit einem Lächeln, reißt hier und da einen Witz und bringt bereits vor Trainingsbeginn Lockerheit ins Team.

Trotz der sportlichen Talfahrt sei die Stimmung im Team nach wie vor gut, sagt Flemming: "Es ist auch besonders, wie der Verein in dieser aktuellen Lage reagiert", sagt der 54-Jährige im rbb-Interview. Trainer Serge Aubin genießt nach wie vor das Vertrauen der Verantwortlichen, die bislang eher besonnen auf die Situation reagieren. Schnellschüsse und übertriebener Aktionismus – wie bei so manchen Vereinen in der Fußball-Bundesliga – sind den Eisbären fremd.

Einige Spieler nutzen es intensiv

Aber werden Flemmings Dienste in der angespannten sportlichen Situation häufiger als sonst von den Spielern nachgefragt? "Es ist eine große Akzeptanz da", erzählt Flemming. Er spüre das auch in der Kabine. "Aber es ist jetzt auch nicht so, dass mir alle die Bude einrennen. Das sind alles gestandene Profis und die wissen damit umzugehen. Ich habe so eine Handvoll Spieler, die das intensiver nutzen", so der Mentalcoach.

Vita Markus Flemming

Der Eisbären-Mentalcoach Markus Flemming im Interview mit dem rbb(Bild: rbb)
rbb
  • - Geburtsdatum: 08.03.1968
  • - Geburtsort: München
  • - Bei den Eisbären seit 2007
  • - Bisherige Klubs als Spieler: EV Duisburg, Adler Mannheim, Frankfurter ESC, EC Hannover, Düsseldorfer EG, EHC Freiburg, EC Bad Nauheim
  • - Stationen als Mentaltrainer: Eisbären Berlin, Baskteball-Nationalmannschaft

Ein Spieler, der Flemmings Angebot nutzt, ist der junge Eisbären-Stürmer Manuel Wiederer. Für den 21-Jährigen sei die mentale Fitness sehr wichtig. Der "Flemmer", wie er seinen Teampsychologen freundschaftlich nennt, helfe ihm dabei, besser zu werden, "und jeder sollte das nutzen", sagt der gebürtige Deggendorfer. Die Gespräche seien dabei sehr individuell. Flemming selbst geht eher pro-aktiv auf die Spieler zu und bietet Einzelgespräche an, die dann in seinem kleinen Büro in der Halle stattfinden. Aber: "Es ist keine Pflicht", sagt er.

Mit Liebe und Leidenschaft zur Topleistung

Dass die Situation aufgrund des anhaltenden Misserfolgs psychologisch gesehen eine andere ist als die zuvor erfolgreichen vergangenen zwei Jahre, dessen ist sich der Sportpsychologe der Eisbären natürlich bewusst. Sein Credo deshalb: Druck rausnehmen. "Je mehr wir an die Konsequenzen denken, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir verkrampfen", sagt Flemming. Dies sei zwar gut, wenn es tatsächlich mal "um Leben und Tod gehen sollte", weil dann würde der Mensch bewusst Fehler vermeiden und sich beispielsweise verstecken, meint er. "Aber im Spiel müssen wir das immer ein Stück weit ausschalten."

Markus Flemming weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, dass "Vermeidung nicht zum schnellen und dynamischen Eishockey-Spiel passen". Schließlich hat er jahrelang als Eishockey-Torwart in der 1. und 2. Bundesliga gespielt, unter anderem für die Adler Mannheim. Ein Satz des Mentaltrainers der Eisbären Berlin bleibt auch deshalb besonders haften: "Bei aller Gewichtung, man muss das Spiel sehen, die Leidenschaft, die Liebe, desto größer ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass man die Topleistung herauskitzelt."

Bei aller Gewichtung, man muss das Spiel sehen, die Leidenschaft, die Liebe, desto größer ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass man die Topleistung herauskitzelt.

Markus Flemming, Teampsychologe Eisbären Berlin

Der Trainer betont das Positive

Für dieses Herauskitzeln ist neben Markus Flemming natürlich Eisbären-Trainer Serge Aubin zuständig. Der will trotz des Negativlaufs auch auf das Positive den Fokus legen. "Wir hatten eine großartige Trainingswoche. Ich habe bereits eine ganz andere Art von Energie gesehen", sagte Aubin am Donnerstag mit Blick auf das Heimspiel in der Arena am Ostbahnhof gegen die Iserlohn Roosters am Freitagabend (19:30 Uhr).

Dann könnte auch endlich Neuzugang Brendan Guhle die zuletzt oft wacklige Defensive verstärken. Der 25 Jahre alte Verteidiger hatte gleich bei seinem ersten Einsatz in der Champions Hockey League (CHL) eine Gehirnerschütterung erlitten. Seit ein paar Tagen trainiert der Kanadier nun wieder mit der Mannschaft und steht kurz vor seinem DEL-Debüt.

Sendung: rbbUM6, 18.11.2022, 18 Uhr

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