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Analyse | Der neue "Hertha-Weg"

Deshalb sollte Hertha mit Schwarz notfalls auch in die zweite Liga gehen

Fredi Bobic musste gehen, Sandro Schwarz durfte bleiben. Hertha BSC möchte einen neuen Weg gehen – um diesen glaubhaft zu leben, ist der Umgang mit der Trainerpersonalie entscheidend. Eine Analyse von Marc Schwitzky

"Ich war vor allem überrascht, wie das zustande gekommen ist und was den Zeitpunkt betrifft", sagte Sandro Schwarz über das Aus von Geschäftsführer Sport Fredi Bobic bei Hertha BSC. Gleichzeitig betonte Herthas Trainer: "Aber ich sage immer wieder: Das Wichtigste ist der Verein, der solche Grundsatzentscheidungen trifft."

"Grundsatzentscheidung" ist die passende Beschreibung für das, was bei Hertha BSC in den vergangenen Tagen passiert ist. Der Verein hat sich nach eineinhalb Jahren von Bobic getrennt und mit Benjamin Weber und Andreas "Zecke" Neuendorf direkt eine Nachfolgelösung präsentiert, die eine deutlich andere Geschmacksrichtung darstellt. Weber und Neuendorf stünden für den "Hertha-Weg", erklärte Präsident Kay Bernstein. "Es ist ein mutiger Weg", sagte Bernstein. "Die meisten von euch haben sicher damit gerechnet, dass Horst Heldt hier sitzt, dass Andreas Rettig hier sitzt." Die Verantwortlichen seien jedoch von dem Weg überzeugt, der von wirtschaftlicher Konsolidierung und dem verstärkten Fokus auf die Jugendakademie leben soll.

Und dieser Weg soll zusammen mit Sandro Schwarz gelingen.

Analyse | Bobic-Aus bei Hertha

So plötzlich wie absehbar

Der von Fredi Bobic eingeschlagene Weg wollte bei Hertha BSC in eineinhalb Jahren nie aufgehen. Nun hat der Klub die Reißleine gezogen. So nachvollziehbar die Trennung von Bobic ist, so unklar ist die Richtung des erneuten Kurswechsels. Von Marc Schwitzky

Schwarz genießt trotz der Krise großes Vertrauen

Es ist eine außerordentliche Situation, in der sich Schwarz befindet: Sehr selten passiert es, dass der Trainer den Manager überdauert, besonders, wenn jener Manager ihn eingestellt hat. Grund dafür ist, dass – so betonte es Bernstein ausdrücklich – Schwarz die "hundertprozentige Rückendeckung" der Gremien besitzt. Intern wird sein Arbeitseifer, der persönliche Umgang und seine Kommunikation nach außen sehr geschätzt. Auch dass die Mannschaft unter dem 44-Jährigen vor der WM-Pause teils starke Spiele und damit eine klare sportliche Steigerung im Vergleich zu den letzten Jahren zeigte, stimmt weiter positiv.

Und doch muss festgehalten werden: Nach über einem halben Jahr, zwei Vorbereitungen und 18 Spieltagen steht Hertha mit 14 Punkten und Tabellenrang 17 sportlich einmal mehr miserabel da. Die Erkenntnisse über das Leistungsniveau der Blau-Weißen verfestigen sich immer mehr. In allen Mannschaftsteilen bleiben die Defizite dieselben. Unzulänglichkeiten wie Defensivpatzer, schwach verteidigte Standards, mangelnde Präzision im Aufbau- und Angriffsspiel, ein in der Luft hängender Mittelstürmer haben sich nach all der Zeit nicht verbessert.

Ein Koch mit stumpfen Messern

Dabei steht weniger Trainer Schwarz im Fokus als vielmehr die Qualität seiner Spieler. Nach Jahren des sportlichen wie wirtschaftlichen Verfalls und der diffusen Kaderplanung ist Herthas Aufgebot auch 2022/23 weiter eine Baustelle. Bobic musste auch wegen seiner verfehlten Transferpolitik gehen, Schwarz wurde wie seinen Vorgängern ein mangelhafter Kader zur Verfügung gestellt.

Hertha-Trainer Sandro Schwarz

"Klar, alles in allem war es eine beschissene Woche"

Es liegen turbulente Tage hinter Fußball-Bundesligist Hertha BSC um Trainer Sandro Schwarz. Am Dienstag berichtete Schwarz in einer Medienrunde von einer "beschissenen Woche", ließ das Bobic-Aus Revue passieren und skizzierte einen Weg aus der Krise.

In einer großen Vielzahl der Partien sind Philosophie und Abläufe, die Schwarz implementiert hat, deutlich erkennbar. Hertha bringt sich erst in aussichtsreiche Kontersituationen, hohe Ballgewinne und gute Torchancen, weil der Trainer die dafür benötigten Werkzeuge entwickelt hat. Ob der Zweikampf clever geführt, der Pass sauber gespielt oder der Schuss platziert gesetzt wird, liegt nicht mehr in der Hand von Schwarz. Er ist wie ein Koch, der mit stumpfen Messern arbeiten muss und dem das ein oder andere Gewürz fehlt: Die Arbeitsschritte dauern merklich länger und manch Gericht kann gar nicht gelingen.

Schwarz bringt die richtigen Eigenschaften mit

Die Personalien Weber und Neuendorf haben gleich zwei Dinge über Hertha verraten beziehungsweise noch einmal verdeutlicht: Zum einen, dass wirtschaftlich "unglaublich Druck auf dem Kessel" sei, wie es Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Brüggemann ausdrückte. Zum anderen bereitet sich der Verein zweigleisig auf einen etwaigen Gang in die zweite Liga vor, denn Weber und Neuendorf würden zweifelsohne auch bei einem Abstieg im Amt bleiben und den "Hertha-Weg" weitergehen. Die Frage ist, ob jener Gang auch mit Schwarz funktionieren könnte.

Bernstein hat zwei benötigte Eigenschaften für die im Verein handelnden Personen festgelegt: Dass sie für ihre Aufgabe "brennen" und dass sie den Weg überzeugt mitgehen, mit Eigengewächsen zu arbeiten. Beide Kriterien treffen zweifelsfrei auf Schwarz zu. Er gilt als exzellenter Jugendförderer. In Mainz sind Talente wie Ridle Baku, Jonathan Burkardt, Leandro Barreiro, Florian Müller oder Robin Zentner unter ihm debütiert und große Entwicklungsschritte gegangen. Dasselbe ist ihm auch in Moskau gelungen. Eigengewächse zu halten und zu entwickeln, wird nur möglich sein, wenn Hertha endlich Kontinuität auf der Trainerposition schafft – etwas, das die Berliner seit der ersten Amtszeit von Pal Dardai nicht mehr hatten.

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Wie ernst Hertha den neuen Weg nimmt, zeigt sich an der Trainerpersonalie

Wenn Hertha einen neuen Weg gehen will, braucht es über kurzfristige Ergebnisse hinaus Vertrauen in das eigene Personal – das könnte beinhalten, notfalls auch mit Schwarz in die zweite Liga zu gehen. Gleichzeitig greifen aber auch realpolitische Mechanismen des Fußballs: der Nicht-Abstieg hat höchste Priorität. Es wird ein schmaler Grad für die Vereinsführung, den Klassenerhalt und die langfristige Vision gleichberechtigt im Blick zu behalten. Klar ist: Der nächste Feuerwehrmann wie Felix Magath oder Friedhelm Funkel kann nicht die Antwort sein, da Hertha so niemals aus dem Hamsterrad ausbrechen wird.

Wie ernst es die "alte Dame" mit dem neuen Weg meint, wird sich auch an der Trainerpersonalie festmachen. Sollte die Mannschaft in der Rückrunde Einsatz, Leidenschaft und spielerischen Fortschritt erkennen lassen, dann muss Sandro Schwarz im Amt bleiben – ligaunabhängig. Denn bei der aktuellen Kaderqualität muss ein Abstieg schon beinahe eingepreist sein, ohne dass der Trainer monokausal als Hauptschuldiger ausgemacht wird.

Sendung: rbb24, 02.02.2023, 18:15 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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