Interview | Doping-Expertin über Asthmasprays - "Wenn ich es zur Leistungssteigerung einnehme, ist es Betrug"

Mi 22.02.23 | 20:05 Uhr
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Doping Symbolbild (Quelle: IMAGO / Wolter)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.02.2023 | Bettina Malter | Bild: IMAGO / Wolter

Laut einer Studie könnten Asthmasprays im Sport zur Leistungssteigerung führen. Die Berliner Doping-Expertin Maria Kristina Parr, die an der Untersuchung mitwirkte, warnt vor einer Unterschätzung dieser Medikamente.

rbb|24: Sie haben an einer Studie mitgewirkt, die demnächst veröffentlicht werden soll. Darin geht es um die Auswirkungen von Asthma-Medikamenten auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Was genau haben Sie da untersucht?

Maria Kristina Parr: Die gesamte Studie bezog sich darauf, dass wir erlaubte Dosierungen von Beta-2-Sympathomimetika verabreicht haben und dann in einem speziellen Leistungstest die radsportliche Leistungsfähigkeit untersucht haben. Der sportmedizinische Teil ist an der Uniklinik in Ulm durchgeführt worden und wir haben den analytischen Beitrag geleistet. Wir haben uns angesehen, welche Spiegel von den jeweiligen Arzneistoffen denn tatsächlich im Körper messbar sind und wie es wäre, wenn jetzt eine Dopingkontrollprobe genommen würde, welche Konzentrationen sichtbar würde.

Zur Person

Prof. Dr. Maria Kristina Parr (Quelle: Bernhard Wuest)
Bernhard Wuest

Dr. Maria Kristina Parr ist Professorin für pharmazeutische Analytik an der Freien Universität Berlin. Sie promovierte am Institut für Biochemie an der Sporthochschule Köln und ist seitdem im Anti-Doping-Bereich tätig. Diese führt sie jetzt in Kooperation mit Doping-Kontrolllaboren weiter.

Wie war die Studie aufgebaut?

Es gab vier Gruppen. Es gab eine Gruppe, die ein Schein-Medikament bekommen haben. Eine andere Gruppe hat eines der Arzneistoffe bekommen, nämlich Salbutamol. Die dritte Gruppe hat ein anderes Medikament bekommen, Formoterol. Das sind beides Beta-2-Agonisten, die in therapeutischer Dosierung auch im Sport zugelassen sind. Da gibt es eine Sonderregelung, dass den Sportlern die Verwendung bis zu einer gewissen Menge als therapeutisch notwendig zugestanden wird. Die vierte Gruppe hat beides bekommen, Salbutamol und Formoterol, jeweils in der zulässigen Dosierung. Danach wurden alle durchgetauscht, sodass am Ende der Studie, jeder Proband jeweils ein Mal in allen vier Gruppen war - ohne zu wissen, zu welchem Zeitpunkt er in welcher Gruppe war. Auch die Untersuchenden und auch wir, die danach die Analytik gemacht haben, wussten nicht, wer zu welchem Zeitpunkt was bekommen hat. Das wurde erst aufgeschlüsselt, nachdem die Ergebnisse vorlagen.

Wie war der Ablauf und welche Ergebnisse hat die Studie gezeigt?

Der Test heißt Time-Trial. Das ist ein Fahrrad-Ergometer-Test unter streng vorgegebenen Bedingungen. In zehn Minuten auf dem Fahrrad muss so viel Leistung wie möglich erbracht werden. Danach wird geprüft, ob mit einem Medikament eine höhere Leistung erzielt wurde als mit dem Schein-Medikament. Zwischen den Gruppen gab es beim Time-Trial keine signifikanten Unterschiede. Wir haben aber nach dem Test zusätzlich die Lungenfunktion getestet. Dabei konnten wir durchaus Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen. Diejenigen, die echte Medikamente bekommen haben, hatten statistisch signifikant bessere Lungenfunktionswerte.

Welche Schlüsse muss man aus den Ergebnissen ziehen?

Einerseits führt die verbesserte Atmung zu verbesserten Lungenfunktionswerten, andererseits ist eine höhere Herzleistung feststellbar. Wir gehen davon aus, dass - wenn man eine bisschen andere sportliche Belastung hat, beispielsweise ein längeres Radrennen - aufgrund der besseren Atemleistung dem Körper auch mehr Sauerstoff zugeführt werden kann und damit die Energiereserven besser abgerufen und umgesetzt werden können. Das führt letztendlich zur Erhöhung der sportlichen Leistung. Wir wissen es nicht, aber aufgrund der festgestellten physiologischen Werte würden wir diesen Effekt bei längerer Belastung erwarten.

In welchen Sportarten beobachten Sie besonders häufig den Einsatz von Asthmaspray?

Es gibt natürlich Sportarten, bei denen die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Asthma zu haben, größer ist, als bei anderen. Das sind insbesondere Sportarten, die in der Kälte stattfinden oder beispielsweise Schwimmen. Sportarten, in denen eine besondere Reizung der Bronchien erzeugt wird und damit auch eine größere Asthma-Neigung. Gerade bei Wintersportlern sehen wir einen höheren Einsatz von Asthma-Medikamenten. Wahrscheinlich, weil es therapeutisch sinnvoll ist. Was allerdings nicht heißen soll, dass das immer der Fall ist.

Welche Regeln bezüglich Asthmasprays gibt es?

Der Hintergrund der Regeln ist natürlich, dass jeder Sportler die Medikamente so nutzt, wie sie therapeutisch sinnvoll sind. Da das aber so häufig aufgetreten ist, gibt es die Regelung, dass ein therapeutisch begründeter Einsatz bis zu einem gewissen Wert für vier Asthma-Medikamente erlaubt ist. Es gibt allerdings andere Wirkstoffe gleicher Klasse, für die es diese Grenzwerte nicht gibt. Diese sind immer verboten. Es sei denn, man hat eine therapeutische Ausnahmegenehmigung. Das muss dann allerdings zusätzlich medizinisch begründet werden.

Sie kennen sicher den berühmten Spruch: Nichts was wirkt, hat keine Nebenwirkungen.

Prof. Dr. Maria Kristina Parr

Gibt es auch Risiken, wenn man als gesunder Mensch Asthmaspray verwendet?

Sie kennen sicher den berühmten Spruch: Nichts was wirkt, hat keine Nebenwirkungen. Das größte Problem bei den Beta-2-Sympathomimetika ist, dass sie nicht zu 100 Prozent selektiv [nur den gewünschten Effekt erzielend, Anm.d.Red.] sind. Das führt dazu, dass sie sich auch auf andere Rezeptoren, insbesondere den Herzmuskel, auswirken und dadurch unerwünschte Reaktionen auslösen können. Mir scheint bei der Verwendung von Asthma-Medikamenten das Risiko unterschätzt zu werden. Wenn ich es für eine Leistungssteigerung einnehme, ist das kein therapeutischer Nutzen, sondern sportlicher Betrug.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat die Studie finanziert, interpretiert die Ergebnisse aber zurückhaltender und will an den aktuellen Grenzwerten festhalten. Was denken Sie darüber angesichts Ihrer Ergebnisse?

Da bin ich zwiegespalten. Mir ist klar, dass wir Sportlern wichtige therapeutische Medikationen nicht vorenthalten können. Ich finde es ein bisschen unglücklich, wie die Regelungen sind. Dass die Grenzen festgelegt werden, ohne Details zu ergänzen. Zumal ich denke, dass es in den allermeisten Fällen zumindest Wirkstoff-Alternativen gibt, bei denen wir davon ausgehen, dass keine Leistungssteigerung zu erwarten wäre. Es gibt mittlerweile einfach andere Wirkstoffklassen, die man einem Asthmatiker empfehlen kann. Die müssen diese Asthmasprays zumindest vielleicht nicht alle nehmen. Wer die Asthma-Medikamente braucht, soll sie natürlich trotzdem weiterhin einnehmen können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lisa Surkamp-Erler, rbb Sport.

8 Kommentare

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  1. 8.

    Wo fängt denn der Betrug an ? Wenn sich einer besser ernähren kann und einen guten Trainer hat, den sich der Konkurrent nicht leisten kann ? Wenn einer mit einer gebrochenen Hand Weltmeister wird, weil er sehr gute Schmerzmittel hat ? Es ist und bleibt eine zutiefst verlogene Debatte.

  2. 7.

    Eigentlich eine gute Idee, das ganze Anti-Doping abzuschaffen und alles freigeben. Jeder wie er will und mit eigenem Risiko. Wer einen guten Arzt und genügend Geld hat, kann relativ problemlos dopen. Wer kein Geld hat, ist der Dumme. Das fängt schon beim Training an und den Möglichkeiten an. Von Gleichen Chancen keine Rede.
    Ansinsten helfen die Verbände oder ein Depp aus dem Labor, der die Ampullen aus Versehen kaputt gemacht hat. Mir persönlich ist es egal, wie jemand zu seiner Leistung kommt und ob er Spätschäden davon trägt. Deutsche Athleten sind relativ sauber und werden bis zum Abwinken getestet und überwacht. Dafür müssen sie hinterlaufen....aber weningstens ehrlich !!

  3. 6.

    Der Unterschied ist aber, dass es bei sportlichen Wettkämpfen um das reine Messen von Leistung bei ansonsten vergleichbaren Bedingungen geht. Somit ist es Betrug, wenn jemand nach anderen, leichteren "Regeln" spielt.
    Wenn du früh deinen Körper nicht in die Gänge bringst ist das dein privates Ding. Niemand bezahlt dich auf Arbeit für Höchstleistung, sondern dafür, dass du deinem AG deine Zeit und dein Können für eine bestimmte Dauer zur Verfügung stellst. Betrug wäre es, wenn du vorgibst anwesend zu sein, es aber nicht bist.

  4. 5.

    Die Frage ist doch: Wer hat den Vorteil von dem "Betrug"

    Andererseits könnte man auch mal die ganzen Anti-Doping-Regeln fallen lassen. Dann würden wir erfahren, was Menschen WIRKLICH leisten können.

    Dass dabei Leute aus Gier gesundheitlich ruiniert oder getötet werden - das ist ja jetzt nicht so was Ungewöhnliches...

  5. 4.

    Jeder der morgens nur mit Kaffee oder einer Zigarette in die Gänge kommt, oder sich noch mit Schmerztabletten vollgedröhnt zur Arbeit schleppt, um seine Leistung zu erbringen ist auch gedopt und müsste wegen Betrug entlassen werden. Eigentlich ist die ganze Debatte furchtbar verlogen.

  6. 3.

    Ich möchte nicht wissen, welche Unsummen die Pharmaindustrie mit "therapeutischen" Mitteln beim Sport so umsetzt. Wenn es der Gesundung nach Verletzungen dient - ok - wie bei jedem Anderen auch. Jedoch sollte spätestens bei Wettkämpfen ein "Reinheitsgebot" absolut gelten.

  7. 2.

    Jeder, der regelmäßig Asthmamedikamente nimmt, hätte Ihnen erklären können, wie diese Medikamente pushen.

  8. 1.

    Sehr beliebt in einem nördlichen Land mit N... Manche glauben ja immer noch, dass "Leistungen vom anderen Stern" allein mit Müsli und Training erreicht werden.

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