Vor dem Saison-Endspurt - Darauf wird es für den 1. FC Union im Kampf um die Champions-League-Plätze ankommen

Di 21.03.23 | 11:25 Uhr | Von Till Oppermann
  4
Die Spieler des 1. FC Union jubeln (Quelle: IMAGO/Nordphoto)
Bild: IMAGO/Nordphoto

Der Sieg gegen Frankfurt zeigt auf, was Union braucht, um sich in den Champions-League-Rängen zu halten. Besseres Kombinationsspiel und Stürmertore könnten den herausragenden Torwart und die psychische Fitness ergänzen. Von Till Oppermann

Ein besseres Kompliment hätte Frankfurt-Trainer Oliver Glasner dem 1. FC Union nicht machen können: "Das hat gar nichts mit Fußball zu tun", schimpfte er nach der Niederlage seines Teams im Stadion An der Alten Försterei über das Tor von Kevin Behrens, der den 2:0-Endstand erzielte. Union habe gezeigt, wie man gewinnen könne, auch ohne eine Torchance herauszuspielen, sagte Glasner. Und überhaupt seien seine Frankfurter das bessere Team gewesen.

Diese Worte zeigen, dass Urs Fischers Team, drei Tage nachdem Union höchst un-unionig als heillos unterlegene Mannschaft aus der Europa League geflogen war, zurück zu seinen Stärken gefunden hat. So werden die Berliner auch in den kommenden Wochen nicht einbrechen.

Psychische Fitness

Gegen Frankfurt hat Union ein Spiel gewonnen, das die Mannschaft so ähnlich schon häufig in dieser Saison gespielt hat. Mit wenig Ballbesitz und den schlechteren Chancen, aber Effizienz und hoher Laufleistung und Intensität. Natürlich habe man hier und da ein wenig Spielglück gehabt, räumte Fischer ein, "aber auch das muss man sich erarbeiten".

Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Nach dem enttäuschenden 0:3 in Brüssel und den kräftezehrenden englischen Wochen war der Sieg nicht selbstverständlich, aber die Spieler gingen einmal mehr bis an ihre körperlichen Grenzen und darüber hinaus. Das ist nur mit einer besonderen Mentalität möglich, aber noch viel mehr - und das sollte man nicht unterschätzen - Ergebnis der psychischen Fitness der Mannschaft. Im Kopf ist die laufstärkste Mannschaft der Liga mindestens ebenso gut trainiert wie in den Beinen. Union kann weiterhin mit Rückschlägen umgehen - eine wichtige Qualität im Kampf um die Champions League.

Defensive sollte stabil bleiben

Trotzdem sollte niemand bei Union den Sieg gegen den direkten Konkurrenten Frankfurt zu hoch hängen. Schließlich ließ die Abwehr mehrere klare Chancen zu. Lange war es in dieser Saison kaum möglich, gegen Union überhaupt gefährlich zum Abschluss zu kommen. Die kompakten Köpenicker drängten ihre Gegner erst auf die Flügel und verteidigten die dann folgenden Flanken mit ihren drei großen Innenverteidigern meist relativ locker.

In den vergangenen Wochen hat sich das etwas gedreht: Insbesondere Fehlpässe im Spielaufbau luden Gegner immer wieder zu Chancen ein. Frankfurt war dann am Sonntag gar nicht auf solche individuellen Patzer angewiesen. Die Offensive um Randal Kolo Muani und Daichi Kamada kam reihenweise frei zum Abschluss, weil die Verteidiger nicht rechtzeitig klärten oder zu weit wegstanden. Rani Khedira sprach später von "ein wenig Matchglück". Darauf können er und seine Kollegen sich aber nicht immer verlassen. In den nächsten Wochen sollte die Abwehr wieder zu ihrer üblichen Stärke finden, um Spiele zu gewinnen.

Rönnow in Topform

Khedira und Fischer waren sich nach der Partie gegen Frankfurt einig. Beide sagten wörtlich: "Wir hatten einen super Torwart". Frederik Rönnow rettete mehrfach in letzter Not. Und nicht erst seit dem Wochenende kann sich der 1. FC Union auf den Dänen verlassen. Von allen Keepern, die mehr als zehn Spiele absolviert haben, hat Rönnow mit 80,5 Prozent die mit Abstand beste Paradenquote der Liga. Mit nur 17 Gegentoren und acht zu Null-Spielen bewegt er sich ebenfalls in der Spitzengruppe der Liga.

Dass Union im Vergleich zu Mannschaften wie Leipzig, Dortmund, München oder Frankfurt individuell schwächer besetzt ist, würde wohl niemand anzweifeln. Wenn aber ein Spieler davon ausgenommen ist, dann Frederik Rönnow. Vielleicht ist er aktuell sogar der beste Spieler auf seiner Position in der Bundesliga. Champions-League-Fußball hätte er sich für seine Leistungen jedenfalls ganz sicher verdient.

Mehr Stürmertore

Damit das sicher klappt, sind in den neun verbleibenden Spielen insbesondere auch die Angreifer gefragt. Jordan Siebatcheu und Sheraldo Becker - das Traumduo der ersten Saison-Wochen - scheinen ihren Torriecher verloren zu haben.

Zwar ist Becker mit sieben Toren immer noch der beste Torschütze der Mannschaft, aber er wartet mittlerweile seit November auf seinen achten Erfolg. Gegen Frankfurt traf der Nationalspieler Surinams immerhin mal das Tor, wurde aber wegen Abseits zurückgepfiffen. Kevin Behrens hatte mehr Glück und erzielte sein fünftes Saisontor. "Ich bin froh, dass ich den Ball gut getroffen habe", sagte er nach dem Spiel. Nachdem das seit Weihnachten eher den Abwehr- und Mittelfeldspielern gelang, kommt die neue Zielgenauigkeit der Angreifer wie gerufen.

Trainingszeit fürs Kombinationsspiel

Behrens, Becker und die anderen Stürmer sind aber auch auf die Zuarbeit ihrer Hintermänner angewiesen. Nur 70 Prozent Passquote gegen Frankfurt und 77 Prozent im Saisonschnitt sind zu wenig. Oft fehlen den Eisernen im eigenen Ballbesitz die Ideen und die Genauigkeit.

In dieser Hinsicht könnte sich das Aus in der Europa League als Glücksfall erweisen. Durch die ständigen Reisen und den eng getakteten Spielplan blieb kaum Zeit, um im Training auch inhaltlich unabhängig vom nächsten Gegner zu arbeiten. Winterneuzugang Aissa Laidouni kam nach dem Trainingslager und hat deshalb bisher kaum mit der Mannschaft trainiert. Gerade dem kreativen Mittelfeldspieler wird das Training guttun und vielleicht verschafft es Union genau rechtzeitig für den Endspurt in der Liga neue Ideen mit dem Ball. Die Champions League ist auch mit dem aktuellen Stil möglich, aber dann würden sogar Oliver Glasner die Gegenargumente ausgehen.

Sendung: rbb24, 21.03.2023, 18 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

4 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 4.

    Naja, der Glasner hat mit seiner recht verunglückten Aussage eigntl. gegen den eigenen Verein schießen wollen. Denn im Prinzip meinte er, dass eine seiner Meinung nach klar unterlegene Mannschaft wie der FCU kaum Torchancen brauchte, um die Frankfurter Abwehr zu überwinden, für die er in der Winter-Transferperiode Verstärkung gefordert, aber nicht bekommen hat. Da ist ein kleiner Machtkampf im Schwange. Und seinen Vertrag, der nächstes Jahr ausläuft, hat er bisher auch nicht verlängern wollen. Aber das nur mal nebenbei. ;)

    Ich habe mich sehr für Rani über seine erste Bude für den FCU gefreut. Spieler auf dieser Position, wie er sie spielt, stehen ja eher selten im Fokus, sind aber enorm wichtig für die Bindung. Und schön auch, dass Fredi bei der Abschlussrunde durch Stadion vor der Ultratribune nach vorne gebeten wurde, um ihn ausgiebig zu feiern.

  2. 3.

    Das Spiel gegen Frankfurt in die richtige Richtung gelenkt, hat unser Tormann. Rönnow ist für mich in dieser Saison der beste Buli-Torhüter. Dieser Sieg ist für mich der wichtigste in der bisherigen Bundesliga-Saison ( ausgenommen Derby's ). Ganz stark, wie sie nach den letzten kleinen Nacken-Schläge aufgetreten ist. Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein. Jetzt Kräfte sammeln und Platz drei verteidigen. Warum nicht?
    EISERN

  3. 2.

    Frankfurts Trainer hat sich wie ein kleiner Junge, dem eben gerade das Schnippchen weggenommen wurde, angestellt.
    Die Eisernen haben einmal mehr bewiesen, wie sie mit Misserfolgen umgehen können. Bravo - sag ich dazu. Es gehört schon einiges dazu, den neuen Schwerpunkt - das nächste Spiel - sich so vor die Augen zu führen und sich darauf einzustellen.
    Sportlich sind die Eisernen, kämpferisch auch, ihre "Schwächen" kennen sie und wir sind eben keine Balletttruppe in TuetueKleidchen. Wir tanzen etwas anders. In diesem Sinne: E I S E R N U N I O N

  4. 1.

    Nun ja, da wo Union gerade steht und auch wann man erst in Europa ausschied (vorher Ajax raushaute) kommt nicht durch Glück zustande. Glasner war frustriert, schauen wir auf den 1.4. wo er eine Revanche hat, er sagte ja im Vorfeld das er weiß wo Union Fehler macht, am Ende war es 2:0 für die Eisernen. Als Unioner freuen wir uns jedenfalls denn es wurden bis heute undenkbare Ziele erreicht und überboten. Jedes Jahr ein wenig mehr. Wäre aber Schade wenn Stadt-Derbys nicht mehr wären.

Nächster Artikel