Hertha-Eigengewächse Ngankam und Dardai - Zwei Aushängeschilder im Schaufenster

Mi 14.06.23 | 15:55 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Collage: Marton Dardai und Jessic Ngankam bei Spielen für die Nationalmannschaft (Bild: Imago Images/Sven Simon)
Video | rbb24 | Sebastian Meyer | Bild: Imago Images/Sven Simon

Am 21. Juni beginnt die U21-EM im Fußball. Mit dabei: Jessic Ngankam und Marton Dardai von Hertha BSC. Die Eigengewächse stehen symbolisch für den neuen Vereinsweg, könnten diesen - auch dank des Turniers - schon bald verlassen.Von Marc Schwitzky

Ihre bislang größte Niederlage im Profi-Fußball mussten Jessic Ngankam und Marton Dardai wohl am 20. Mai hinnehmen. An jenem Samstag stiegen sie mit Hertha BSC aus der Bundesliga ab. Ein 1:1 gegen den VfL Bochum besiegelte das Szenario, das schon jahrelang über der "alten Dame" schwelte.

Abstiege tun immer weh, bei Dardai und Ngankam wird das Leiden jedoch noch größer gewesen sein. Schließlich sind sie gebürtige Berliner, echte Herthaner. Ngankam ist seit 2006, also seit er fünf Jahre alt ist, bei den Blau-Weißen. Dardai gehört zu einer regelrechten Dynastie im Verein - sein Vater Pal ist eine Hertha-Legende, sein großer Bruder Palko wurde hier ebenfalls zum Profi, der kleine Bruder Bence könnte der Nächste sein. Marton selbst wechselte 2012 im Alter von neun Jahren in die Hertha-Jugend.

Seitdem gehen Dardai und Ngankam als echte Eigengewächse viele Entwicklungen auf dem Weg zum etablierten Fußball-Profi nahezu im Gleichschritt. Ngankam debütierte im April 2020 für die Hertha-Bundesligamannschaft, Dardai sechs Monate später im November. Beide erlebten erste Hochs und erste Tiefs. Beide stehen bei rund 40 Profi-Einsätzen für ihren Verein. Nun könnten sie erneut gemeinsam einen Meilenstein in ihrer Karriere feiern: die U21-Europameisterschaft.

An starke Turnierleistungen anknüpfen

Hertha-Eigengewächse in deutschen U-Auswahlen haben eine lange Tradition. Zwar scheitert der Hauptstadtklub in den letzten Jahren oftmals daran, seine Talente in den eigenen Profi-Kader zu integrieren – die gute Jugendarbeit ist dem Verein jedoch nicht abzusprechen. 2021 war Ex-Herthaner Arne Maier (jetzt FC Augsburg) ein entscheidender Faktor für den EM-Titel der deutschen U21-Nationalmannschaft, 2019 war er mit Maximilian Mittelstädt (wechselt zum VfB Stuttgart) ebenfalls Teil des Aufgebots. Im Kader für das ab dem 21. Juni in Georgien und Rumänien stattfindende Turnier findet sich neben Ngankam und Dardai auch Hertha-Eigengewächs Luca Netz, der mittlerweile für Borussia Mönchengladbach spielt.

Für Dardai sei es etwas Besonderes, für die deutsche Auswahl nominiert worden zu sein, "die den Titel schon öfter geholt haben und als Titelverteidiger an den Start gehen". Auch der Erfolg seines kleinen Bruder Bence motiviert den 21-Jährigen zusätzlich. Dieser gewann Anfang Juni mit Deutschland die U17-Europameisterschaft mit Deutschland. "Ich habe natürlich alle Spiele geguckt und dabei ist die Vorfreude nochmal gestiegen, wenn man sieht, wie die U17 das Ding geholt hat", so Dardai.

"Mit der gewissen Leidenschaft ist viel drin"

Nun wollen Ngankam und Dardai mit der U21-Auswahl nachziehen. Dafür geht es in der Gruppenphase gegen Israel, Tschechien und Mit-Favorit England. "Ich bin in Bezug auf das Turnier ziemlich positiv gestimmt", sagt Ngankam. "Ich denke, dass wir eine gute Qualität in der Mannschaft haben und viel erreichen können. Mit der gewissen Leidenschaft ist viel drin."

Leidenschaft ist das richtige Stichwort für den 22-Jährigen. Sein Spiel zeichnet sich durch eine ungeheuerliche Intensität und zielgerichtete Aggressivität aus, die das Stadion mitreißen. So ist Ngankam trotz erst weniger Profi-Spiel auf Anhieb zum Herthaner Publikumsliebling geworden. "Er hat alle Attribute, die man als Mittelstürmer braucht", lobte ihn U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo nach dessen erstem Einsatz im März.

Während Ngankam vor allem durch seine körperlich betonte wie emotionale Spielweise auffällt, macht Dardai durch leisere Töne auf sich aufmerksam. Der Innenverteidiger zeichnet sich vor allem durch seinen intelligenten Spielaufbau aus, seine Vertikalpässe haben sich nach nur kurzer Zeit in der gesamten Bundesliga herumgesprochen. Im direkten Zweikampf fehlt Dardai hin und wieder der Biss, den Ngankam zuweilen zu viel hat. Beiden fehlt – typisch für ihr Alter – noch die Balance. Ihr großes Talent ist ihnen in jedem Fall nicht abzusprechen.

Aushängeschilder des neuen Hertha-Weges

Den Weg, den Ngankam und Dardai gegangen sind, skizzieren die Vereinsverantwortlichen seit nun ein paar Monaten als das neue Leitbild des Vereins: Hertha BSC will die eigene Jugend wieder in den Fokus rücken und zu einem elementaren Bestandteil der Profi-Mannschaft aufbauen. Mit Sportdirektor Benjamin Weber, Leiter Lizenzspielerbereich und Direktor Akademie Andreas "Zecke" Neuendorf und Cheftrainer Pal Dardai haben ihr Handwerk allesamt in Herthas Jugendabteilung gelernt und wollen für eine neue Zeit im Verein stehen.

Ngankam und Dardai sind hierfür Galionsfiguren. Die U21-EM könnte, bei viel Spielzeit der beiden, eine weitere Auszeichnung für die Jugendarbeit der Blau-Weißen werden – und gleichzeitig schmerzhaft sein. Seit jeher gelten solch Jugendturnier als Schaufenster: Junge Spieler empfehlen sich für höhere Aufgaben. So könnten auch Ngankam und Dardai in den kommenden Wochen international auf sich aufmerksam machen und Interessenten anlocken, die mehr zu bieten haben als ihr gerade abgestiegener Ausbildungsverein.

Die Verantwortlichen werden alles daran setzen, ihre beiden Eigengewächse zu halten – bei einer erfolgreichen U21-Europameisterschaft aber womöglich tatenlos zusehen müssen, wie sie Hertha live entwachsen. Vor Turnierstart vermieden beide öffentlich ein klares Bekenntnis zum Verein.

Sendung: rbb inforadio, 17.15 Uhr, 14.06.2023

Beitrag von Marc Schwitzky

6 Kommentare

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  1. 4.

    „BCC777“? Mann, da haben Sie ja einen Knaller rausgelassen. Selbst drauf gekommen?

  2. 3.

    Schade, dass die Vereine immer nur aus Kostegründen an eigene Jugend denkt. Und die Akademie hat die alte Dame nicht den stammtischparolengrölenden neuen Vorstand zu verdanken, sondern den geschassten Dieter Höneß! Er hatte Weitblick!
    Ich freue mich für die Eigengewächse!
    HaHoHe

  3. 2.

    Der Schriftsteller Schwitzky sollte Opern schreiben, wenigsten Huldigunghymnen.
    Gott sei Dank, gibt es in der U21-EM-Kader noch andere Spieler anderer Mannschaften, so lastet die Verantwortung nicht alleine der BCC777-"Galionsfiguren", die letztlich auch mit für den Abstieg in die 2.Liga sorgten.

  4. 1.

    Realistischer Artikel und würde es so kommen, es wäre geradezu schmerzhaft schade.

    Erstmal wünsche ich den beiden ein gutes Turnier mit vielen erfolgreichen Einsätzen und hoffentlich bleiben sie gesund.

    Alles weitere sieht man danach und vielleicht entscheidet am Ende eher das Herz als der Verstand...wer weiß.

    Ha Ho He

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