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Video: rbb24 | 21.08.2023 | Simon Wenzel | Quelle: imago images/Oliver Ruhnke

Fehlstart von Hertha BSC in die 2. Bundesliga

Von Krise zu Krise

Nach drei Spielen in der 2. Bundesliga steht Absteiger Hertha BSC noch ohne Punkt und ohne Tor da. Kaum hat die neue Saison begonnen, stecken die Berliner in der nächsten Krise, aus der sie derzeit keinen Ausweg zu finden scheinen. Von Lukas Witte

Gut drei Monate sind vergangen, seit Hertha desaströs als Tabellenletzter aus der Bundesliga abgestiegen ist. Und doch scheint sich kaum etwas verändert zu haben. Null Punkte, null Tore, Platz 18. Das ist die erschreckende Bilanz der Berliner nach dem dritten Spieltag der 2. Liga. Noch nie ist ein Absteiger schlechter gestartet. "Wir sind im Moment nicht wettbewerbsfähig. Das muss man einfach so sehen", bewertet Vereinslegende Axel Kruse die bisherigen Leistungen im rbb-Podcast Hauptstadtderby.

Hauptstadtderby

Grillen beim Union-Spiel mit der Hertha-Selbsthilfegruppe (146)

Sie machen weiter! Obwohl Hertha abgestiegen ist, geht der Hauptstadtderby-Podcast mit Ur-Unioner Christian Beeck und Herthas Ex-Kapitän Axel Kruse in seine fünfte Saison. Zum Neustart hat Axel seinen Kumpel Christian, Moderator Dirk und die Haupstadtderby-Hörerin Annette und Michael zum Grillen und Union-Gucken eingeladen. Das Video seht Ihr unter https://www.inforadio.de/derbygrillen. Und falls Ihr etwas loswerden wollt: Axel, Christian und Dirk lesen Eure Mails an hauptstadtderby@rbb-online.de

Gutes Training zahlt sich nicht aus

Es scheint eine Klasse tiefer genau so weiter zu gehen, wie es in der Bundesliga aufgehört hatte. Bei den Akteuren herrscht derweil Ratlosigkeit. "Unter der Woche im Training machen wir Tore, kombinieren und haben richtig gute Abschlüsse. Im Spiel bekommen wir das dann einfach nicht aufs Feld", erklärte Kapitän Marco Richter nach der 0:3-Niederlage am vergangenen Wochenende in Hamburg. Auch Trainer Pal Dardai zeigte sich mit den Trainingsleistungen bisher zufrieden. Allerdings hörte man von ihm auch in der vergangenen Saison immer wieder Lob für den Einsatz unter der Woche – am Ende stand trotzdem der Abstieg.

"Das Training interessiert einen Toten. Was zählt ist, wenn das Licht angeht. Wenn es darauf ankommt, musst du da sein. Wenn das nicht funktioniert, hast du ein Problem", erklärt Kruse. Und dieses Problem macht sich bei Hertha vor allem in der Offensive bemerkbar. Der Bundesliga-Absteiger schafft es aus dem Spiel heraus bisher kaum, sich zu guten Torchancen zu kombinieren. Wenn es überhaupt mal tiefer in die gegnerische Hälfte ging, blieben meist nur Flanken. Dabei zeigten sich deutliche technische Schwächen und fast nie landete der Ball bei einem der Box-Spieler im Strafraum. "Mit Blick auf die 'Expected Goals' (errechnete Torwahrscheinlichkeit; betrug gegen den HSV in der ersten Hälfte 0,03, Anm. d. Red.): Die Wahrscheinlichkeit, dass Hertha ein Tor schießt, ist so hoch, wie die im Lotto zu gewinnen", sagt Kruse.

Kader hat große Lücken im Mittelfeld

Nur beim deutlichen 5:0-Pokalerfolg gegen Jena konnte Hertha in dieser Saison offensiv abliefern. "Es reicht aber nicht, ein Team aus der vierten Liga zu schlagen und im Training zu glänzen", erkennt auch Dardai. Die Partie gegen den HSV zeigte deutlich, wo die Berliner derzeit stehen. "Das war ein Klassenunterschied. (…) Für die Leute, die an den Aufstieg gedacht haben – die Realität ist jetzt da", machte der Trainer nach der Niederlage im Volksparkstadion deutlich.

In der Liga fehlt es vor allem an Kreativität und offensiver Spielidee. Diese Aufgabe sollte auf dem Feld Kapitän Richter übernehmen, der zuletzt immer wieder als Zehner eingesetzt wurde. Eigentlich seine Wunschposition, doch der 25-Jährige präsentierte sich in seiner neuen Rolle bisher blass und scheint auf dem Flügel eigentlich besser aufgehoben. Nun verdichten sich aber die Hinweise, dass er sehr bald überhaupt nicht mehr in Herthas taktischen Überlegungen auftauchen wird. Medienberichten zufolge steht Richter kurz vor einem Wechsel zu Mainz 05. Und das, wo es jetzt schon an Ersatz fehlt.

Herthas Kader weist im Mittelfeld große Lücken auf. Die gelernten Innenverteidiger Pascal Klemens und Marton Dardai müssen immer wieder als Sechser ran und offenbaren dabei eindeutige Schwächen. Auch ein Achter fehlt als Alternative, solange Neuzugang Jeremy Dudziak als linker Außenverteidiger auflaufen muss.

Weitere Neuzugänge wahrscheinlich

Der Trainer scheint mit dem aktuellen Kader keine taktische Lösung zu finden, um endlich für die ersten Punkte zu sorgen. Bis zum Ende des Transferfensters soll sich deshalb wohl noch etwas tun. "Wir sind eine Mannschaft, die sich erst neu finden muss. Die Saison hat gerade erst angefangen. Wahrscheinlich kriegen wir auch noch Spieler. (…) Wir müssen bis 1. September warten und dann schauen, was ist", erklärt Dardai.

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Ganz oben auf der Wunschliste steht wohl Diego Demme. Der 31-Jährige vom SSC Neapel wird seit Wochen mit den Berlinern in Verbindung gebracht und soll die nötige Verstärkung im Mittelfeld bringen.

Helfen könnte sicher auch ein Spieler wie Suat Serdar, der zuletzt beim Pokalspiel überraschend wieder auf dem Feld stand, nachdem eigentlich schon sein Abschied vermutet wurde. Doch auch diese Hoffnung schwand schnell wieder. Für das Hamburg-Spiel meldete er sich wegen muskulärer Probleme ab und steht nun laut Medienberichten vor einem Wechsel nach Italien. Auch der Top-Torjäger der letzten Saison, Dodi Lukebakio, absolvierte in der neuen Spielzeit keine Partie für Hertha und soll dringend von der Gehaltsliste des finanziell angeschlagenen Hauptstadtklubs verschwinden.

Gersbeck-Vorfall sorgt für Unruhe

Noch herrscht also Unruhe im Kader – nicht nur im Mittelfeld, sondern auch zwischen den Pfosten. Dort muss nach dem Verkauf von Oliver Christensen nun der erst 20-jährige Tjark Ernst das Tor hüten. Eigentlich war der erfahrene Marius Gersbeck fest für die Rolle als Stamm-Keeper eingeplant, doch seitdem er im Trainingslager in Österreich einen Mann bei einer Auseinandersetzung schwer verletzt haben soll, ist er suspendiert.

Seine Zukunft beim Verein ist offen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung herrsche in Herthas Gremien derzeit ein Konflikt über die Rehabilitierung des Torhüters. "Das ganze Theater rundherum macht mit den Spielern natürlich auch was. Da ist nie Ruhe drin. Das Thema Gersbeck wabert die ganze Zeit umher. Das musst du auch lösen, um endlich mal Ruhe drin zu haben", sagt Hertha-Legende Kruse.

Bielefeld als Warnung

Bei den Berlinern gibt es also noch einige Baustellen. Die Verantwortlichen sollten sich möglichst schnell darum kümmern, diese zu beseitigen, um nicht noch tiefer in die sportliche Krise zu rutschen. "Bielefeld ist ein warnendes Beispiel. Wenn du erstmal in dem Strudel drin bist und gewinnen musst, ist das die ganz große Kunst, dann Top-Leistungen abzuliefern. Ich will also gar nicht darüber nachdenken, am Ende hinten drin zu stehen", erklärt Ex-Spieler Kruse.

Arminia Bielefeld war nach dem Abstieg aus der Bundesliga direkt in die 3. Liga durchgereicht worden. Noch bleibt genug Zeit, um den Fehlstart zu korrigieren und dieses Szenario zu verhindern. Am nächsten Samstag (13 Uhr) sollen gegen Fürth im Olympiastadion die ersten Punkte der Saison eingefahren werden. "Die Jungs wollen, der Teamgeist ist da - das müssen wir jetzt auch auf dem Platz finden", sagte Dardai: "Wir werden uns aufbauen. So, wie wir es immer getan haben."

Sendung: rbb24, 21.08.2023, 18 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

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