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Audio: rbb24 Inforadio | 21.10.2023 | Guido Ringel | Quelle: imago images/Beautiful Sports

Analyse der Niederlage gegen Stuttgart

Union Berlin hat seine Grundprinzipien verloren

Das 0:3 gegen den VfB Stuttgart war auch in der Höhe verdient. Denn es zeigte erneut auf, wie schlecht die ehemals starke Union-Defensive in dieser Saison verteidigt. Der 1. FC Union Berlin sucht seine sportliche Identität. Von Till Oppermann

Nachdem im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart das 0:1 gefallen war, setzte das Social Media-Team des 1. FC Union auf Galgenhumor. "16' Ihr wisst wer. | 0:1", posteten die Eisernen knapp auf ihrem X-Account. Der Stuttgarter Serhou Guirassy erzielte gegen Union bereits sein 14. Saisontor im achten Spiel.

"Was soll man da schon machen", werden sich manche gefragt haben. Doch das Tor allein mit der Qualität des "Unterschiedspielers", wie ihn Urs Fischer vor dem Spiel genannt hatte, zu erklären, greift zu kurz. Denn Guirassys Treffer war eine seiner leichtesten Übungen, die Union-Defensive half tatkräftig mit. "Ein Einzelner kann ihn nicht verteidigen", hatte Urs Fischer gewarnt. Seine Spieler versuchten es in der 16. Minute gegen Stuttgart noch nicht einmal.

Union verteidigt nicht mehr

In den letzten sechs Wochen hat der 1. FC Union auf so ziemlich jede denkbare Art und Weise verloren. Mal waren es späte Gegentreffer, mal waren es offene Spiele mit dem schlechteren Ende für die Eisernen und mal waren die Gegner einfach besser als Union. Was fast alle diese Spiele eint? Urs Fischers Team kassierte viele Gegentore. Das lag nicht nur an der Qualität der Gegner, sondern auch daran, dass Union vorher schlecht verteidigt oder unkonzentriert aufgebaut hatte.

Am Samstag setzte sich diese Serie gegen den VfB Stuttgart fort. Allen drei Gegentreffern ging mindestens ein eklatanter Fehler voraus. In der vergangenen Saison stellten die Berliner noch eine der beiden besten Defensiven der Bundesliga. Es wirkt, als hätte im Sommer jemand die Union-Festplatte formatiert.

0:3 gegen Stuttgart

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Die Negativserie des 1. FC Union geht weiter und bekommt historische Ausmaße: Gegen den VfB Stuttgart verloren die Köpenicker mit 0:3. Es war die achte Pflichtspiel-Niederlage in Folge. Das gab es zuletzt 2004 zu Regionalliga-Zeiten.

Guirassys Tor legt Schwächen offen

Wer sich das Guirassy-Tor in der Wiederholung anschaut, sieht mindestens drei Dinge, die Union deutlich schlechter macht als in der letzten Saison. Obwohl sich im Moment der Flanke des VfB-Verteidigers Anthony Rouault gleich acht Unioner hinter dem Ball befanden, durfte der Stuttgarter den völlig unbedrängt in den Strafraum spielen. Die Aggressivität, die Union jahrelang gegen den Ball auszeichnete, geht der aktuellen Mannschaft völlig ab.

In dieser Szene wäre das allerdings noch kein großes Problem gewesen, wenn sich im Abwehrzentrum jemand für den erfolgreichsten Stürmer der Liga interessiert hätte. Rückkehrer Robin Knoche verlor Guirassy völlig aus den Augen, als der auf dem Weg zu seinem Kopfball schnurstracks und ungedeckt in den Strafraum lief. Raumaufteilung und Kommunikation? Nicht mit Union. Dass Torhüter Frederik Rönnow, der statistisch in der Vorsaison der beste Torwart der Liga war, zum wiederholten Male in dieser Saison planlos durch seinen Fünfmeterraum irrte, war nur das Ende einer langen Fehlerkette.

Viel Aufwand für Tore gegen Union? Nicht mehr nötig.

Die vielen Gegentore seien nicht "Union-like", kritisierte Kapitän Christopher Trimmel nach dem Spiel. Auch wenn Union mal einen schlechten Tag hatte, konnte man sich in den letzten Jahren stets darauf verlassen, dass die Spieler gewisse Grundlagen auf den Platz brachten. "Basics" nannte Urs Fischer das und meinte damit vor allem Laufbereitschaft, Zweikampfhärte, defensive Disziplin und Konzentration. Wer Tore gegen Union schießen wollte, musste Schmerzen in Kauf nehmen und viel Aufwand betreiben.

Davon ist nicht mehr viel geblieben. Gerade in der ersten Halbzeit konnten die Schwaben am Samstag im Mittelfeld schalten und walten, wie sie wollten. Anstatt das Kurzpassspiel von Enzo Millot und Angelo Stiller zu stören, zogen sich die Köpenicker nur zurück. "Gegen den Ball waren wir nicht aggressiv genug und hatten auch insgesamt kaum Zugriff", analysierte Fischer, der darauf zur Halbzeit mit einem dreifachen Wechsel reagierte.

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Abwehr das Hauptproblem

Mit der Hereinnahme der flinken Flügelstürmer David Datro Fofana und Sheraldo Becker entlastete er seine Defensive, die den Ball nun immer wieder mit tiefen Pässen auf die Außen in die gegnerische Hälfte bringen konnte. Über die Tatsache, dass Union dann trotz insgesamt 24 Flanken und zwei Chancen frei vor dem Torwart nicht den Ausgleich erzielte, könnte man einen eigenen Text schreiben. Auch die Chancenverwertung unterscheidet die aktuelle Union-Saison von der vergangenen und ist ein Grund für die Niederlagenserie.

Für den Ausgang des Spiels am Samstag war die schlechte Defensive aber entscheidender. Denn mitten in einer Phase als Union gerade mit klaren Chancen auf den Ausgleich drängte, fiel in der 81. Minute die Vorentscheidung. Vor Silas Katompa Mvumpas 0:2 ließ sich Diogo Leite düpieren und Robin Gosens grätschte ins Leere. "Das zweite Gegentor darf uns dann so nicht passieren", wusste auch Trimmel.

Union muss sich stabilisieren

Glaubt man Knoche, wurzelt die Krise nicht in der Vorbereitung auf die Spiele: "Wenn wir das, was wir im Vorfeld analysieren, auf dem Platz falsch machen, können wir keine Spiele gewinnen." Sorgen mache er sich trotzdem keine, denn Resignation könnte er im Team nicht erkennen. Auch im Stadion war die Stimmung von Resignation weit entfernt. Nach der achten Niederlage hintereinander munterten die Fans ihre Mannschaft freundlich auf.

Trotzdem ist die Lage in Köpenick ernst. Union sucht im Herbst nicht nur vergeblich nach Punkten, sondern auch nach der eigenen sportlichen Identität. Für Christopher Trimmel ist deshalb klar, was sich bei Union zuerst ändern muss: "Wir müssen hinten wieder stabiler werden und weniger zulassen", sagte er. Am Dienstag wartet gegen die SSC Napoli die nächste Gelegenheit, damit endlich anzufangen.

Sendung: rbb24, 21.10.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

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