Interview | Vorstand CSV Afrisko - "Mit Fußball kann man leicht in andere gesellschaftliche Sphären eindringen"

Di 16.01.24 | 13:03 Uhr
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Fans beim Afrika-Cup in der Elfenbeinküste. / imago images / Newscom World
Bild: imago images / Newscom World

Der CSV Afrisko wurde - damals als 1. FC Afrisko - 2008 in Berlin gegründet. Es war der erste afrikanische Fußball-Verein Deutschlands. Vorstandsmitglied Dauaride Empere spricht zum Afrika-Cup über die besondere Geschichte zwischen Fußball und Kultur.

rbb|24: Der CSV Afrisko spielt in der Berliner Kreisliga B Fußball. Deshalb verwunderte es ein wenig, dass er sich im Rahmen des Popkultur-Festivals 2023 präsentierte. Was hat der Verein mit Popkultur zu tun?

Dauaride Empere: Fußball ist nicht nur ein populärer Sport, sondern ein Thema, mit dem man leicht in andere gesellschaftliche Sphären eindringen kann. Beim Sport oder bei einem Musikkonzert kommen Menschen einfach schnell zusammen. Für uns als Verein ist afrikanische Kultur ein Schwerpunkt, mit dem wir nicht nur unsere Community, sondern auch darüber hinaus Menschen ansprechen wollen. Wobei ich mich mit dem Begriff "afrikanische" Kultur etwas schwer tue, weil Afrika ein Kontinent mit 54 Ländern ist. Wir im Verein legen den Fokus auf vier Länder: Ghana, Kamerun, Nigeria und Senegal. Langfristig wollen wir noch mehr Länder einbeziehen.

Dauaride Empere, Vorstandsmitglied beim CSV Afrisko. / rbb/Gunnar Leue
Dauaride Empere, Vorstandmitglied beim CSV Afrisko. | Bild: rbb/Gunnar Leue

Seit wann gibt es den Verein?

Genau genommen seit dem 20. Oktober 2022 - nach der Fusion mit dem CSV Olympia aus Charlottenburg. Aber bereits 2008 war der Afrisko e.V. mit seinen zwei Bereichen 1. FC Afrisko im Fussball und Afrisko im Kulturbereich. Afrisko steht für Afrika Sport und Kulturorganisation. Und die hatte eine rund zehnjährige Vorgeschichte. Schon in den Neunzigern gab es ein Baobab-Turnier, benannt nach einem afrikanischen Baum, bei dem verschiedene Mannschaften aus den teilafrikanischen Communitys gegeneinander antraten. Sie kamen einerseits zum Fußballspielen zusammen, aber auch, um sich auszutauschen und miteinander zu essen und zu feiern. Irgendwann entwickelte sich daraus die Idee, einen Verein zu gründen, was dann 2008 geschah. Uns war von Anfang an der kulturelle Aspekt wichtig.

Von Esskultur bis Musikkultur?

Genau. Mittlerweile ist es ja im Breitensport-Fußball Standard, dass sich Mannschaften mit Musik aufs Spiel einstimmen. Afrisko e.V. war für mich der erste Verein, wo ich das persönlich so wahrgenommen habe. Dort wurde bewusst Musik aus der Heimat der afrikanischstämmigen Berliner für den Support eingesetzt. Neben dem Platz heizten Amateurmusiker dem Team zusätzlich ein. Das war vor allem in den Anfangsjahren 2008 bis 2012 für alle Beteiligten emotional sehr stimulierend.

Bei jedem Spiel - und man bedenke, wir waren eine Freizeitmannschaft - hatten wir 100 bis 150 Zuschauer. Darunter waren auch einige, die die Gesänge mit Trommeln und Saiteninstrumenten unterstützten.

Dauaride Empere, Vorstandsmitglied CSV Afrisko

Wie darf man sich das Einheizen vorstellen, durch DJs und Fangesänge?

In der Kabine lief Musik aus der Box und am Spielfeldrand wurde den Spielern von den Fans stimmlich eingeheizt. Bei jedem Spiel - und man bedenke, wir waren eine Freizeitmannschaft - hatten wir 100 bis 150 Zuschauer. Darunter waren auch einige, die die Gesänge mit Trommeln und Saiteninstrumenten unterstützten.

Ist das heute noch so?

Nein, das hat sich abgeschwächt. Anfangs war die Frage der niedrigen Liga für viele Spieler und Anhänger ja nicht so wichtig. Es ging vor allem um die Gemeinschaft. Nach ersten sportlichen Erfolgen wurde leider das Thema Geld relevant und die anziehende Kraft der Gemeinschaft etwas schwächer. Andere Vereine haben Spieler abgeworben. Selbstkritisch müssen wir aber auch sagen, dass wir nach unserem relativ schnellen Wachstum die Vereinsstrukturen nicht entsprechend angepasst haben. Dadurch gerieten wir ebenfalls in Schwierigkeiten. 2018 gab es nochmal eine sehr euphorische Zehnjahresfeier, aber dann hat uns die Coronakrise ein bisschen das Genick gebrochen.

Ein Neustart musste her?

Wir haben geguckt, was gut oder schlecht gelaufen ist und wir einigten uns, den Afrikaschwerpunkt um eine integrative Komponente zu ergänzen. So entstand die Idee, mit einem "etablierten" deutschen Verein zusammenzugehen. Auf den CSV Olympia kamen wir, weil der über einen aus Senegal stammenden Spieler bereits einen Austausch mit dem Land führte. Mit Olympia sahen wir die größte Schnittmenge und nachdem wir uns mehrfach besuchten, entschlossen wir uns zur Fusion.

Und der Plan ging auf?

Auf jeden Fall. Wir von Afrisko konnten uns im sportlichen Bereich steigern und Olympia wurde in der Altersstruktur aufgefrischt. Im ersten Jahr gab es noch Startschwierigkeiten, aber jetzt haben wir unter anderem drei Jugendmannschaften. Gerade der Austausch mit Jugendlichen in Afrika ist uns wichtig. Im letzten Jahr waren Jugendliche aus Berlin 14 Tage in Ghana, über Ostern kommen die Ghanaer jetzt zu uns. Im Frühjahr werden auch Spieler auf Basis der früheren Kontakte von Olympia nach Senegal reisen.

Was würden Sie als das Berlintypische an CSV Afrisko bezeichnen?

(überlegt) Egal, welche Hautfarbe wir haben, wir kommen halt alle aus Berliner Kiezen und reden mit starker Berliner Prägung. Das macht es vielleicht aus. Ich bin ja, wie viele andere, auch in Berlin geboren, 1974. Meine Eltern waren in den Siebzigern aus Nigeria nach Westberlin zum Studium gekommen.

Momentan läuft in der Elfenbeinküste der Afrika-Cup. Wie spiegelt sich das Großereignis in Ihrem Vereinsleben?

Im Verein direkt ist nichts geplant, aber in einigen afrikanisch geprägten Kirchen, mit denen wir im Rahmen unserer Sozial- und Bildungsprojekte verbunden sind, gibt es Public Viewing.

Sind die beiden Berliner Spitzenklubs in Afrika ein Thema, weil immer mal auch afrikanische Spieler in seinen Reihen stehen oder weil der 1. FC Union in der Champions League spielte?

Wenn wir in Afrika sind, werden wir oft auf bekannte afrikanische Spieler angesprochen, die in der Bundesliga spielen. Dann wird gefragt, ob wir einen Bezug zu ihnen haben. Damit können wir allerdings nicht mehr aufwarten. Das war nur in der Anfangszeit von Afrisko so. Damals hatten wir relativ gute Verbindungen zu einigen Profis, weil der Vereinsmitgründer Yaw Donkor früher selbst Bundesligaprofi war, unter anderem bei Hertha, und Kontakte zu etlichen Profis hatte. Einige seiner Weggefährten wie Hans Sarpei, Chinedu Ede und Pablo Thiam haben dem 1. FC Afrisko deshalb Trikots, Bälle und Geld gespendet. Das hat mit der Zeit nachgelassen, aber einige, wie Pablo Thiam, unterstützen uns noch bei Veranstaltungen als Mentoren oder Schirmherren.

Wir sollten nicht nur über die klassischen Nationalkulturen sprechen, sondern anerkennen, dass wir inzwischen eine sehr durchmischte Kultur haben, die ein aktuelles Spiegelbild unserer Nation, beziehungsweise ihrer Veränderung ist.

Dauaride Empere, Vorstandsmitglied CSV Afrisko

Es wird zur Fußball-EM in Berlin ein Kulturprogramm geben. Werden Sie darin involviert sein oder planen Sie eigene Aktionen?

Auf uns ist bisher niemand zugekommen. Wir hatten als Verein überlegt, etwas Eigenes zu machen, vielleicht ein Public Viewing. Aber noch ist nichts konkret.

Könnten die EM-Kulturorganisatoren in Berlin in punkto sportlicher Popkultur etwas von Afrisko lernen?

Ich war 2022 auf dem Event #2024undDu! - beim ersten Runden Tisch mit Philipp Lahm und Celia Šašić, bei der es in Workshops um Ideen für das EM-Kulturprogramm ging. Ein wenig war ich schockiert, dass da viele Leute aus einer Altersgruppe waren, in deren Köpfen noch nicht angekommen war, dass Deutschland 2022 anders ist als 1960 oder 1970. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Nigerianer sei, verheiratet mit einer Türkin bin und Kinder habe, die deutsch sind. Ich finde, dass sie solche Vermischungen, die es ja zuhauf gibt, auch im Kulturprogramm widerspiegeln sollten. Nach meiner Ansicht sollten wir nicht nur über die klassischen Nationalkulturen sprechen, sondern anerkennen, dass wir inzwischen eine sehr durchmischte Kultur haben, die ein aktuelles Spiegelbild unserer Nation, beziehungsweise ihrer Veränderung ist. Ich würde mir wünschen, dass sich das auch im Kulturprogramm widerspiegelt. Ich weiß nicht, ob es inzwischen so angedacht ist. Es wäre schön.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Gunnar Leue für die rbb-Sportredaktion.

1 Kommentar

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    Danke, Gunnar Leue für das Interview mit Empere. Mir ist West und Ost-Afrika seit 1995 nicht fremd.
    Das angesprochene Kulturprogramm ist bei vielen Menschen in unserer bunten Welt, leider noch nicht bei allen Köpfen verankert. Der Austausch der Jugendlichen Deutschland-Afrika ist ein gutes Zeichen zur Völkerverständigung für ihre Zukunft. Die Wiege der Menschlichkeit steht bereit in Afrika.
    Was wäre für Afrikaner Sport ohne Musik? Sie brauchen sie, wie der Mensch den Atem zum Leben.

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