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Quelle: dpa/Hans Wiedl

Berliner Breitensport in Sorge vor neuen Corona-Regeln

"Manche Kinder kamen mit Übergewicht aus dem Lockdown zurück ins Training"

Kontaktbeschränkungen und Abstand passen schlecht zu Gemeinschaftsumkleiden und Team-Geist. Trotz aller Unterschiede zwischen Tanzen, Fußball und Karate teilen die Vereine im Breitensport eine Sorge: Wie geht es weiter trotz Omikron? Von Oda Tischewski

In der Tanzschule Keller in Friedenau heißt es an diesem Vormittag "Tanz-Fit!": Aus dem Lautsprecher dröhnt eine Eurodance-Mischung aus dem 1990ern, auf der Bühne zeigt ein Tanzlehrerpaar Schritte und Drehungen, eine Mischung aus Standard, Line-Dance und Aerobic.

Paartanz ist das nicht, daher ist Abstand möglich, zudem sind alle geboostert: 2G+ gilt bei Inhaber Sebastian Keller - der spontane Schwoof ist unter diesen Umständen nicht drin: "Der Aufwand, um zu einer Tanzstunde zu kommen, hat sich immens erhöht. Dabei ist es gerade das Spontane, wovon wir mit unserem flexiblen Kurssystem eigentlich leben." Jetzt brauche es aber viele Schritte im Voraus, um tanzen zu gehen.

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So wirken sich die neuen Beschlüsse auf den Profi- und Breitensport aus

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"Kämen noch mehr Einschränkungen, hätte das keinen großen Sinn mehr"

Mehr als 200 Tage musste Sebastian Keller seine Tanzschule bislang während der Pandemie schließen. Zwischenzeitlich hatte er Felder aufs Parkett geklebt, damit sich die Tanzenden nicht zu nahe kamen. Nun dürfen nur noch Geimpfte kommen, zusätzlich hat er die Zahl der Kursteilnehmenden auf die Hälfte reduziert, damit Abstände eingehalten werden können.

Der Ministerpräsidentenkonferenz am Freitag sieht er mit einem gewissen Fatalismus entgegen - die Schwierigkeiten sind längst da: "Es ist jetzt schon schwer, wirtschaftlich zu arbeiten, wenn man weniger Paare reinlassen kann. Wenn jetzt noch mehr Einschränkungen kämen, dann hätte das keinen großen Sinn mehr. " 30 Mitarbeiter muss Keller bezahlen, dazu die Miete für den großzügigen, verkehrsgünstig gelegenen Saal - und auf die staatlichen Überbrückungshilfen wartet er teils noch immer. Trotzdem ist er optimistisch und hofft für 2022 auf "volle Tanzkurse, große Partys und ein altes Lebensgefühl!"

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"Wir wollen keinen Ausschluss mehr für den Sport"

In Berlin soll ab kommender Woche in vielen Bereichen die 2G-Regel gelten. Das hat auch Auswirkungen auf den Sport. Der Präsident des Berliner Landessportbundes Härtel betont, dass das nicht zu Lasten des Breiten- und Amateursports gehen dürfe.

"Nachholbedarf, gerade im Kinder- und Jugendsport"

Ein altes Lebensgefühl würde sich auch der Fußball zurückwünschen: volle Stadien und ganz normales Training. Aber im Amateurfußball habe es große Einschnitte gegeben in den vergangenen Monaten, erzählt Christian Gaebler, Vizepräsident des Berliner Fußballverbandes: "Es gibt da natürlich einen großen Nachholbedarf, gerade im Kinder- und Jugendsport."

Die Einschränkungen hätten Spuren hinterlassen. Oft stünde die Frage im Raum, ob der Nachwuchs überhaupt beim Sport bleibt. "Da müssen wir jetzt neu aufbauen. Und wir hoffen, dass nach der Omikron-Welle wieder ein normaler Spielbetrieb möglich ist", sagt Gaebler. Mit den Regeln der Berliner Landesregierung für den Sport abseits der Profi-Liga habe der Verbandsvize zwar leben können, sagt er, aber "langsam muss auch mal Schluss sein".

Viele kündigten im Lockdown ihre Mitgliedschaft im Sportverein

Die Karatehalle in Hellersdorf ist fast komplett gefüllt: 14 Kinder dürfen hier maximal gleichzeitig trainieren, elf Kitakinder sind gerade da. Die Trainer sind zu zweit. Auf Desinfektion achten, Test- und Impfnachweise kontrollieren - das alles bedeutet viel Aufwand für die zumeist Ehrenamtlichen. Auch Kathrin Brachwitz, Karate-Trainerin und Präsidentin des Karate-Verbandes Berlin, hofft auf Entspannung, wenn die Omikron-Welle hoffentlich im Frühjahr an Kraft verliert.

Ihre Karate-Kinder haben in der Pandemie viel versäumt: "Viele - gerade Jugendliche - haben aufgehört. Die haben keine Perspektive mehr gesehen, weil es ja auch monatelang keine Wettkämpfe mehr gab." Sie sehe junge Menschen, deren motorische Entwicklung verzögert sei und Kinder, "die auch mit Übergewicht aus dem Lockdown zurückkamen".

Einen weiteren Lockdown würde ihr Sport nicht verkraften, so Kathrin Brachwitz. "Generell kann man sagen, dass der Nachwuchs für den Leistungssport fehlt", erklärt die Verbandspräsidentin. Auch bei den Erwachsenen hätten viele ihre Mitgliedschaft gekündigt. "Viele Vereine hatten arge Nöte, ihre Hallen und Trainer zu bezahlen. Wenn wir wieder in einen Lockdown gehen müssten, dann würden uns im Breitensport die Mitglieder wegbrechen."

Sendung: rbb24, 6.1.2022, 21:45 Uhr

Beitrag von Oda Tischewski

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