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Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Quelle: picture alliance/dpa/P.Pleul

Kommentar | Anfeindungen gegen Lehrer

In Burg haben die Rechtsextremisten gewonnen

Nachdem sie Rechtsextremismus an ihrer Schule in Burg im Spreewald angeprangert hatten, bekamen zwei Lehrkräfte viel Unterstützung, wurden aber auch angefeindet. Nun verlassen sie die Schule. Ein verheerendes Signal, kommentiert Hanno Christ.

"Verpisst Euch nach Berlin!" – Die Initiatoren der Hetzkampagne müssen ausreichend Sendungsbewusstsein gehabt haben, um die Lehrerin Laura Nickel und ihren Kollegen Max Teske so an den Pranger zu stellen. An mehreren Orten in Burg kleben Sticker mit den Gesichtern der beiden, darunter die unmissverständliche Aufforderung, sie mögen Brandenburg schleunigst verlassen. Dazu gab es anonyme Instagram-Posts und anonyme Elternbriefe.

Die Macher der Kampagne hatten ausreichend Selbstbewusstsein für derlei Taten, ein Bewusstsein, das offenbar gespeist wurde aus stillem, gesellschaftlichem Rückhalt. Nun steht einmal mehr die Frage im Raum, wieviel von der sogenannten Zivilgesellschaft in Brandenburg wirklich vorhanden ist, von jenem Teil also, der sich offen, breit, beharrlich und unmissverständlich Anfeindungen entgegenstellt - und Opfern von Diskriminierung den Rücken stärkt. Aus Brandenburg wird heute das Signal gesendet, dass es wieder No-Go-Areas für Andersdenkende gibt.

Anhaltende Anfeindungen

Lehrer, die rechte Vorfälle öffentlich machten, verlassen Schule in Burg

Im April hatten zwei Lehrer in Burg im Landkreis Spree-Neiße rechtsextreme und rassistische Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Nach Anfeindungen aus der rechten Szene geben sie ihre Lehrposten nun auf.

Zermürbt von den Anfeindungen

Die beiden betroffenen Lehrkräfte hatten in einem zunächst anonymen Schreiben ein fremdenfeindliches, rassistisches Klima an ihrer Schule beklagt – und dass sie mit ihren Warnungen davor nichts erreichten. Die letztlich öffentlichen Vorwürfe mündeten in eine Debatte, über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus an Schulen, aus mehreren anderen Schulen des Landes gab es ebenfalls Hinweise, dass bei manchen Jugendlichen (und Elternhäusern) etwas im Argen liegen muss.

Die Alarmkette schien – nach vielen Versäumnissen - endlich zu funktionieren: Schulbehörden und Bildungsministerium schalteten sich ein, im Landtag wurde debattiert, der Bildungsminister besuchte - nach längerem Zögern – die Schule in Burg, eine Fachtagung sollte sensibilisieren.

Das Ergebnis Wochen später: Ausgerechnet jene, die einst die Debatte ins Rollen brachten, verlassen nun die Schule, zermürbt von den Anfeindungen gegen sie. Für sie war es offenbar nicht mehr auszuhalten, die zähflüssige Unterstützung zu wenig. Gewonnen haben nun die Rechtsextremisten. Von "Staatsversagen" und "Menschenjagd" ist die Rede.

System kommt an Grenzen

Es wird Zeit, dass sich in Brandenburg, aber auch in anderen Teilen vor allem Ostdeutschlands jene zu Wort melden, denen Demokratie und eine tolerante Gesellschaft am Herzen liegen – und dass es nicht nur Verbände, Vereine und Parteien sind. Brandenburg war zurecht immer stolz auf Aktionsbündnisse und ein Beratungsnetzwerk, mit dem an einer Zivilgesellschaft gezimmert wurde. Preise für Courage wurden ausgelobt.

Auch die beiden Lehrkräfte sollten einen davon erhalten. Ihr Rückzug aus Burg stellt auch ein System infrage, das offenbar an seine Grenzen kommt. Es braucht schnelle und entschiedene Reaktionen im Kleinen vor Ort. Rote Linien, die rasch und unmissverständlich gezogen werden.

Beurteilung von Brandenburgs "Neuem"

Erstes Zeugnis für Bildungsminister Freiberg

Genau 86 Tage ist Steffen Freiberg für das Bildungsressort zuständig. Knapp drei Monate, in denen der 41-Jährige vieles angestoßen, manches auch schon wieder verworfen hat. Am Zeugnistag erhält auch der Minister seine Beurteilung. Von Markus Woller

Aus Opfern wurde Täter

Wer nun glaubt, dass Burg nur ein Einzelfall und das Problem einer Schule ist, der irrt. Fremdenfeindlichkeit und ein wohlwollender Blick auf Deutschlands Nazi-Vergangenheit treten immer unverstellter zutage. Die AfD ist zur dunklen Galionsfigur einer Stimmung im Land geworden, die Hetze und Fremdenfeindlichkeit zum Normalfall zu machen sucht. Auch AfD-Politiker hatten Stimmung gegen die beiden Lehrkräfte aus Burg gemacht, verurteilten das Vorgehen der beiden, bezeichneten sie als "linksradikal" und als "Denunzianten", weckten Zweifel an deren Darstellung. Es werde gegen die Lausitz gehetzt.

Diese Umkehrung der Erzählung hat funktioniert. Aus Opfern wurden Täter gemacht.

Am Ende müssen sich die Menschen vor Ort fragen, welches Signal sie durch Unterlassen senden und wie sie eine attraktive Region bleiben wollen – gerade auch für Menschen von außerhalb. Das verheerende Zeichen dieser Tage ist: Es gibt offenbar Orte, da möchte man lieber unter sich bleiben. Mit allen Folgen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.07.2023, 15:01 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

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