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Audio: Antenne Brandenburg | 21.10.2021 | Riccardo Wittig | Quelle: dpa/Patrick Pleul

Prenzlau

Müll-Archäologin sucht nach Erkenntnissen für und über unser Leben

Archäologen befassen sich normalerweise mit längst vergangenen Zeiten. Müll-Archäologinnen wie die Prenzlauerin Eva Becker interessieren sich dagegen dafür, was andere gerade weggeworfen haben. Sie will damit auch zum Umweltschutz beitragen.

Verdreckte Straßenränder, überfüllte Müllbehälter, verschmutzte Buswartehäuser – was bei vielen Menschen Abscheu, Ablehnung oder einfach nur Ärger hervorruft, finden sogenannte Müll-Archäologen überaus spannend. Eine von ihnen ist Eva Becker. Sie geht dem Müll wissenschaftlich auf den Grund und teilt ihre Erkenntnisse in einem eigenen Blog mit [muell-archaeologie.de]. Aus ihrer Sicht erzählen die genannten Hinterlassenschaften jede Menge über unsere eigene Lebensweise.

Aus Resten herausfinden, wie die Gesellschaft tickt

Wenn Becker durch die Straßen von Prenzlau (Uckermark) zieht, dann sucht sie tatsächlich nach Müll. "Hier haben wir jetzt ein Stück Papier, drei Kronkorken, dann haben wir jede Menge Zigarettenkippen darin, obwohl ein Schritt von mir entfernt sich der öffentliche Mülleimer befindet", erzählt sie. Was andere im öffentlichen Raum liegen lassen, findet sie nämlich höchst interessant.

Eva Becker ist Archäologin. Mit natur- und geisteswissenschaftlichen Methoden versucht dieser Zweig der Wissenschaft, die kulturellen Entwicklung der Menschheit zu erforschen und nachzuzeichnen. Während die ursprüngliche Bedeutung des griechischen archaios (zu Deutsch "alt") und lógos (zu Deutsch "Lehre") auf die "Lehre von den Altertümern" schließen lässt, ist Becker vor allem auf die jüngste Vergangenheit konzentriert: "Ich versuche aus den Resten, die Menschen heute wegwerfen, herauszufinden, wie Gesellschaft heute tickt."

Müll-Archäologie bedeute auch immer Umweltschutz

Denn aus dem so störenden Müll, den man in Prenzlau und anderswo finden kann, will sie Rückschlüsse auf soziale und kulturelle Lebensgewohnheiten ziehen. Erkenntnisse dafür sucht sie in allen Ecken der Stadt. Ihre Fundorte dokumentiert sie mit ihrem Handy. Hunderte Bilder füllen bereits ihre Datenbank. Die Ergebnisse und Erkenntnisse teilt sie regelmäßig via Blogeintrag.

"Eigentlich möchte ich jeden damit ansprechen", sagt Becker. Müll-Archäologie bedeute für sie auch immer Umweltschutz. Becker hofft darauf, dass sich Menschen durch ihre Erkenntnisse und Beiträge mit der eigenen Umwelt auseinandersetzen, insbesondere mit Plastik: "Das ist ein Material, das uns die nächsten Tausenden von Jahren beschäftigen wird."

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Bewusstsein der Menschen schärfen

Auf ihrer Expedition durch die Straßen von Prenzlau lässt sie sich daher auch gerne über die Schulter schauen. Sie macht Exkursionen mit Schulklassen oder hält Vorträge zum Thema. Auch ein Buch über Müll-Archäologie sei bereits in Arbeit. Doch als Müll-Detektivin will sie sich nicht verstanden fühlen.

"Was macht der Detektiv? Er sucht einen Schuldigen - und das tue ich ganz sicher nicht", erklärt Eva Becker. Vielmehr möchte sie das Bewusstsein der Menschen schärfen. Den Leuten einen Anstoß geben, ob es vielleicht doch auch ein anderes Verhalten, eine andere Lebensweise gibt. Dafür beobachtet sie, fotografiert, dokumentiert ihre Funde: "Ich möchte ganz einfach Muster erkennen."

Eva Becker will weiter im Müll von Gesellschaften nach Hinweisen und Erkenntnissen suchen, um noch mehr über deren Lebensweise zu erfahren.

Sendung: Antenne Brandenburg, Antenne am Nachmittag, 21.10.2021, 14:10 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

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