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Quelle: Christoph Kohl Stadtplaner Architekten GmbH.

Ehemaliges Heeresbekleidungsamt in Bernau

Wie aus einem "Lost Place" ein neuer Stadtteil werden soll

Seit Jahren ist bekannt, dass an der Schwanebecker Chaussee in Bernau Wohnungen für bis zu 4.000 Menschen entstehen sollen. Doch über Details wurde bis zuletzt gerungen. Inzwischen hat die Stadtverordnetenversammlung Fakten geschaffen. Von Frank Preiss

Unheimlich und einschüchternd wirkt er, der breite rote Backsteinkoloss an der Schwanebecker Chaussee, an der südlichen Einfallstraße in die Stadt Bernau bei Berlin. Auf der Häuserfront haben sich Graffiti-Künstler verewigt, das Gelände ist umzäunt, es wirkt trostlos und wie ein klassischer "Lost Place", ein stummer Zeitzeuge, der seit Jahren verfällt.

So soll die "Gartenstadt" von oben aussehen. | Quelle: AI.STUDIO GmbH

Schon vor ein paar Jahren hat die Nordland GmbH aus dem niedersächsischen Langenhagen das 40 Hektar große Gebiet des ehemaligen Heeresbekleidungsamtes gekauft. Dort sollen Wohnungen für bis zu 4.000 Menschen entstehen. Ein neuer Stadtteil also für eine prosperierende Stadt. Bernau bei Berlin hat in den zurückliegenden 20 Jahren seine Einwohnerzahl auf inzwischen mehr als 42.000 nahezu verdoppelt. Die Stadt im nordöstlichen Speckgürtel ist verkehrsgünstig gelegen und lockt jährlich bis zu 1.000 Neubürger an, darunter viele Menschen aus dem nahen Berlin.

Altlasten im Untergrund

"Wir sind froh, dass sich letztlich ein Investor für diese schwierige Immobilie gefunden hat und jetzt alles seinen Weg finden kann" - der Bürgermeister von Bernau bei Berlin, André Stahl (Linke), wirkt erleichtert, als er im Gespräch mit rbb|24 über den aktuellen Entwicklungsstand beim großen Bauprojekt "Gartenstadt" berichtet. "Schwierig" ist das Areal, weil es "mutmaßlich mit Altlasten durchsetzt ist, die Sowjets hatten hier eine Panzerdivision", erklärt Stahl. Im Untergrund des Geländes liegen Tanks, Abfälle und militärische Hinterlassenschaften. Zudem müssen die vier denkmalgeschützten Gebäude umfangreich saniert werden.

Hier soll die "Gartenstadt" entstehen. | Quelle: opentopomag/rbb

Das Heeresbekleidungsamt wurde ab 1939 errichtet, hier wurden Uniformen der Wehrmacht hergestellt und gelagert. Nach dem Krieg bezog die Sowjetarmee das Gelände, bis 1991. Seitdem steht es leer. "Seit 1993 beschäftigen wir uns mit der Zukunft dieses Objektes, jetzt gibt es endlich eine Lösung", berichtet Bürgermeister Stahl.

Stadtparlament nimmt wichtige Hürde

Inzwischen ist klar, was genau auf dem Gelände entstehen soll - die Bernauer Stadtverordnetenversammlung hat Anfang September das Bebauungsplanverfahren beschlossen und als solches formal beendet. Jetzt muss noch der Flächennutzungsplan vom Land Brandenburg genehmigt werden, "eine Formalie", wie Stahl betont. Sobald anschließend der Bebauungsplan im Amtsblatt veröffentlicht worden ist, erlangt er Rechtskraft.

Die Bauarbeiten werden nicht vor dem nächsten Sommer beginnen. "Vor Mitte oder Ende 2023 wird es dort nicht losgehen, denn sobald der Bebauungsplan veröffentlich worden ist, müssen ja erst noch die jeweiligen Bauanträge gestellt und genehmigt werden", sagt Nordland-Geschäftsführer Gerald Breschke auf rbb|24-Nachfrage. Die ersten Wohnungen könnten dann bereits im Jahr 2024 bezugsfertig sein. Das Gesamtprojekt werde aber sicher nicht vor 2033 abgeschlossen sein, rechnen sowohl Breschke als auch Stahl vor.

Es bleibt bei 2.000 Wohnungen und 1.000 Parkplätzen

Bis zuletzt hatten der Investor und die Stadt um Details gerungen. Breschke wollte zunächst nur den Baukörper für die geplanten zwei Kitas und die Schule stellen, die Stadtverordneten verlangten aber auch die Einrichtung der Gebäude. Zudem bestand das Stadtparlament auf unterirdische Parkplätze für 1.000 Fahrzeuge. Der Investor wollte mit Verweis auf die steigenden Baupreise nur 500 bauen. Außerdem wollte die Nordland GmbH lieber 2.300 als 2.000 Wohnungen bauen, wegen erhöhter Nachfrage nach kleineren Wohnungen. Doch letztlich blieben die Stadtverordneten in ihrer Sitzung am 1. September bei all ihren Vorgaben.

Gerald Breschke wirkt darauf angesprochen etwas angefressen. "Die Abgeordneten fordern dies, die Planung obliegt dem Parlament. Wir setzen das um, auch wenn ich die ein oder andere Entscheidung nicht richtig finde", sagt er im Gespräch mit rbb|24.

Regeneratives Quartier mit "bezahlbarem Wohnraum"

"Die Nordland GmbH wird allein 58 Millionen Euro in die öffentliche Infrastruktur investieren und die Kitas und Schule der Stadt überlassen. Dafür sind wir sehr dankbar", betont wiederum Bürgermeister Stahl. Das niedersächsische Unternehmen ist spezialisiert auf die Sanierung und Umgestaltung von Kasernengeländen. Vor zwei Jahren wurde eine Gesamtinvestitionssumme von bis zu 850 Millionen Euro veranschlagt, wie Stahl erklärt. Ob es dabei bleibt, erscheint angesichts steigender Baupreise fraglich.

Entstehen sollen neben den vier denkmalgeschützten Originalgebäuden 81 Neubauten, allesamt mit begrünten Dächern. Versprochen wird in einem Nordland-Werbevideo "bezahlbarer Wohnraum für kleine und große Haushalte". Hinzu kommen sieben Gewerbegebäude. Die "Gartenstadt" - oder "Wetown", wie sie vom Investor bezeichnet wird - solle zukunftsweisend in Sachen Ökologie und Energieeffizienz sein, kündigt der Investor an. Für Autos, die allesamt unterirdisch parken sollen, seien auch elektrische Ladestationen sowie eine Wasserstofftankstelle vorgesehen. Alle Gebäude würden im Niedrigenergiestandard gebaut: KFW 40 plus bei den Neubauten, KFW 70 bei den Denkmälern.

Bernau

Der alte Bürgermeister ist auch der Neue

Ob auch Sozialwohnungen entstehen, ist unklar

Die unsicheren Zeiten am Energiemarkt beeinflussen derweil auch das Bauprojekt in Bernau. Zunächst sollte sich die "Gartenstadt" autark mit Energie versorgen, doch dieses Vorhaben musste wegen der unüberschaubaren Dynamik im Energiebereich aufgegeben werden, erklärt Investor Breschke. Klar sei, dass die Bernauer Stadtwerke die Energieversorgung sicherstellen werden, fügt Stahl hinzu. Doch welche Art von Energie letztlich fließen wird, könne noch nicht gesagt werden.

Offen ist auch noch, wie viele der 2.000 Wohnungen letztlich Mietwohnungen sein werden. Das sei nicht festgelegt worden, sagt Breschke: "Da gibt es keine Quoten, auch nicht für Sozialwohnungen." Dazu bemerkt der Bürgermeister selbstkritisch: "Wegen der hohen Kosten durch die Altlasten und durch den Denkmalschutz konnten wir uns mit der Forderung nach Sozialwohnungen nicht durchsetzen, was aber nicht ausschließt, dass letztlich doch welche gebaut werden. Vertraglich wurde das aber nicht festgelegt."

Stahl geht trotzdem davon aus, dass die große Mehrheit der Wohnungen letztlich vermietet wird. "In aller Regel werden Eigentumswohnungen im Streubesitz entstehen, die dann als Anlageobjekte vermietet werden. Die Selbstnutzer werden eher in der Unterzahl sein."

Bürgermeister betont verkehrsgünstige Lage

Letztlich überwiegt bei Stahl aber die Vorfreude auf das Neue vor den Toren seiner Stadt. In einigen Jahren werde Bernau bei Berlin eine völlig neue Visitenkarte bekommen: "Ich bin ausgesprochen froh, dass wir dort eine bauliche Entwicklung haben, ein dann schöneres Entrée für die Stadt. Hinzu kommt die hervorragende Verkehrsanbindung. Der S-Bahnhof Friedenstal ist nah, eine Busanbindung wird halbstündlich das Gebiet durchqueren, die A11 liegt ganz in der Nähe, damit werden die Autos auch aus der Bernauer Innenstadt herausgehalten."

Weitere 700 Wohnungen sind schon auf dem Gelände des ehemaligen Nebenlagers des Heeresbekleidungsamtes am Schönfelder Weg entstanden, hier laufen derzeit nur noch letzte Arbeiten an den Straßen. Neben den 4.000 neuen Bernauern in der "Gartenstadt" werden hier weitere 1.400 Neubürger leben können. Damit ist für den Bürgermeister der Bedarf an Wohnraum in Bernau gedeckt. Stahl hält abschließend fest: "In dieser Größenordnung werden wir keine Projekte mehr haben."

Beitrag von Frank Preiss

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