Nach der Umweltkatastrophe - Forscher mahnen zu Wiederherstellung der naturnahen Lebensräume an der Oder

Di 13.09.22 | 14:30 Uhr
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Tote Fische in der Oder (Bild: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 13.09.2022 | Ökologe Martin Punsch | Bild: rbb

Tausende Fische sind in der Oder gestorben. Auch Wochen später ist die Ursache noch nicht genau geklärt. Wie kann sich der Grenzfluss erholen? Forscher wenden sich auch an die Politik, damit sich die Umweltkatastrophe nicht wiederholt.

Wissenschaftler appellieren nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder, die naturnahen Lebensräume des Flusses wiederherzustellen. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) mahnte am Montag in einem Papier mit Handlungsempfehlungen, die Oder nicht weiter durch flussbauliche Maßnahmen etwa zur Vertiefung zu regulieren und Grenzwerte für Emissionen zu senken. Der Oder-Ausbau ist ein Streit-Thema zwischen Deutschland und Polen.

Fischsterben ist "menschengemachte Umweltkatastrophe"

"Die Zukunft der Oder und ihrer Lebewesen wird davon abhängen, ob Politik und Behörden sich dazu entschließen, die natürliche Widerstandsfähigkeit des Ökosystems zu stärken", sagte IGB-Biologe Jörn Geßner. Das Forschungsinstitut bezeichnete das Fischsterben in der Oder als eine "menschengemachte Umweltkatastrophe". Vor Wochen waren in dem deutsch-polnischen Grenzfluss tonnenweise tote Fische geborgen worden.

Die Analyse des Fischsterbens zur abschließenden Klärung der Ursache läuft noch. Eine deutsch-polnische Gruppe von Expertinnen und Experten soll bis 30. September Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorstellen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte im August gesagt, sie poche auf einen Stopp des Oder-Ausbaus. Polen dagegen wollte daran festhalten.

Wissenschaftler des IGB hatten bei Untersuchungen eine giftige Goldalge (Prymnesium parvum) festgestellt. Diese habe sich in einem bislang noch unbekannten Ausmaß im Fluss ausgebreitet, hieß es am Montag. Das Gift dieser Alge habe im August zum Tod von Fischen, Muscheln und Wasserschnecken geführt. "Diese Brackwasser-Alge konnte aber nur wachsen, weil die Oder massiv mit Salz belastet wurde", sagte Martin Pusch vom Institut für Gewässerökologie am Dienstag dem rbb. "Diese Belastung kam aus dem oberen Einzugsgebiet der Oder." Dadurch sei laut IGB ein künstlicher Lebensraum für die Alge geschaffen worden.

Forscher: Natürlicher Widerstand der Oder reduziert

Mehrere Belastungsfaktoren in der Oder konnten den Wissenschaftlern zufolge eine solch "fatale Wirkung" entfalten, weil zuvor Ausbaumaßnahmen die natürliche Widerstandsfähigkeit des Flusses gegenüber hydrologischen und klimatischen Veränderungen reduziert hätten. "Wenn die Salzkonzentrationen nicht sinken und wir durch den Klimawandel weiterhin zu heiße und trockene Sommer erleben, kann es zukünftig wieder zu solchen Massenentwicklungen giftiger Algen kommen", erläuterte IGB-Forscher Tobias Goldhammer.

"Es kann an der Oder kein Weiter-so geben, wenn wir eine solche Katastrophe verhindern wollen", sagt Ökologe Martin Punsch. "Es muss Veränderung geben. Und die erste, die auch am leichtesten umsetzbar ist, ist, dass die Einleitung von Abwasser reduziert werden." Dafür gebe es bereits positive Beispiele, wo sich durch den Stopp von Kläranlagen die Wasserqualität deutlich verbessert habe.

Sendung: Antenne Brandenburg, 13.09.2022, 14:10 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Aha, Ertüchtigung statt Ausbau könnte das Zauberwort werden. Der Eisbrechereinsatz diene nicht nur dem Hochwasser-, sondern auch dem Umweltschutz. Damit können sich keine Rinnsale mehr bilden, was den Fischen hilft. Und jetzt: Der deutsche Anspruch passt mit polnischen Interessen überein: Gerade jetzt braucht Schwedt Visionen: Eine Papierfabrik die ihre Ware übers Wasser transportiert... über die Klützer Querfahrt, eine Art Durchbruch zwischen zwei Oderarmen. Die muss nur etwas breiter und tiefer werden. Und welch glückliche Fügung: der Oder-Havel-Kanal mündet hier. Da soll es auch Schiffe drauf geben... Pikant: Die Klützer Querfahrt liegt auf polnischem Terrain.
    Nochmal, gestalten und mitmachen ist der bessere Weg. Auf Augenhöhe. Der gemeinsame Nenner: Man muss Schiffe mögen. Wenn die Umweltschützer dies auch könnten, dann kann was Gutes entstehen.

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