Umweltausschuss in Brandenburg - Neue Messstelle mit Wasserflöhen soll in Oder vor Giftstoffen warnen

Mi 08.03.23 | 19:55 Uhr | Von Georg-Stefan Russew
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Archiv: Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltminister von Brandenburg, telefoniert am Rande einer Pressekonferenz über die Umweltkatastrophe am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder. (Foto: dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 08.03.2023 | Axel Vogel | Bild: dpa

Um rechtzeitig vor einer erneuten Vergiftung der Oder zu warnen, plant Brandenburg eine neue Messstelle einzurichten. Schadenersatzforderungen gegenüber dem polnischen Staat bezeichnete Umweltminister Vogel als quasi chancenlos. Von Georg-Stefan Russew

  • Neue Brandenburger Messstelle soll früher vor Giftstoffen in der Oder warnen
  • Vogel beklagt Zurückhaltung des Bundes
  • Schadensersatzansprüche aktuell nur schwer durchsetzbar

Das Brandenburger Umweltministerium will infolge der Umweltkatastrophe in der Oder eine neue Messstelle aufbauen. Damit soll schon im oberen Flußlauf eine mögliche Gift-Konzentration gemessen werden können. Dies sei eine der Lehren, die man in Auswertung des massiven Fischsterbens im Grenzfluss im vergangenen Jahr gezogen habe, sagte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) am Mittwoch im zuständigen Ausschuss des Landtags.

Neue Messstelle nahe Ratzdorf soll bis zum Sommer kommen

Es soll eine Messstelle mit einem so genannten Daphnien-Toximeter ausgestattet werden. Dabei handelt es sich um ein Behältnis mit Wasserflöhen, dass im Ernstfall anzeigt, ob Giftstoffe im Oderwasser die Kleintiere abtöten.

Bislang existiere laut Vogel nur bei Hohensaaten (Märkisch-Oderland) so eine Messstelle. Mit so einer neuen Station könne früher vor Giften im Oder-Wasser gewarnt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, so der Umweltminister weiter. Den genauen Ort, wo die Messstelle eingerichtet werde, könne er noch nicht sagen. Da die Oder bei Ratzdorf (Oder-Spree) erstmalig im Grenzverlauf zu Polen auf Brandenburger Territorium treffe, sei die Region wohl prädestiniert hierfür. Bis zum Sommer soll die Messstelle eingerichtet sein.

Vogel beklagt sich über Passivität des Bundes

Unterdessen beklagte sich Vogel im Umweltausschuss über die passive Haltung des Bundes gegenüber der Republik Polen im Zusammenhang mit dem Fischsterben. "Der Bund ist bislang in Abwartestellung gewesen." In der Tat ging es hier um die Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie, dass gute chemische und ökologische Zustände der Gewässer herzustellen sind. "Wir sind als Land Brandenburg hier nicht die Oberaufseher über die Republik Polen. Wir waren zu keinem Zeitpunkt berechtigt, selber Leute loszuschicken, die auf polnischem Gebiet Wasserproben zu ziehen. Das ist von Greenpeace dann gemacht worden", so Vogel.

Die nichtsstaatliche Umweltorganisation hatte in ihrem Bericht das Unternehmen Jastrzebska Spolka Weglowa (JSW) und einen weiteren Kohle- und Bergbaukonzern beschuldigt, das massenhafte Fischsterben im vergangenen Sommer in der Oder verursacht zu haben. Ein Team habe an drei Zuflüssen zur Oder und sechs Zuflüssen zur Weichsel 57 Wasserproben genommen und analysiert, teilte die Organisation mit. Sie nimmt nach der Untersuchung an, dass stark salzhaltige Abwässer der Bergbauindustrie Auslöser für das Fischsterben in dem Grenzfluss waren.

Von Greenpeace beschuldigter polnischer Konzern weist Vorwürfe zurück

Das hat einer der beschuldigten Bergbaukonzerne zurückgewiesen. Man halte sich an alle Bestimmungen und Vorschriften des Wassergesetzes, teilte JSW mit. Das Unternehmen ist mehrheitlich im staatlichen Besitz.

Dennoch räumte JSW ein, dass salzhaltiges Grubenwasser über den sogenannten Olza-Kollektor gesammelt und dann kontrolliert über Düsen am Flussbett in die Oder geleitet werde. Zudem werde Grubenwasser unter anderem auch in den Oder-Nebenfluss Bierawka eingebracht. Dies erfolge auf eine für die Umwelt sichere Weise, hieß es.

Vogel forderte im Ausschuss ein Umdenken, denn was nütze es, wenn sich Firmen an staatliche Vorgaben Polens halte und es dennoch zu solchen Umweltkatastrophen kommen könne.

Schadensersatz nur schwer durchsetzbar

Gleichwohl sieht Vogel aktuell kaum Chancen, Schadensersatz wegen der Oder-Umweltkatastrophe zu erhalten. "Ich glaube nicht, dass wir eine Chance haben, das durchzusetzen. Im Zweifelsfall muss dann herausgearbeitet werden, dass es ein oder drei polnische Betriebe waren, die im Rahmen genehmigter Einleitungsmengen gehandelt haben. Dann müsste man gegebenenfalls gegen den polnischen Staat klagen. Oder wurden Grenzwerte überschritten? Dann müsste man gegen den einzelnen Betrieb vorgehen."

Gleichwohl wolle Vogel zusammen mit den betroffenen Ostbrandenburger Kommunen Frankfurt, Oder-Spree, Märkisch-Oderland und die Uckermark eine grobe Abschätzung aufstellen, was das Fischsterben auf Brandenburger Seite für Kosten verursacht hat.

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.03.2023, 17:30 Uhr

Beitrag von Georg-Stefan Russew

18 Kommentare

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  1. 18.

    Ich gehe davon aus, dass Sie das Wort Schadensminimierung und den Verweis auf Nebengewässer der Oder in meinem Kommentar gelesen haben. Grundsätzlich haben Sie Recht.
    Es ging aber nur darum was überhaupt machbar/zu retten ist, wenn man eine Früherkennung in Ratzdorf hat, da von polnischer Seite offensichtlich nix zu erwarten ist. In der Oder selbst wohl sehr wenig aber Nebengewässer (Oderbruch, Oder-SpreeKanal) von der Oder trennen, ist eine Frage von Minuten bis sehr wenige Stunden. Da geht also etwas.
    Auch die Aufzucht der Störe konnte im Sommer zum Teil umgesiedelt werden, da in Seitenarmen in abgetrennten "Becken" o.ä.

  2. 17.

    Also mal klar gesagt , die ganze EU ist Müll.
    Jeder macht wat er will und hält nebenbei noch beide Hände auf.

  3. 16.

    Wenn es sich um eine Konflikt zwischen angrenzenden EU-Ländern handelt, deren Auswirkungen zudem die einer großen Naturkatastrophe entsprechen, was meinen sie wohl wer eigentlich dafür zuständig ist?!
    Und wenn ich richtig informiert bin, schöpft Vogel im Rahmen seiner Möglichkeiten jedes Rechtsmittel aus, die sich anbahnende Katastrophe im Sommer noch irgendwie abzuwenden.
    Eigentlich sollte der Bundeskanzler im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz die Angelegenheit übernehmen und direkt in Polen diplomatisch tätig werden. Das Schicksal der Oder ist um so viel wichtiger, als das Klinkenputzen von Klingbeil und Mützenich.

  4. 15.

    Das hat mit Beweisen wenig zu tun, denn die Zusammenhänge wurden unabhängig und wissenschaftlich valide erarbeitet.
    Wir wissen, dass die Verklappung der Salzlake in Verbindung der dauerhaften Sonneneinstrahlung und niedriger Wasserstände (Photosynthese) zur Ausbreitung der Brackwasseralge Prymnesium parvum führte und damit die Produktion von Prymnesin in großem Mengen verursachte.
    Und wer den Klimawandel nicht leugnet, weiß, wie hoch die Wahrscheinlichkeit in den kommenden Sommern ist, gleiche Randbedingungen zu schaffen.

  5. 14.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 08.03.2023 um 22:45

    "Ratzdorf liegt wo ?" Im Unterlauf der Oder. Kann man ganz einfach anahnd einer Karte nachvollziehen, falls die Geographie gerade nicht so im Kopf ist.

  6. 13.
    Antwort auf [Wolfram Schulz] vom 08.03.2023 um 20:14

    "Die Verseucher sind doch bekannt" Wer genau mit Beweisen, ohne dies kann man sonst nicht dagegen vorgehen. Vermutungen helfen nicht.

  7. 12.

    Bei "regulären" Toxinen besteht eine gewisse Chance bei einem Frühwarnsystem gewisse Spätfolgen zu begrenzen, wenn es sich um ein zeitlich kurz begrenztes Phänomen handelt. Aber nicht bei einem biologischen Phänomen, wie des massiven Wachstums und Präsenz der Goldalge im "gesalzenen" Süßwasser.
    Wie wollen sie da reagieren, die Oderlebewesen schnell und dauerhaft umsiedeln? Und wenn ja, wohin?
    Ist für mich einfach nur irre und "rechtsstaatlich" kaum zu ertragen, was da seit Kenntnis das Phänomens abläuft.

  8. 11.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 08.03.2023 um 22:45

    @TRAMSR
    Ratzdorf liegt an der Mündung der Neiße in die Oder.

  9. 10.

    "Vogel beklagt sich über Passivität des Bundes" -
    Das sagt der "Richtige". Messen, abwarten, verwildern lassen usw. usf.
    Zahlt der Bund zu wenig zum verteilen?
    Apropos Passivität. Was macht eigentlich die Rettung des Straussees Herr Vogel? Denn, der Straussee ist kein internationales, sondern ein brandenburger Gewässer.

  10. 9.

    Bei "regulären" Toxinen gebe ich ihnen Recht. Aber nicht bei dem völlig neuen Phänomen, des massiven Wachstum der Goldalge im "gesalzenen" Süßwasser.
    Wie wollen sie da reagieren, die Oderlebewesen schnell umsiedeln? Und wenn ja, wohin?
    Ist für mich erinfach nur irre und "rechtsstaatlich" kaum zu ertragen, was da seit Kenntnis das Phänomens abläuft.

  11. 8.

    Wenn die Ostsee immer salzärmer wird, wäre da ein salzhaltiger Zufluss über die Oder nicht sogar positiv zu sehen?

  12. 7.

    Abgefahrenes Engagement! Wasserflöhe ...lol, die werden es bringen...! Offensichtlich ist es auf ´Bundesebene´gerade total unwoke unserem neuen/alten ´Verbündeten´ in den ´Rücken´ zu fallen!

  13. 6.

    Also fassen wir mal zusammen?

    Passiert ist seit dem letztem Jahr nix.
    Niemand würde verklagt. Niemand müsste zahlen. Niemand war es.

    Polnischen Regierung wird scheinbar an keiner wirklichen Aufklärung interessiert sein. Bundesregierung duckt sich weg. EU-Ebene auch. Geht ja nur um viele Lebewesen in den Flüssen. Nicht um Macht und Waffen.

    Wird die Ostsee nicht immer salz- und daher sauerstoffärmer? Vielleicht sollte die Entsorgung im Fluss einfach untersagt werden.

  14. 5.

    Soll Deutschland erstmal Reparationen latzen

  15. 4.

    Ich stimme Vogel hier ausdrücklich zu. Ich vermisse auch, dass sich hier der Bund nicht längst mit höchster Priorität einschaltet und Polen auf höchster Ebene bei der unverändert hohen Salzlakeverklappung zum Handeln bewegt.
    Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass ein ganzer Landstrich mit Ansage ausgerottet wird, nur weil schwammige Reglungen der EU gepaart mit Skrupellosigkeit walten können.

    Alle reden doch die ganze Zeit von Diplomatie? Hier genau wäre diplomatisches Handeln auch möglich!!

  16. 3.

    Gegenmaßnahmen dürfte wohl schwierig werden wenn es so dicke wie letzten Sommer kommt.
    Schadensminimierung ist wohl eher die Devise.
    Schon das rechtzeitige Abstellen der Durch-/Überleiter ins Oderbruch wäre ein "Erfolg".
    Schleusenbetrieb bzw. Nachspeisung in den Kanal in EH einstellen.
    Der eine oder andere Fischer könnte mit frühzeitiger Warnung sicher etwas anfangen.
    Die Störzüchter des Leibnizinstituts z.B.

  17. 2.

    rbb: "Damit soll schon im obereren Flußlauf eine mögliche Gift-Konzentration gemessen werden können." Bitte Formulierung überarbeiten. Oder hat das der Minister wirklich so gesagt? Der obere Flußlauf der Oder liegt im mittleren Teil von Schlesien bis zum Odergebirge auf tschechischer Seite in den Sudeten. Diese Gebiete gehören bekanntlich nicht zu Deutschland, dort wird ein Brandenburger Minister wohl kaum eine brandenburger Meßstelle etablieren können auf exteritorialem Gebiet.

  18. 1.

    "Mit so einer neuen Station könne früher vor Giften im Oder-Wasser gewarnt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, so der Umweltminister weiter." Es wäre schön, wenn der Minister auch ausführen würde, welche Gegenmaßnahmen Ihm vorschweben, die dann noch zielführend eingeleitet werden können, wenn diese Meßstelle im Unterlauf der Oder anschlägt. Kann die Redaktion dazu nochmal nachfragen?

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