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Video: rbb24 Abendschau | 16.09.2022 | Quelle: dpa/Patrick Pleul

Fragen und Antworten

PCK Schwedt, was nun?

Die Bundesnetzagentur übernimmt die Treuhandverwaltung über Rosneft Deutschland. Doch die Auswirkungen sind unklar. Woher will die PCK-Raffinerie nun ihr Öl beziehen und was steckt hinter der Verordnung? Von Efthymis Angeloudis und Hasan Gökkaya

Wieso ist die PCK-Raffinerie in Schwedt jetzt unter Treuhandverwaltung?

Nicht nur die PCK-Raffinerie - die Bundesregierung hat am Freitag die Rohöl-Importeure Rosneft Deutschland (RDG) und RN Refining Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit übernimmt die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, Miro (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg).

Rosneft Deutschland vereint insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und ist damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Mit der Treuhandverwaltung werde der drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit begegnet und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt und die Zukunft des Standorts Schwedt gelegt, so das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag. Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr war.

Für Schwedt solle es zudem ein "umfassendes Zukunftspaket" geben, das einen "Transformationsschub" für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.

Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung

Bund übernimmt Kontrolle über PCK-Raffinerie in Schwedt

Lange haben die Menschen vor allem in der Uckermark um die PCK-Raffinerie in Schwedt gebangt. Nun greift der Bund ein. Die Bundesnetzagentur übernimmt die Kontrolle über Teile der PCK. So soll der Betrieb gesichert werden.

Ist denn PCK Schwedt so wichtig für die Region?

Die Raffinerie ist von großer Bedeutung für die Versorgung Ostdeutschlands und auch von Teilen Polens. Über die Erdölleitung "Druschba" ("Freundschaft") kommen nach Angaben der Raffinerie 25 Prozent des Rohölbedarfs Deutschlands. Rosneft hält gut 54 Prozent der Anteile, an dem Gemeinschaftsunternehmen sind auch die Shell Deutschland GmbH mit 37,5 Prozent und die Eni Deutschland GmbH mit 8,33 Prozent beteiligt.

95 Prozent der in der Region verbrauchten Kraftstoffe wie etwa Heizöl oder Benzin stammen von dort. Neun von zehn Fahrzeugen in Berlin und Brandenburg tanken Kraftstoffe der Schwedter Firma. Die PCK-Raffinerie, rund 120 Kilometer nordöstlich von Berlin, verarbeitet derzeit rund 220.000 Barrel Rohöl pro Tag. Neben 1.200 direkten Arbeitsplätzen sowie wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Zulieferern steht auch die Versorgung durch Kraft- und Brennstoffe auf dem Spiel. Auch die Belieferung des Flughafens BER mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme sind gefährdet.

Was verspricht sich die Bundesregierung von der Treuhandverwaltung der Rosneft-Anteile?

Die Bundesnetzagentur kann durch die Treuhandverwaltung Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Das könnte in den nächsten Monaten notwendig sein, denn die Bundesregierung plant als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine, ab Ende des Jahres kein Öl aus Russland mehr zu beziehen.

Der russischen Staatskonzerns Rosneft, der gut 54 Prozent der Anteile der PCK-Raffinerie hält, dürfte einer freiwilligen Beendigung der Lieferbeziehungen mit Russland nicht zustimmen. Das sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) dem Magazin "Wirtschaftswoche". Daher ist das bisherige Geschäftsmodell der Raffinerie hinfällig.

Aber auch Polen soll Öllieferungen über Danzig (Gdansk)an die Bedingung geknüpft haben, dass Rosneft keinen Einfluss mehr auf die Raffinerie in Schwedt hat.

Über die Treuhandverwaltung sichert sich die Bundesnetzagentur nun Entscheidungsfähigkeit über die Zukunft der PCK-Raffinerie.

Treuhandverwaltung von Rosneft

Scholz über PCK-Raffinerie Schwedt: "Die Hängepartie ist zu Ende"

Die Spitzen der Bundesregierung und Brandenburgs haben erklärt, warum der Bund die Kontrolle über die Raffinerie in Schwedt übernommen hat. Wirtschaftsminister Habeck betonte, die Versorgungssicherheit sei zusehends in Gefahr geraten.

Ist das eigentlich legal?

Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Novellierung im Energiesicherungsgesetz, die am 22. Mai in Kraft getreten ist. Danach kann ein Unternehmen, das kritische Infrastruktur im Sektor Energie betreibt., unter Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht das Unternehmen seine Aufgaben nicht erfüllen wird und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. In Folge der Anordnung ist die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschafter ausgeschlossen und ihre Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis beschränkt.

Unternehmen der kritischen Infrastruktur in der Energieversorgung können in solchen Fällen zeitlich befristet unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Als letztes geeignetes Mittel sieht die Gesetzesänderung auch die Möglichkeit einer Enteignung vor.

Muss der russische Öl-Konzern jetzt entschädigt werden?

Nein, denn die Eigentumsverhältnisse ändern sich vorerst nicht. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Eine Enteignung ist das nicht.

Wo bekommt die PCK-Raffinerie denn jetzt ihr Öl her?

Öl soll aus anderen Ländern importiert werden. Es soll vor allem mit Schiffen zum Hafen von Rostock kommen und über eine innerdeutsche Pipeline, die es bereits gibt, nach Schwedt gelangen. Auch stehen nationale Ölreserven aus anderen Bundesländern sowie Transporte aus Polen auf dem Plan, um den Betrieb der Raffinerie zu sichern. Auch kasachisches Öl ist schon länger für Schwedt im Gespräch. Es käme ebenfalls über die "Druschba"-Pipeline, wäre aber anders als russisches Öl nicht vom EU-Embargo betroffen.

Am Hafen von Rostock können wegen des beschränkten Tiefgangs Schiffe mit bis zu maximal 80.000 Tonnen entladen werden [rostock-port.de]. Zur Lagerung stehen Öl-Tanks mit einem Fassungsvermögen von 700.000 Tonnen zur Verfügung. Und: Es gibt von Rostock eine Pipeline nach Schwedt. Am Innendurchmesser dieser Pipeline orientiert, ist theoretisch der Transport von sechs Millionen Tonnen jährlich möglich.

Zusammen mit der möglichen Ölmenge über Danzig (Gdańsk) ist eine Verfügbarkeit von bis zu 7,5 Millionen Tonnen pro Jahr für die PCK Schwedt denkbar. Im Vergleich zu heute entspricht das einer Auslastung von rund 60 bis 65 Prozent. Der PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer bezifferte die Auslastung durch Öl über Rostock zuletzt auf 50 Prozent.

Ab wann kann man mit einer Umstellung auf Öl aus Rostock rechnen?

Grundsätzlich ist es möglich, große Mengen Öl über Rostock nach Schwedt zu bringen, um es in der Raffinerie zu verarbeiten. Jedoch muss das alles technisch erstmal funktionieren.

Außerdem ist im Fall der PCK-Raffinerie die Option einer Ersatzbelieferung mit Rohöl nicht ganz so einfach. Die Raffinerie ist auf russisches Erdöl ausgelegt. Öl lässt sich unterscheiden in leichtes und schweres, süßes und saures Öl. Das kommt auf den Schwefelgehalt an. Eine Umstellung der Raffinerien würde nach Ansicht des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie e. V. (EN2X) mehrere Monate dauern.

Eine unerwartete Lösung könnte jedoch Öl aus Venezuela sein, denn dies verfügt über ähnliche chemische Eigenschaften wie das russische Öl, was die Verarbeitung in der PCK-Raffinierie unkomplizierter machen würde. Vor einigen Monaten haben die USA Öllieferungen aus Venezuela in die EU nach mehreren Jahren wieder erlaubt. Laut einem Bericht des "Handelsblatts" bemüht sich die Bundesregierung nun über ihre diplomatischen Kanäle herauszufinden, ob es sich um einzelne Ausnahmen handelt oder ob die USA Ölexporte aus Venezuela generell erleichtern wollen.

Sollte letzteres der Fall sein, wäre Öl aus dem lateinamerikanischen Land für die Verarbeitung in Schwedt denkbar.

Wird es jetzt zu Benzinknapppheit kommen?

Analysten schließen weiterhin nicht aus, dass es regional zu Kraftstoffengpässen kommen könnte. Der Preis für Benzin und Diesel dürfte aber eher vom globalen Markt abhängen und weniger von der Umstellung einer Raffinerie. Zuletzt litt der Ölmarkt unter der weltweit schwächelnden Konjunktur. Der Preis für ein Fass der Nordsee-Sorte Brent ist in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Während ein Barrel Öl im März noch mehr als 120 Dollar kostete, liegt der Preis nun bei etwa 90 Dollar.

Sendung: rbb Spezial, 16.09.2022, 20:15 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis und Hasan Gökkaya

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