Fragen und Antworten - PCK Schwedt, was nun?

Fr 16.09.22 | 14:37 Uhr | Von Efthymis Angeloudis und Hasan Gökkaya
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Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Abendschau | 16.09.2022 | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die Bundesnetzagentur übernimmt die Treuhandverwaltung über Rosneft Deutschland. Doch die Auswirkungen sind unklar. Woher will die PCK-Raffinerie nun ihr Öl beziehen und was steckt hinter der Verordnung? Von Efthymis Angeloudis und Hasan Gökkaya

Wieso ist die PCK-Raffinerie in Schwedt jetzt unter Treuhandverwaltung?

Nicht nur die PCK-Raffinerie - die Bundesregierung hat am Freitag die Rohöl-Importeure Rosneft Deutschland (RDG) und RN Refining Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit übernimmt die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, Miro (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg).

Rosneft Deutschland vereint insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und ist damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Mit der Treuhandverwaltung werde der drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit begegnet und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt und die Zukunft des Standorts Schwedt gelegt, so das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag. Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr war.

Für Schwedt solle es zudem ein "umfassendes Zukunftspaket" geben, das einen "Transformationsschub" für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.

Ist denn PCK Schwedt so wichtig für die Region?

Die Raffinerie ist von großer Bedeutung für die Versorgung Ostdeutschlands und auch von Teilen Polens. Über die Erdölleitung "Druschba" ("Freundschaft") kommen nach Angaben der Raffinerie 25 Prozent des Rohölbedarfs Deutschlands. Rosneft hält gut 54 Prozent der Anteile, an dem Gemeinschaftsunternehmen sind auch die Shell Deutschland GmbH mit 37,5 Prozent und die Eni Deutschland GmbH mit 8,33 Prozent beteiligt.

95 Prozent der in der Region verbrauchten Kraftstoffe wie etwa Heizöl oder Benzin stammen von dort. Neun von zehn Fahrzeugen in Berlin und Brandenburg tanken Kraftstoffe der Schwedter Firma. Die PCK-Raffinerie, rund 120 Kilometer nordöstlich von Berlin, verarbeitet derzeit rund 220.000 Barrel Rohöl pro Tag. Neben 1.200 direkten Arbeitsplätzen sowie wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Zulieferern steht auch die Versorgung durch Kraft- und Brennstoffe auf dem Spiel. Auch die Belieferung des Flughafens BER mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme sind gefährdet.

Was verspricht sich die Bundesregierung von der Treuhandverwaltung der Rosneft-Anteile?

Die Bundesnetzagentur kann durch die Treuhandverwaltung Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Das könnte in den nächsten Monaten notwendig sein, denn die Bundesregierung plant als Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine, ab Ende des Jahres kein Öl aus Russland mehr zu beziehen.

Der russischen Staatskonzerns Rosneft, der gut 54 Prozent der Anteile der PCK-Raffinerie hält, dürfte einer freiwilligen Beendigung der Lieferbeziehungen mit Russland nicht zustimmen. Das sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) dem Magazin "Wirtschaftswoche". Daher ist das bisherige Geschäftsmodell der Raffinerie hinfällig.

Aber auch Polen soll Öllieferungen über Danzig (Gdansk)an die Bedingung geknüpft haben, dass Rosneft keinen Einfluss mehr auf die Raffinerie in Schwedt hat.

Über die Treuhandverwaltung sichert sich die Bundesnetzagentur nun Entscheidungsfähigkeit über die Zukunft der PCK-Raffinerie.

Ist das eigentlich legal?

Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Novellierung im Energiesicherungsgesetz, die am 22. Mai in Kraft getreten ist. Danach kann ein Unternehmen, das kritische Infrastruktur im Sektor Energie betreibt., unter Treuhandverwaltung gestellt werden, wenn die konkrete Gefahr besteht das Unternehmen seine Aufgaben nicht erfüllen wird und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. In Folge der Anordnung ist die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschafter ausgeschlossen und ihre Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis beschränkt.

Unternehmen der kritischen Infrastruktur in der Energieversorgung können in solchen Fällen zeitlich befristet unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Als letztes geeignetes Mittel sieht die Gesetzesänderung auch die Möglichkeit einer Enteignung vor.

Muss der russische Öl-Konzern jetzt entschädigt werden?

Nein, denn die Eigentumsverhältnisse ändern sich vorerst nicht. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Eine Enteignung ist das nicht.

Wo bekommt die PCK-Raffinerie denn jetzt ihr Öl her?

Öl soll aus anderen Ländern importiert werden. Es soll vor allem mit Schiffen zum Hafen von Rostock kommen und über eine innerdeutsche Pipeline, die es bereits gibt, nach Schwedt gelangen. Auch stehen nationale Ölreserven aus anderen Bundesländern sowie Transporte aus Polen auf dem Plan, um den Betrieb der Raffinerie zu sichern. Auch kasachisches Öl ist schon länger für Schwedt im Gespräch. Es käme ebenfalls über die "Druschba"-Pipeline, wäre aber anders als russisches Öl nicht vom EU-Embargo betroffen.

Am Hafen von Rostock können wegen des beschränkten Tiefgangs Schiffe mit bis zu maximal 80.000 Tonnen entladen werden [rostock-port.de]. Zur Lagerung stehen Öl-Tanks mit einem Fassungsvermögen von 700.000 Tonnen zur Verfügung. Und: Es gibt von Rostock eine Pipeline nach Schwedt. Am Innendurchmesser dieser Pipeline orientiert, ist theoretisch der Transport von sechs Millionen Tonnen jährlich möglich.

Zusammen mit der möglichen Ölmenge über Danzig (Gdańsk) ist eine Verfügbarkeit von bis zu 7,5 Millionen Tonnen pro Jahr für die PCK Schwedt denkbar. Im Vergleich zu heute entspricht das einer Auslastung von rund 60 bis 65 Prozent. Der PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer bezifferte die Auslastung durch Öl über Rostock zuletzt auf 50 Prozent.

Ab wann kann man mit einer Umstellung auf Öl aus Rostock rechnen?

Grundsätzlich ist es möglich, große Mengen Öl über Rostock nach Schwedt zu bringen, um es in der Raffinerie zu verarbeiten. Jedoch muss das alles technisch erstmal funktionieren.

Außerdem ist im Fall der PCK-Raffinerie die Option einer Ersatzbelieferung mit Rohöl nicht ganz so einfach. Die Raffinerie ist auf russisches Erdöl ausgelegt. Öl lässt sich unterscheiden in leichtes und schweres, süßes und saures Öl. Das kommt auf den Schwefelgehalt an. Eine Umstellung der Raffinerien würde nach Ansicht des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie e. V. (EN2X) mehrere Monate dauern.

Eine unerwartete Lösung könnte jedoch Öl aus Venezuela sein, denn dies verfügt über ähnliche chemische Eigenschaften wie das russische Öl, was die Verarbeitung in der PCK-Raffinierie unkomplizierter machen würde. Vor einigen Monaten haben die USA Öllieferungen aus Venezuela in die EU nach mehreren Jahren wieder erlaubt. Laut einem Bericht des "Handelsblatts" bemüht sich die Bundesregierung nun über ihre diplomatischen Kanäle herauszufinden, ob es sich um einzelne Ausnahmen handelt oder ob die USA Ölexporte aus Venezuela generell erleichtern wollen.

Sollte letzteres der Fall sein, wäre Öl aus dem lateinamerikanischen Land für die Verarbeitung in Schwedt denkbar.

Wird es jetzt zu Benzinknapppheit kommen?

Analysten schließen weiterhin nicht aus, dass es regional zu Kraftstoffengpässen kommen könnte. Der Preis für Benzin und Diesel dürfte aber eher vom globalen Markt abhängen und weniger von der Umstellung einer Raffinerie. Zuletzt litt der Ölmarkt unter der weltweit schwächelnden Konjunktur. Der Preis für ein Fass der Nordsee-Sorte Brent ist in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Während ein Barrel Öl im März noch mehr als 120 Dollar kostete, liegt der Preis nun bei etwa 90 Dollar.

Sendung: rbb Spezial, 16.09.2022, 20:15 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis und Hasan Gökkaya

31 Kommentare

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  1. 31.

    Na dann hätte Russland das genau als Gegensanktion verhängen müssen.

    Dann könnte man vor der WHO verhandeln, ob Russland dazu berechtigt ist. So bleibt Gazprom selbst verantwortlich für den Lieferstopp gegenüber den deutschen Importeuren.

    Sanktionen sind immer zwischenstaatlich, Firmen müssen sich dran halten. Ohne Sanktionen gelten die Verträge zwischen den Unternehmen, mit Sanktionen nicht mehr.

  2. 30.

    Glauben Sie, dass Sanktionen von dem Sicherheitsrat beschlossen werden müssen?

    https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/177246/sanktionspolitik-der-eu/

    Ähnliches gilt auch für die USA. Der Zwang sich dran zu halten ergibt sich nur durch die Teilnahme am US Wirtschaftsraum. War bei NS2 ja ähnlich, Firmen die mit oder in den USA noch Geschäfte machen wollen mussten sich dran halten.

  3. 29.

    Die USA hatten auch vor dem Krieg keine Absatzprobleme. Die müssen gerade massiv investieren und Kapas ausbauen, um die Nachfrage halbwegs zu bedienen.

  4. 28.

    Vielleicht hilft der Blick in die Grundsatzrede zur Sicherheitsstrategie:
    https://www.bmvg.de/de/aktuelles/grundsatzrede-zur-sicherheitsstrategie-5494864

  5. 27.

    Auch falsch, weil es keine andere Begründung für Russlands Forderung nach Einstellung der Sanktionen gibt. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich die militärische Unterlegenheit vielleicht durch taktischer Überlegenheit ausgleichen, Fakt bleibt aber dass das militärische Vermögen Russlands und damit verbündeten weiteren Verbrecherstaaten den Möglichkeiten des Westens entgegensteht. So sehr mir die Haltung von Scholz missfällt, so hat er dennoch Recht, dass die Bundeswehr nicht alles hergeben kann, denn auch das würde Russland und Consorten in die Karten spielen.

  6. 26.

    "Russlands Staatsunternehmen Gazprom wird vertragsbrüchig durch die nicht Lieferung vertraglich festgelegter Gasmengen." Man könnte auch einfach sagen: Sanktionen und Gegensanktionen. Ich denke mal, daß wir mit den Sanktionen auch bei einigen Lieferungen/Verträgen im gleichen Sinne aus der Sicht von Rußland vertragsbrüchig geworden sind.
    N.b. Uniper gehört dem finnischen Konzern Fortum der mehrheitlich auch in finnischer Staatshand ist. Wir retten also gerade mit uniper de facto ein finnisches Staatsunternehmen.

  7. 25.

    Danke. Ist wohl an mir vorbeigegangen, daß der UN-Sicherheitsrat das beschlossen hatte.

  8. 24.

    Ich hab nicht geschrieben, dass US Tanker Öl aus Russland transportieren. Sie haben völlig Recht mit ihren Aussagen. Meine bezogen sich rein auf den Transport der USA etc. mit ihren Produkten, auch Gas. Das spielt ja in dem Konflikt mit eine große Rolle. Ich ging fsvon aus, wer sich mit dem Thema beschäftigt, weiß auch um diese Tatsache.

  9. 23.

    Treuhand ! Zu treuen Händen !
    Ich erinnere mich noch Anfang der 90 er , wie DDR -Firmen für 1 DM verscherbelt wurden .
    Schwierig , schwierig !!!!!

  10. 22.

    US Tanker transportieren kein russisches Öl, das machen schon die griechischen Reedereien.

    In einem anderen PCK Artikel hatte ich die 2 größten Reedereien bezüglich Transport rusdischen Öls schon genannt.

    Wer suchet der findet..

  11. 21.

    Sie beantworten doch die Aussagen selbst. Der Atomkrieg. Jeder der Argumente in Richtung Durchmarsch der Russen von sich gibt ist doch rein aus Idealismus und Beeinflussung angetrieben. Ein Schritt in Richtung Nato und es ist für sehr viele für uns aus! Wollte er dies tatsächlich, dann würden wir hier gar nicht mehr kommentieren. Die Frage ist doch dann eher wozu dient diese Auseinandersetzung und was steckt tatsächlich dahinter. Glauben Sie ernsthaft, dass was uns erzählt wird ist die Wahrheit. Niemand hat vor eine Mauer zu bauen. Das schlimmste hieraus ist, dass Menschen sterben aufgrund der Verwicklungen der Parteien die aktiv sind, in dieser Auseinandersetzung!
    Schon das Argument Abhängigkeit ist eine Lüge, mit dem Plan jetzt tauschen wir sehr teuer den Anbieter, wer ist der Profiteur des Konfliktes. Kann jeder nachlesen was Tanker aus den USA für Profit machen. Nicht nur der Russe. Und die Frequenz der USA und weitere ist viel höher als die Tanker Flotte der Russen.

  12. 20.

    https://www.tagesschau.de/kommentar/rosneft-115.html
    Einfach mal diesen klugen Kommentar lesen.
    Vor allem für die Anhänger der Grünen Ampel.

  13. 19.

    Denkwürdiger Scholz-Auftritt: Biden droht final mit Nord-Stream-2-Aus - Reaktion des Kanzlers verblüfft. (WELT) Biden hat seinen Adlatus Scholz unmissverständlich die Richtung der Reise erklärt.

  14. 18.

    Und wieder ist von Schiffen die Rede
    Und wieder sage ich , dass ist Augenwischerei
    Schwedt kann nicht mit Schiffen ausgelastet werden
    es wird Massiv Kurzarbeit geben

  15. 17.

    Die zwischenstaatlichen Sanktionen sind nach internationalem Recht zulässig gegenüber einem Land, was einen Angriffskrieg gegen seinen Nachbarn führt.

    Russlands Staatsunternehmen Gazprom wird vertragsbrüchig durch die nicht Lieferung vertraglich festgelegter Gasmengen.

  16. 16.

    Nach der letzten Wahlfälschung durch den dortigen Diktator wurden entsprechende Sanktionen verhängt.

  17. 15.

    "Schon mal was von irrer Iwan gehört?" Jagd auf Roter Oktober.
    Die hiesige Generalität möge mir meine Flapsigkeit verzeihen.

  18. 14.

    Oppermann lügt in den Tagesthemen. Den Wirtschaftskrieg haben USA und EU mit Sanktionen begonnen.

  19. 12.

    >"und das glauben Sie wirklich ? angesichts des bisher so " erfolgreichen " Krieges der Russen ? dass man im Kreml aus lauter Übermut und militär-technicher Überlegenheit einen Waffengang gegen Nato-USA erwägt ?"
    Schon mal was von irrer Iwan gehört? So bewegt sich Putin derzeit durch die Weltgeschichte. Wer mit den eigenen gleichgeschalteten Medien im Land und fragwürdigen Geschichtsdeutungen, dass das Russische Reich bis an die Oder einst reichte, die Menschen im Land scon mal mental auf Krieg einschwört, der hat da mehr im Sinn als nur die Ukraine. Und vergessen Sie mal nicht: Der rote Atomknopf ist ihm quasi in die Hand implantiert.

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