E-Autoproduktion in Grünheide (Oder-Spree) - Rechtsexperte hält Tesla-Arbeitsvertrag für teilweise rechtswidrig

Mi 08.02.23 | 15:54 Uhr | Von Philip Barnstorf
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Archivbild: Arbeiter gehen über das Werksgelände der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg vom US-Elektroautobauer Tesla. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 08.02.2023 | P. Barnstorf | Bild: dpa/P. Pleul

Tesla verpasst Mitarbeitern in Grünheide rigoros einen Maulkorb. Das zeigt ein Dokument, das dem rbb exklusiv vorliegt. Experten sehen darin Gesetzesverstöße und eine Gefährdung des Datenschutzes. Ein Anwalt von Tesla widerspricht. Von Philip Barnstorf

Der Elektroautohersteller Tesla ist bekannt dafür, sich hermetisch abzuriegeln. Das Unternehmen redet kaum mit Journalisten, wurde mit einem Negativpreis für seine Intransparenz “ausgezeichnet” und steht in dem Ruf, Mitarbeiter unter Druck zu setzen. Sie sollten am besten gar nichts aus dem Werksinneren nach außen tragen. Dem rbb sind nun Dokumente zugespielt worden, die diesen Eindruck verstärken. Nach Meinung von Experten zeigen sie rechtlich bedenkliche und teils sogar rechtswidrige Praktiken bei Brandenburgs großer Wirtschaftshoffnung.

"Den Mitarbeiter trifft die Beweislast"

Zunächst geht es um einen Arbeitsvertrag aus dem Grünheider Werk, der dem rbb in Ausschnitten vorliegt. Der Vertrag verpflichtet den Mitarbeiter zunächst, "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse streng geheim zu halten". Diese Verschwiegenheitspflicht gelte nur dann nicht, heißt es da, wenn die Betriebsgeheimnisse sowieso schon öffentlich sind, wenn sie rechtmäßig von Dritten erlangt werden oder wenn sie vom Mitarbeiter selbst und unabhängig von Tesla entwickelt wurden. Soweit ist das nichts Besonderes. Der dann folgende Satz ist dagegen kritisch: "Für den Nachweis der vorherigen Kenntnis trifft den/die Mitarbeiter*in die Beweislast."

Vertrag könnte Mitarbeiter einschüchtern

Wenn Tesla also einem Mitarbeiter vorwirft, Geschäftsgeheimnisse weitergegeben zu haben, muss der nachweisen, dass eine der Ausnahmebedingungen erfüllt ist. Dazu sagt Johannes Weberling, Anwalt und Universitätsdozent für Arbeitsrecht: “Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht zu seinen Lasten besondere Pflichten auferlegen, die der Arbeitnehmer möglicherweise gar nicht erfüllen kann und wo er automatisch Fehler macht.” Das heißt: Für Angestellte dürfte es unter Umständen schwer sein, nachzuweisen, dass eine der Bedingungen erfüllt ist. Der Passus könnte daher Mitarbeiter vor allem einschüchtern und sie dazu verleiten, weniger über ihre Arbeit zu reden, als sie dürfen. Weberling sieht deshalb einen Verstoß gegen das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Tesla-Anwalt sieht kein Problem

Wie viele Mitarbeiter solche Arbeitsverträge unterschrieben haben, beantwortet Tesla auf Nachfrage des rbb nicht. Stattdessen verweist das Unternehmen auf seinen Anwalt Bernd Weller, der den Vertrag mitentworfen hat.

Weller äußerte sich zunächst im Telefon-Interview mit dem rbb, ein zugesagtes Interview vor der Kamera sagte er jedoch wenige Stunden vor dem Termin wieder ab: Tesla wolle nicht, dass "das Thema zu großes Gewicht bekommt". Folgende Statements aus dem Telefoninterview bestätigte der Arbeitsrechtsanwalt später aber schriftlich: "Wann Mitarbeiter Geschäftsgeheimnisse weitergeben dürfen, ist rechtlich immer kompliziert und nicht einfach zu beantworten", schreibt Weller, "Insofern sind auch die arbeitsvertraglichen Regelungen dazu stets etwas komplexer". Daher denke er nicht, dass Mitarbeiter von der Komplexität der Klausel eingeschüchtert seien. Generell liege die Beweislast in solchen Fällen beim Arbeitnehmer.

Mitarbeiter sollen so wenig wie möglich mit Behörden kooperieren

An anderer Stelle definiert der Arbeitsvertrag, was Mitarbeiter tun sollen, wenn staatliche Behörden wie Gerichte oder Polizei sie zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verpflichten. Sowas müsse der Angestellte Tesla "soweit rechtlich zulässig" sofort mitteilen, damit das Unternehmen "rechtliche Maßnahmen zur Unterbindung der Offenlegung einleiten kann". Außerdem müsse der Mitarbeiter "die Unterlagen bis zu einer etwaigen Entscheidung zurückhalten", wenn Tesla ihn dazu auffordert. Weiter heißt es: "In jedem Fall muss der/die Mitarbeiter*in alle vernünftigen Schritte unternehmen, um die Offenlegung der Informationen im größtmöglichen Umfang zu verhindern oder zu beschränken."

Rechtsexperte: Vertragsklauseln sind rechtswidrig

Arbeitsrechtsexperte Weberling kritisiert: "Der Mitarbeiter wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten haben zu beurteilen, ob er überhaupt die Offenlegung von Informationen gegenüber staatlichen Informationsersuchen verweigern darf." Angestellte dürften also nicht genau wissen, was sie in so einer Situation dürfen und was nicht. Das liegt laut Weberling auch daran, dass "vernünftige Schritte" ein "unbestimmter Rechtsbegriff" sei.

Das aber könne böse Folgen haben: Wenn nämlich Angestellte Informationen verweigern, die rechtskonform von Staatsbehörden eingefordert werden, können sie sich strafbar machen. "So etwas darf ein Unternehmen von einem Mitarbeiter auf keinen Fall verlangen", fasst Weberling seine Kritik zusammen. Der Viadrina-Dozent ist sich sicher: Sollte so ein Vertrag vor einem Arbeitsgericht landen, würden die Richter beide Klauseln für unwirksam erklären, "und zwar schon in erster Instanz".

Tesla-Anwalt Bernd Weller sieht das anders. "Unbestimmte Rechtsbegriffe gehören selbstverständlich zum Rechtswesen dazu", schreibt er. "Ein Arbeitsgericht würde die Klauseln nicht für ungültig erklären, sondern sich die Mühe machen zu interpretieren, was ‘vernünftige Schritte’ sein könnten."

Aber nicht nur der Vertrag erregt Anstoß: Dem rbb liegt außerdem eine Informationsbroschüre vor, die Tesla per Email an Mitarbeiter in Grünheide verschickt hat. Laut dem Dokument werden Tesla-Angestellte immer wieder von Außenstehenden nach "vertraulichen Informationen" aus der Fabrik gefragt. So hätten sich etwa Menschen, "die sich als Marktforscher ausgeben", über eine Internetplattform an Werksmitarbeiter gewandt. Auch auf dem Weg zur Arbeit seien Angestellte von "Personen, die sich als Journalisten ausgeben", auf vertrauliche Informationen angesprochen worden. Schließlich wird auch eine Situation beschrieben, in der private "Freunde" sich bei Mitarbeitern nach "exklusiven Autolackfarben von Giga Berlin" erkundigt hätten. Die Broschüre fordert die Mitarbeiter auf, solche Fälle der Informationssicherheitsabteilung des Werkes zu melden. Sie sollten "wenn möglich, so viele Details wie möglich mitteilen", etwa was gefragt wurde "und wer die Person behauptete zu sein".

Stiftung Datenschutz fürchtet um Persönlichkeitsrechte

Tesla ist als Unternehmen stark von seinen exklusiven Innovationen abhängig. Dass der Konzern sich mithilfe von Informationssicherheits-Experten gegen Wirtschaftsspionage wehrt, ist nachvollziehbar. Aber in diesem Dokument hält Tesla Mitarbeiter dazu an, sogar private Bekannte zu melden, wenn sie nach vertraulichen Informationen fragen. Geht das Unternehmen damit zu weit?

Die bundeseigene Stiftung Datenschutz sagt: Ja. "Sobald sich Daten auf eine bestimmte Person beziehen und in Teslas Computern auf irgendeine Weise verarbeitet werden, etwa indem sie gespeichert oder verschickt werden, gilt das volle Datenschutzrecht", erklärt der Stiftungsvorstand Frederick Richter. Tesla müsste Menschen, über die das Unternehmen ohne deren Wissen Daten speichert, darüber informieren. Es erscheine unwahrscheinlich, dass Tesla von Mitarbeitern erst erfragt, wer die nach Interna fragende Person "behauptete zu sein" - und diese Informationen dann nicht speichert.

Landesdatenschutzbeauftragte: "Kein Anlass, an Tesla heranzutreten"

Bricht Tesla also Datenschutzrecht? Das Büro der Brandenburgischen Landesdatenschutzbeauftragten sieht angesichts der Broschüre "keinen Anlass, an das Unternehmen heranzutreten". Die Aufforderung, Informationen an Tesla weiterzugeben, sei "recht offen". Außerdem bestehe "ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an der Verhinderung der Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen", wie die Behörde dem rbb mitteilte. Nur falls Tesla gesammelte Daten über Dritte "in großem Umfang verarbeitet", ergebe sich "eine datenschutzrechtliche Relevanz". Was also macht Tesla mit den von den Mitarbeitern erfragten Informationen? Darauf hat das Unternehmen auf Nachfrage nicht geantwortet.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

21 Kommentare

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  1. 21.

    Herr Josti, wer hat ihnen diese Dummheit geflüstert, dass
    „Aktuell über 9.000 AN können offensichtlich ganz gut mit den Konditionen von Tesla leben?“
    Angestellte können es nicht gewesen sein, die ihnen das gesagt haben. Ans Schweigegelübde gebunden laufen sie Gefahr, dass sie vor den Kadi geschleppt werden. In den USA z.B. verklagt sie Herr Musk auf mehrere Millionen Euro Schadenersatz. Am Ende brauchen sie nur lumpige 400.000 Euro bezahlen. Auch diese Summe kann nicht jeder aufbringen, vielleicht sie Herr Josti?
    Frei entscheiden können die Menschen auch nicht. Dazu zwingt sie das Arbeitsamt. Wenn sie die angebotene Drecksarbeit nicht annehmen, landen sie schnell auf der Straße und können dann bei eisigen Temperaturen irgendwo unter einer Brücke schlafen, d.h. wenn sie auch dort nicht verjagt werden.
    Außerdem entgegen der Politpropaganda ein hoher Prozentsatz der Tesla-Angestellte kommt aus unterprivilegierten Ländern. Die sind gezwungen jegliche Arbeit anzunehmen.

  2. 20.

    Frau Andrea sie wissen doch der Herr Musk ist geizig, aber vielleicht haben sie etwas Geld übrig.

  3. 19.

    In Brandenburg wohnen viele Tesla-Mitarbeiter in Fürstenwalde und Storkow. Was bekommen Sie von Musk, damit Sie hier ständig satirische Beiträge über die Tesla-Kritiker schreiben?

  4. 18.

    Herr Kai sind sie einer von Teslas Spitzel oder woher haben sie die Arbeitsverträgen ihrer Kunden,"
    Ach, man muß da nachsichtig sein-es sind nicht die besten Köpfe, die sich für die PR-Arbeit in Internetforen hergeben.

  5. 17.

    Es tut leid, immer wieder über den Reichen zu richten.
    Deshalb an unsere beiden Besten, habt Eier und sagt dem Reichen Tesla, Übung beenden - Ausgangslage wieder herstellen.
    Das wär okay und wir Anwohner ersparen uns viel Ärger.

  6. 16.

    Herr Kai sind sie einer von Teslas Spitzel oder woher haben sie die Arbeitsverträgen ihrer Kunden, die bei Tesla angestellt sind? Wenn ihre Aussage stimmen sollte und Tesla davon erfährt, dann laufen ihre Kunden Gefahr nicht nur gefeuert zu werden sondern auch vor Gericht gezerrt zu werden, damit sie das Geld, das sie als Lohn mal erhalten haben, wieder an Tesla zurückzahlen müssen. Am Ende könnte sich herausstellen, dass sie nicht nur zum Nulltarif oder sogar zum Minustarif bei Tesla arbeiten durften, Vielleicht ist das sogar Teslastrategie, indem der Konzern die Leute für sich arbeiten lässt, ihnen kurzfristig dafür Geld leiht, dass er sich durch Gerichtsbeschluss wieder zurückholt. Das wäre ein tolles Geschäftsmodell zu Lasten der Tesla-Sklaven. Wir haben es eben mit einem Visionär zu tun.

  7. 15.

    Wer sich unter Verwendung dienstlichen Wissens zu Rechtsvorgängen äußert macht sich strafbar.

  8. 14.

    Welche schlechte Bezahlung? Sofern Sie keine Ahnung haben wovon Sie reden, sollten Sie lieber ruhig sein.

    Ca. 60 meiner (ehem.) Kunden sind mittlerweile im Tesla Werk angestellt. Aufgrund dessen liegen mir auch die Arbeitsverträge vor. Selbst einfache Lageristen verdienen dort so gut, dass sie nunmehr nicht mehr im Bürgergeldbezug stehen müssen.

    Aber schön polemisch-stumpf dem Tesla Bashing gefolgt, oder?

  9. 13.

    Wir leben in einer Gesellschaft, wo jeder frei entscheiden kann, auf was er sich einlässt oder nicht. Man kann sich auch jederzeit beraten lassen.

    Aktuell über 9.000 AN können offensichtlich ganz gut mit den Konditionen von Tesla leben.

  10. 12.

    Einfach keinen Tesla kaufen, allein schon wegen den hohen Preis und der schlechten Qualität und der schlechten Bezahlung.

  11. 11.

    Ich finde den Bericht gut und sachlich. Ein Rechtsexperte der sich auskennt sagt was dazu, aber scheinbar gibt es hier viele selfmade Rechtsexperten. Mich erstaunt wie leichtgläugib hier manche Schreiber sind. Sehr naiv. Dies ist keine gängige Praxis und das Arbeitstecht sollte eingehalten werden!

  12. 9.

    Auch ein Direktionsrecht hat Grenzen. Das in den letzten Absätzen des Berichts beschriebene Vorgehen hat schon was von Stasi.... Aber Herr fronzek hat bestimmt seine antidemokratische Sicht auf das ganze Gebahren gegenüber den Mitarbeitenden dieses Unternehmens.
    Werk auf hiesigem Boden bedeutet, hiesiges Recht zu respektieren und anzuwenden. Da gibt´s keine Ausnahmen, auch nicht für einen visionären Vortänzer.

  13. 8.

    Es ist doch keine Besonderheit, dass im Arbeitsvertrag ungültige klauseln stehen oder dass der Arbg etwas verlangt, was er eigentlich nicht verlangen darf. Da dies taglich und haufig in Deutschland passiert, finde ich nichts aufregendes in ihrem Bericht. Spreche aus Jahrzehnte langer Erfahrung als BR vorsitzender und ehrenamtlicher Richter.

  14. 7.

    Also wenn Tesla einem Mitarbeiter kündigt, weil Tesla einen Geheimnisverrat beweisen kann, dann muss schon der Mitarbeiter beweisen, dass er das verraten durfte. Nichts anderes bedeutet "Für den Nachweis der vorherigen Kenntnis trifft den/die Mitarbeiter*in die Beweislast." Den eigentlich Geheimnisverrat muss schon Tesla erst einmal beweisen, sonst würde es absurd vorm Arbeitsgericht bei der Kündigungsschutzklage.

    Also Leute irgendwann wirds lächerlich...

  15. 6.

    Landesdatenschutzbeauftragte: "Kein Anlass, an Tesla heranzutreten". Sehe ich auch so. Was Tesla da macht, liegt im Rahmen des Direktionsrechts und ist nicht zu beanstanden.

  16. 5.

    Es muss sich noch der Eine oder Andere daran gewöhnen, dass Diversität auch was ganz anderes sein kann. Ob Arbeit, Freizeit oder FKK-Strand und Sauna.

  17. 4.

    Also das überrascht mich jetzt keineswegs und erinnert mich daran wie die Post AG versucht hatte alle Kollegen am Arbeitsplatz in den Briefzentren per Video Überwachung auszuspionieren. Was dann die Gewerkschaft erfolgreich abschmettern konnte.

  18. 3.

    Also hier wird mal wieder ein riesen Popanz aufgebaut! Prinzipiell ist jeder Mitarbeiter oder Auftragnehmer zur Loyalität und Verschwiegenheit gegenüber seinem Auftraggeber oder Arbeitgeber verpflichtet und unterschreibt auch entsprechende Geheimhaltungsklauseln. Ob diese im Fall Tesla rechtens sind, haben im Streitfall Gerichte zu entscheiden.
    Tesla muss seine Erfindungen und Fertigungstechnologien schützen und sichert sich entsprechend ab.
    In der deutschen Konkurrenz geht die Angst vor dem modernsten und produktivsten Autowerk in Grünheide um. Viele Mitarbeiter wechseln deshalb zu Tesla. Der RBB sollte sich an dieser Stimmungsmache nicht beteiligen.

  19. 2.

    tja, der Elon wusste schon, warum er Millionen Fördermittel abgelehnt hat. Da kann ihm wenigstens keiner reinreden.

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