rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Audio: rbb24 Inforadio | 07.09.2022 | Anja Dobrodinsky | Quelle: dpa/Ute Grabowsky

Strategien im Kampf gegen Fachkräftemangel

"Hast du schonmal über eine Ausbildung im Handwerk nachgedacht?"

Immer mehr große Konzerne investieren in ihre Personalabteilungen. Bei der Suche nach Fachkräften kommen reichlich Geld und kreative Ideen zum Einsatz. Kleinere Betriebe tun sich damit oft schwer - ziehen aber nach. Von Anja Dobrodinsky

Sven Röder ist Bäcker in Werder an der Havel. Schon seit zwei Jahren sucht er Verstärkung. Anfangs begnügte er sich damit, seine freie Stelle der Arbeitsagentur zu melden. Später versuchte er es mit Plakatwerbung, dann mit privaten Arbeitsvermittlern.

Alles half immer nur vorübergehend. Mal kamen Zeitarbeitskräfte aus Polen, mal ukrainische Geflüchtete. Doch nie für lange.

Nun hat er eine Agentur engagiert, die ein Video mit ihm gedreht hat. Röder ist bei der Arbeit zu sehen, das Mehl stiebt, Brotlaibe werden geformt und am Ende kommt dann sein Aufruf: "Wir sind die Bäckerei Zillmann. Du möchtest Handarbeit und Tradition weiterführen? Dann komm zu uns."

Werbekampagne soll Fachkräfte anlocken

Neue Brandenburger Werbeslogans im Kampf um kluge Köpfe

Das Land wirbt künftig im Internet und auf Volksfesten mit einer Umdeutung der Alt-Berliner Redewendung "JWD" um Zuzügler. Brandenburg will sich vor Fachkräften als Land mit günstiger Work-Life-Balance vorstellen. Von Nico Hecht

"Teurer Spaß"

Während die Registrierung von offenen Stellen bei der Arbeitsagentur kostenlos ist, hat Röder für die Plakatwerbung ein paar Hundert Euro ausgegeben. Die Vermittler kosten noch mehr. Und das Video inklusive Facebook-Kampagne war dann ein richtig "teurer Spaß, die Mercedes-Variante", sagt er.

9.000 Euro hat Röder dafür ausgegeben. Und wenn man ehrlich sei, sagt Sven Röder, sei das Video ein Versuch, Bäcker bei der Konkurrenz abzuwerben. Doch es bleibe ihm einfach nichts anderes übrig. Seit drei Wochen sei das Video online, gemeldet habe sich trotz allem noch niemand.

Modernes Handwerk

Auch die Sanitär- und Heizungsfirma Bäder Jänicke in Beelitz sucht neue Beschäftigte. Sie braucht Anlagenmechaniker und versucht es über Instagram. Hier postet einer der Mitarbeiter regelmäßig Fotos und Videos von seiner Arbeit. Man sieht ihn beim Verlegen einer Fußbodenheizung oder beim Gang durch ein neu errichtetes Haus.

"Hast Du schon mal über eine Ausbildung im Handwerk nachgedacht, dachtest Dir dann aber, ach alles nur Dreck und Schleppen und Mist? Ich sag Dir mal, dass das völlig überholt ist", wirbt er um Fachkräfte. Heutzutage werde mit modernster Technik gearbeitet. Auf seiner Webseite verspricht das Unternehmen hochwertige Arbeitskleidung, neue Werkzeuge nach Wahl und keine Überstunden.

Fachkräfte per Klick?

Über Homepage und Insta-Videos hat das Unternehmen nach eigenen Angaben tatsächlich Azubis finden können. Allerdings bisher keine fertig ausgebildeten Mitarbeiter, sagt Anja Jänicke, die für das Marketing zuständig ist. Deshalb arbeitet Jänicke mit einer Recruiting-Firma zusammen. Diese veranstaltet Umfragen in den sozialen Netzwerken.

Wer sein Interesse an einem Job in der Sanitärbranche per Klick bekundet, dessen Namen bekommt Anja Jänicke, erklärt sie. Sie rufe dann an: "Ich frage erstmal: Wo wohnen Sie? Was haben Sie gelernt? Haben Sie Lust, zu uns zu kommen? Was stellen Sie sich vor? Wollen wir mal persönlich miteinander sprechen?" Ein paar Gespräche habe Jänicke so schon führen können, bisher aber ohne Erfolg.

Headhunter unterwegs

Unternehmen, die am Ende ihrer eigenen Suche erfolglos und verzweifelt sind, melden sich schließlich bei Menschen wie Dirk Ohlmeier. Er ist Headhunter und findet für kleine und mittelständische Firmen passende Bewerber. Vor allem aber unterstützt er die Unternehmen dabei, für die Bewerber attraktiver zu werden. Das sei Schritt Nummer eins auf dem Weg zum Erfolg, rät er. Es fange schon bei der Stellenausschreibung an. Die sollte einzigartig sein und eher Angebote machen als Bedingungen stellen.

"Ein Mensch ist keine Schraube"

Fünf passende Kandidaten hat Ohlmeier kürzlich so für eine technische Firma gefunden, wie er berichtet. Das erste Vorstellungsgespräch sei aber nicht so gut verlaufen, viel zu technisch, sagt er. "Da wurde dann wirklich sehr, sehr analytisch einfach geguckt, ob die Schraube gegenüber passen würde. Da saß aber ein Mensch." Und der ließ sich das nicht gefallen, stand auf und ging, wie Ohlmeier erzählt.

Glücklicherweise habe die Geschäftsführung ihren Fehler eingesehen und daraus. gelernt So habe das Unternehmen am Ende doch noch einen neuen Mitarbeiter gefunden. Diese Bereitschaft zur Veränderung sei aber nur bei wenigen Unternehmen zu spüren, klagt der Headhunter.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.09.2022, 8:35 Uhr

Beitrag von Anja Dobrodinsky

Artikel im mobilen Angebot lesen