Strategien im Kampf gegen Fachkräftemangel - "Hast du schonmal über eine Ausbildung im Handwerk nachgedacht?"

Do 08.09.22 | 05:55 Uhr | Von Anja Dobrodinsky
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Ein Bäcker arbeitet in einer Bäckerei. (Quelle: dpa/Ute Grabowsky)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.09.2022 | Anja Dobrodinsky | Bild: dpa/Ute Grabowsky

Immer mehr große Konzerne investieren in ihre Personalabteilungen. Bei der Suche nach Fachkräften kommen reichlich Geld und kreative Ideen zum Einsatz. Kleinere Betriebe tun sich damit oft schwer - ziehen aber nach. Von Anja Dobrodinsky

Sven Röder ist Bäcker in Werder an der Havel. Schon seit zwei Jahren sucht er Verstärkung. Anfangs begnügte er sich damit, seine freie Stelle der Arbeitsagentur zu melden. Später versuchte er es mit Plakatwerbung, dann mit privaten Arbeitsvermittlern.

Alles half immer nur vorübergehend. Mal kamen Zeitarbeitskräfte aus Polen, mal ukrainische Geflüchtete. Doch nie für lange.

Nun hat er eine Agentur engagiert, die ein Video mit ihm gedreht hat. Röder ist bei der Arbeit zu sehen, das Mehl stiebt, Brotlaibe werden geformt und am Ende kommt dann sein Aufruf: "Wir sind die Bäckerei Zillmann. Du möchtest Handarbeit und Tradition weiterführen? Dann komm zu uns."

"Teurer Spaß"

Während die Registrierung von offenen Stellen bei der Arbeitsagentur kostenlos ist, hat Röder für die Plakatwerbung ein paar Hundert Euro ausgegeben. Die Vermittler kosten noch mehr. Und das Video inklusive Facebook-Kampagne war dann ein richtig "teurer Spaß, die Mercedes-Variante", sagt er.

9.000 Euro hat Röder dafür ausgegeben. Und wenn man ehrlich sei, sagt Sven Röder, sei das Video ein Versuch, Bäcker bei der Konkurrenz abzuwerben. Doch es bleibe ihm einfach nichts anderes übrig. Seit drei Wochen sei das Video online, gemeldet habe sich trotz allem noch niemand.

Modernes Handwerk

Auch die Sanitär- und Heizungsfirma Bäder Jänicke in Beelitz sucht neue Beschäftigte. Sie braucht Anlagenmechaniker und versucht es über Instagram. Hier postet einer der Mitarbeiter regelmäßig Fotos und Videos von seiner Arbeit. Man sieht ihn beim Verlegen einer Fußbodenheizung oder beim Gang durch ein neu errichtetes Haus.

"Hast Du schon mal über eine Ausbildung im Handwerk nachgedacht, dachtest Dir dann aber, ach alles nur Dreck und Schleppen und Mist? Ich sag Dir mal, dass das völlig überholt ist", wirbt er um Fachkräfte. Heutzutage werde mit modernster Technik gearbeitet. Auf seiner Webseite verspricht das Unternehmen hochwertige Arbeitskleidung, neue Werkzeuge nach Wahl und keine Überstunden.

Fachkräfte per Klick?

Über Homepage und Insta-Videos hat das Unternehmen nach eigenen Angaben tatsächlich Azubis finden können. Allerdings bisher keine fertig ausgebildeten Mitarbeiter, sagt Anja Jänicke, die für das Marketing zuständig ist. Deshalb arbeitet Jänicke mit einer Recruiting-Firma zusammen. Diese veranstaltet Umfragen in den sozialen Netzwerken.

Wer sein Interesse an einem Job in der Sanitärbranche per Klick bekundet, dessen Namen bekommt Anja Jänicke, erklärt sie. Sie rufe dann an: "Ich frage erstmal: Wo wohnen Sie? Was haben Sie gelernt? Haben Sie Lust, zu uns zu kommen? Was stellen Sie sich vor? Wollen wir mal persönlich miteinander sprechen?" Ein paar Gespräche habe Jänicke so schon führen können, bisher aber ohne Erfolg.

Headhunter unterwegs

Unternehmen, die am Ende ihrer eigenen Suche erfolglos und verzweifelt sind, melden sich schließlich bei Menschen wie Dirk Ohlmeier. Er ist Headhunter und findet für kleine und mittelständische Firmen passende Bewerber. Vor allem aber unterstützt er die Unternehmen dabei, für die Bewerber attraktiver zu werden. Das sei Schritt Nummer eins auf dem Weg zum Erfolg, rät er. Es fange schon bei der Stellenausschreibung an. Die sollte einzigartig sein und eher Angebote machen als Bedingungen stellen.

"Ein Mensch ist keine Schraube"

Fünf passende Kandidaten hat Ohlmeier kürzlich so für eine technische Firma gefunden, wie er berichtet. Das erste Vorstellungsgespräch sei aber nicht so gut verlaufen, viel zu technisch, sagt er. "Da wurde dann wirklich sehr, sehr analytisch einfach geguckt, ob die Schraube gegenüber passen würde. Da saß aber ein Mensch." Und der ließ sich das nicht gefallen, stand auf und ging, wie Ohlmeier erzählt.

Glücklicherweise habe die Geschäftsführung ihren Fehler eingesehen und daraus. gelernt So habe das Unternehmen am Ende doch noch einen neuen Mitarbeiter gefunden. Diese Bereitschaft zur Veränderung sei aber nur bei wenigen Unternehmen zu spüren, klagt der Headhunter.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.09.2022, 8:35 Uhr

Beitrag von Anja Dobrodinsky

21 Kommentare

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  1. 21.

    Also mit der hier üblichen Landessprache sollte es eher weniger Probleme geben. Stellen sie sich den möglicherweise fatalen Unterschied zwischen "Nicht ausschalten" und "Licht ausschalten" vor.

  2. 20.

    Es hat nicht jeder die Lust, mit billiger Arbeitskraft dafür zu sorgen, daß der Chef den größtmöglichen Gewinn macht. Was kostet die Arbeitsstunde eines Handwerkers und wie viel bekommt der AN davon? Ich hatte einen Tischler da. 50€ für eine Stunde. Bekommt der AN 25€ p. Std.?

  3. 19.

    Definieren Sie Ihre Beispiele. Kassen gehen automatisch, Taschenrechner gibt es auch, und ob ein Bäckerlehrling Mehl ohne H und Brot mit D schreibt ist auch egal. Ich habe während meiner 3 Jährigen Ausbildung zum Hotelfachmann immer Berichtsheft schreiben müssen. Kein Ausbilder hat überprüft, ob ich gemacht habe, was ich schrieb. Nur andere Reihenfolge der Tätigkeiten geschrieben und Tätigkeiten ausgedacht. Da kann man auch drauf verzichten.

  4. 18.

    Ich habe Hotelfachmann gelernt. Wenn man nicht im gehobenen Bereich arbeitet, benötigt man die erlernten Sachen garnicht. Normalen Gästen ist egal, ob von rechts oder links serviert wird. Auch wie viele Teller man tragen kann ist denen egal. Für eine Selbstständigkeit wird einem nichts beigebracht. Man soll ja schließlich im Betrieb bleiben.

  5. 17.

    https://www.das-radhaus.de/ausbildung ... u.a. in Spandau
    Werter RBB, bitte nicht als Werbung auffassen.

  6. 16.

    Diese Bude würde ich aber richtig verklagen, finde ich eine Frechheit.

  7. 15.

    Wie soll ich mich in einem Gewerbe bewerben (Bäckerei) die dank unserer Regierung in Pleite getrieben wird

  8. 14.

    Vielleicht hilft, dass die Studentenbuden auch immer teurer werden. Wenn eine Familie einen Studiosus in der Familie hat, dann muss man dafür schon schnell zwischen 1.000-1.200 EUR/Monat berappen. Vielleicht ist dann für viele junge Leute doch die Ausbildung die bessere Wahl und die Fehlannahme findet sehr bald ein Ende, dass jeder Abitur machen und dann auch noch Studieren muss. Auszubildende werden händeringend u.a. im Handwerk gesucht:
    https://www.hwk-berlin.de/artikel/azubi-akademie-mach-mehr-ausbildung-91,0,489.html

  9. 13.

    Also ich habe meine Ausbildung als Fahrradmonteurin angefangen und wurde dann gekündigt am letzten Tag des Probehalbjahres. Ist Routine. Billige Arbeitskräfte für nen halbes Jahr. Und vom Geld möchte ich gar nicht mehr anfangen. Das ist unterirdisch und nicht mehr möglich damit zu überleben...

  10. 12.

    Wenn junge Menschen aus der Schule direkt ins Hartz 4 Leben übergehen,weil der Staat dies ermöglicht, muss sich niemand wundern.
    Außerdem sind viele der zu uns gezogenen Menschen aus aller Welt, Analphabeten.....wo sollen da die Fachkräfte herkommen??
    Es muss an vielen Schrauben gedreht werden,um dies alles wieder in die richtige Richtung zu leiten. Nur traue ich das der aktuellen Regierung nicht zu.

  11. 11.

    Warum sollten Firmen Bewerber weiterbilden.Es ist doch davon auszugehen,das Bewerber,die die Schule abgeschlossen haben,so ein Bildungsstand besitzen das die Firma den Auszubildenden in seinen zukünftigen Beruf ausbildet.Da würde ich schon voraussetzen das man schon einiges von der Schulausbildung mitbringt und nicht im Urschleim anfängt.Lehrjahre sind noch immer keine Herren oder Damenjahre.

  12. 10.

    Zunehmend fällt aber auch auf: vielen (nicht allen) Schulabgänger* fehlen die einfachsten Umgangsformen! Selbst erlebt bei einigen Praktikanten* z.T. vom Gymnasium! Im Kundengespräch sind die Hände in den Hosentaschen (ungünstig im Blumenfachgeschäft), Grußformeln werden gänzlich eingespart,"Bitte/ Danke" völlig unbekannt, Satzbau muss nicht sein- und einfachstes Kopfrechnen bei Geldrückgabe geht ohne Rechner auch nicht... Dabei ist Florist* einer der schönsten IHK-Berufe- AUCH OHNE ABITUR !

  13. 9.

    Diese Jugendlichen, die wenig können, gab es schon immer. Nur war das früher fast bedeutungslos für Unternehmen, weil es so viele Kinder- und Jugendliche gab für die Arbeitsmarktverwertungskette. Den Verlieren gab man selbst die Schuld, speiste sie mit Sozialhilfe ab und verabschiedete sie mit einem Fernseher in ein Wohnghetto. Dort leb(t)en sie dann vor sich hin, bekamen und bekommen zahlreiche Kinder, die keinen Bezug mehr zur Mehrheitsgesellschaft haben. Und von denen erwartet man jetzt die Rettung des Abendlandes? Man muss die Menschen in der Gesellschaft halten, nicht ausstoßen, wenn sie unter der Norm liegen. Unternehmen begreifen vielleicht langsam, dass damit sogar die Hauptmaxime der Arbeitgeber, die Gewinngier, besser erreicht werden kann.

  14. 8.

    Vielleicht gibt es aber auch einfach nur zu wenig Lehrstellen, die dem Ideal einer Veganen halbtags Stelle, mit der richtigen Work Live Balance entsprechen.

  15. 7.

    Vielfach haben die heutigen Schulabgänger auch einfach nicht die nötige Bildung in unserem hochgelobten Bildungssystem erhalten, um eine wie auch immer geartete Lehre zu beginnen. Da aber auch Niemand benachteiligt werden darf, erhält auch der Leistungsschwächste einen Schulabschluss.
    Sozusagen als Muster ohne Wert.
    Wann stellt man eigentlich fest, dass in der Schule gute Leistungen in singen und klatschen allein nicht ausreichen.

  16. 6.

    Es fehlt einfach an Orientierung. Viele Berufe sind den Schülern völlig unbekannt. Dazu kommt, dass Schüler kaum Gedanken an einen Berufswunsch verschwenden. Kurz vor dem Schulabschluss wird dann das Übliche gewählt oder die Eltern "beraten".
    Wenn die Reihenfolge der Kriterien Geld - Sicherheit - Können - Neigung ist, fallen viele Berufe durch.
    Aber für viel Geld muss man in der Regel immer auch bringen. Nicht jeder führt im Bürosessel ein glückliches Berufsleben.
    Deswegen sollte man schon in Vorschulzeiten mit der Orientierung anfangen. Kitagruppen können Arbeitsplätze der Eltern besuchen. Oder man fragt bei Betrieben nach. Vielleicht kann man auch das Praktikum besser und früher für alle Schulgänge gestalten.
    Dem steht entgegen, dass Studium für bestimmte Berufe oder Gehaltsklassen immer noch Voraussetzungen sind. Ob sinnvoll oder nicht.

  17. 5.

    Laut BILD machen eh fast alle Bäcker zu wegen Kosten.

  18. 4.

    So isses! Weiß nicht mehr wer es gesagt hat, aber wir haben keinen Mangel an Fachkräften. Wir haben einen Mangel an billigen Fachkräften ;-)

  19. 3.

    Solange staatliche Transferleistungen ein Leben ohne Arbeit ermöglichen, wird sich an diesen Zuständen nichts ändern!

  20. 2.

    Wer Abitur hat will das mit einem Studium gut verwerten. Völlig verständlich. Wer will sich denn heute krumm und dreckig machen wenn er davon nicht leben kann? Löhne hoch dann kommen Azubis und Bewerber.
    Und warum sind die Firmen nicht bereit die Bewerber ggf weiterzubilden? Eigenes Versagen! Wer verdienen will muss ggf in die Bewerber investieren. Die Zeiten haben sich zugunsten der Arbeitnehmer geändert. Das sollten die Firmen begreifen! Die Zeiten des billigen schuftens sind vorbei.

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