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Audio: rbb24 Inforadio | 07.12.2022 | Hans Ackermann | Quelle: dpa/Patrick Fallon

Konzertkritik | Max Richter in der Philharmonie

Akustischer Sündenfall

Vor zehn Jahren gelang dem britischen Komponisten Max Richter mit einer Neubearbeitung von Vivaldis "Vier Jahreszeiten" ein großer Erfolg. Enttäuscht hat Hans Ackermann jedoch Richters Philharmonie-Konzert am Dienstag - mit Musik aus Lautsprechern.

Vor genau zehn Jahren entstanden Max Richters neoklassische Bearbeitung der "Vier Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi - nun hat er sie noch einmal neu aufgenommen. Mit diesem "Vivaldi recomposed" und Richters Ballettmusik "Infra" aus dem Jahr 2014 ist der britische Musiker derzeit auf Tournee. Am Dienstagabend war der 1966 in Hameln geborene und in London aufgewachsene Komponist mit einem Kammerorchester im Großen Saal der Berliner Philharmonie zu Gast.

Dunkelrot leuchtet die Bühne, wenn die gut 20 Musikerinnen und Musiker in der zweiten Hälfte des Abends im Schlusssatz aus dem "Sommer" ankommen. Max Richter ist in diesem Moment musikalisch nah am Original, überhaupt mischt er in seine "recompose"-Fassungen meist nur dezent Akkorde aus der moderner Popmusik, läßt ansonsten immer wieder gern Vivaldis farbenfrohe Originalmelodien durchscheinen. Neoklassische Dekonstruktion kann man so etwas nennen oder - geschmackvolle Anverwandlung.

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Musikalisches Farbenspiel

Hübsche Musik, besonders am Beginn der "Vier Jahreszeiten". Was nicht verwundert, wird hier doch ein sonnig blauer Frühlingstag beschrieben - oder ist er vielleicht eher hellgrün? Die Farbendiskussion drängt sich auf, weil Max Richter ein Komponist ist, der Ambient-Sounds - also schöne, ruhige und eben farbige Klangflächen aus dem Computer - erfolgreich und klangschön mit dem Instrumentarium eines natürlichen Kammerorchesters verbindet.

Problematischer Livesound

Anders als auf der vor einigen Monaten erschienenen CD kann der Klang des Ensembles im Livekonzert allerdings nicht überzeugen, obwohl exzellente Musiker am Werk sind und der Saal über wirklich jeden akustischen Zweifel erhaben ist. Woran liegt es also? Die Streichinstrumente und auch Max Richters Konzertflügel, um den herum sich die Streicher in Vierergruppen scharen (erste und zweite Geigen, vier Bratschen und ebensoviele Celli, dahinter noch drei Kontrabässe) - ihre Töne gelangen nicht auf natürlichem Weg in den Saal. Zumindest kann man das nicht hören. Denn der Ton wird hoch über den Instrumenten mit Mikrofonen abgenommen, dann über zwei große Lautsprechertürme ausgestrahlt, deutlich lauter als ein unverstärktes Orchester je spielen könnte.

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Klangliche Enttäuschung

Was in einer Mehrzweckhalle aus Beton, etwa in der Mercedes-Benz-Arena üblich ist, legitim sicher auch auf der Berliner Waldbühne, wird hier, im mit Holz und allen erdenklichen akustischen Hilfsmitteln meisterhaft konstruierten großen Saal der Berliner Philharmonie zum akustischen Sündenfall. Warum in einem der besten Konzertsäle der Welt ein vorzügliches Kammerorchester über Lautsprecher wiedergeben, statt die Instrumente einfach nur natürlich in den Raum hinein klingen zu lassen?

Irritierend ist dabei, dass Max Richter in einem Interview zum Erscheinen der CD ausdrücklich von den dort verwendeten barocken Originalklang-Instrumenten schwärmt. Mit Darmsaiten bespannt und mit leichten Barockbögen gespielt, würde auf diese zauberhafte Weise Vivaldis originale "Farbpalette" präsentiert. Aber was auf dem Album mit seinem hellen, farbigen Klang bestens funktioniert, wird im Saal leider zur klanglichen Enttäuschung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.12.2022, 6:55 Uhr

Beitrag von Hans Ackermann

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