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Quelle: dpa/Fabian Sommer

Kinofilme für Ostern

(Glaubens-)Regeln für den Karfreitagsfilm

Am Karfreitag soll es besinnlich zugehen. Dafür gibt's Regeln, zu denen auch eine Liste von Filmen gehört, die Kinos an diesem Tag nicht zeigen sollen. Auf dieser Liste wächst reichlich Moos, doch sie gilt. Von Stefan Ruwoldt

"Verboten!" - Dieses deutsche Wort hat es sogar ins Englische geschafft. Briten, Iren oder Amerikaner lieben es. Sie sagen, es klingt so schön hart. Sie sagen: Bedeutung und Klang seien eins. Die englische Steigerung lautet "very verboten". Und genau darum geht es hier: um eine Sache, die Ostern "very verboten" ist. Etwa die Kinovorführung ganz bestimmter Filme.

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Der religiöse Charakter ist in Gefahr

"Very verboten" sind zu "stillen Feiertagen" wie dem Karfreitag Kinovorführungen von Filmen, die dem religiösen und "ernsten" Charakter des Festes entgegenstehen - welche das sind, ist bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft [fsk.de] aufgelistet. Spiel, Spaß, Sport und Musik stören demnach das Gedenken an die Kreuzigung.

Entsprechend dieser Logik gelten manche Filme als "Bildung", vielleicht noch als "gebildete Unterhaltung" oder "Zerstreuung", und sie sind darum von der FSK gestattet. Starker Tobak aber, wie etwa Horror oder Angst, soll am Kreuzigungstag nicht auf den christilichen Leinwänden der deutschen Kinos zu sehen sein.

Am Karfreitag, könnte man denken, steht der FSK-Pfarrer am Projektor. Aber dieses "very verboten" ist auch nach Ansicht der FSK, eine von der Kinobetreibern und der Filmwirtschaft annerkannte Einrichtung, ein sehr antiquiertes Siegel, weshalb sie es selbst kaum noch verwendet.

Der Stempel "NF - nicht feiertagsfrei"

Die Idee dieses institutionellen Verbots stammt noch aus der Hochzeit des Kinos, als kaum ein Haushalt einen Fernseher hatte, als Hörspiele mit Gruseleffekten für Gruppenaufläufe in Großstadtschluchten sorgten und als der Vati noch ganz offiziell auch im Kinderzimmer rauchen durfte: aus dem Jahr 1952.

1952 starteten die neu eingerichteten Prüfgremien der FSK ihre Arbeit und entschieden, ob ein Film an den "stillen Feiertagen" vorgeführt werden darf. "Filme, die dem Charakter dieser Feiertage so sehr widersprechen, dass eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens zu befürchten ist", lautete das Urteil für Streifen, die dann keine Feiertagsfreigabe bekamen. Die Stempeletiketten lauten "FF" und "NF", also "feiertagsfrei" und "nicht feiertagsfrei [Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, spio-fsk.de].

Regeln für die Besinnung - aber nur für die Kinos

Dieses "Verboten" gilt für Karfreitag, aber auch am Volkstrauertag, am Totensonntag, am Buß- und Bettag und Allerheiligen. Es sind Regeln für die "stillen Feiertage". Und sie gelten nicht etwa für alle Medien, oder für die Ausstrahlung im Fernsehen, sondern nur und ausschließlich fürs Kino.

"Sie gehen zurück auf Bestimmungen aus der Weimarer Republik und stammen aus einer Zeit, als Filme ausschließlich im Kino vertrieben wurden", sagt Geschäftsführer der FSK, Stefan Linz, rbb|24. Das Kino galt damals als Sündenpfuhl, an den man strenge Bademeister schicken musste. Diese Aufgabe bekam die FSK.

Richtschnur für die Ordnung auf der Feiertags-Kinoleinwand wurde eine Tabelle, eine Auflistung der - nach karfreitäglicher Ordnung - völlig unchristlichen filmischen Übelkeiten. Die Regelungs- und Eingreiffreudigkeit der FSK allerdings ist über die Jahre und sehr schnell und sehr deutlich zurückgegangen, sagt Linz und belegt das mit Zahlen: "In den Jahren 2021 und 2022 erhielt jeweils ein Kinofilm von 354 bzw. 392 geprüften keine Feiertagsfreigabe, 2020 gab es keinen ohne Freigabe."

Und noch stärker verdeutliche ein Vergleich der Jahrzehnte, wie sich die Freigabepraxis gewandelt habe: "Wurde in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren über die Hälfte aller Kinospielfilme 'nicht feiertagsfrei' gegeben, sank der Prozentsatz kontinuierlich auf 33,1 Prozent in den 1980ern und 3,8 Prozent in den 1990er Jahren." Nach dem Jahr 2000 habe der Anteil der Kinospielfilme ohne Feiertagsfreigabe bei einem Prozent und darunter gelegen.

Theoretisch für den Feiertag zugelassen, aber praktisch....

Für viele Filme aus den früheren Jahrzehnten würde es bei den Kolleginnen der heutigen FSK mit großer Sicherheit eine Freigabe geben, heißt es, die Verleiher müssten dafür nur eine erneute Begutachtung beantragen. Doch passiere nur für wenige Filme, so die FSK. Also gilt - zumindest auf dem Papier - weiter, was die Bewertungskammer für viele Filme vor Jahrzehnten beschloss: Ungeeignet für die 18-Uhr-Vorstellung am Karfreitag sind so weiterhin "Batman hält die Welt in Atem" (1966). "Ghostbusters ‐ Die Geisterjäger" (1984) oder "Der Terminator" (1984).

Dazu kommt noch, dass sich in der Kategorie NF - also "nicht feiertagsfrei" - auch weniger oder gar nicht krawallige Produktionen finden. Dies liege daran, dass schon von Anfang an keine Freigabe beantragt worden sei, wie die FSK erklärt. Die Filmverleiher, von denen die Filme an die Kinos gehen, müssen eine Freigabe für die stillen Feiertage beantragen.

Die für die Verleiher wichtigste FSK-Leistung ist die Freigabe-Einschätzung für die einzelnen Altergruppen. Wenn der Antrag auf Feiertagsfreigabe nicht gleichzeitig mit dem für die Alterskategorisierung ergeht, bekommen die Filme den "NF"-Stempel. Die FSK verweist darauf, dass diese Prüfung auf Freigabe für die Feiertage nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Als prominente Beispiele für eine erst später bei einer Neuvorlage ergangenen Freigabe nennt die FSK "Die Feuerzangenbowle". Auch "Mary Poppins" wurde erst nachträglich für Karfreitag zugelassen.

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Und so ist die NF-Liste lang: Auf ihr sind inzwischen 700 Filme verzeichnet. So steht "Mad Max" auf der Liste, genauso wie "Didi und die Rache der Enterbten", "Bonnie und Clyde", "Dirty Harry kommt zurück", "Dumm und Dümmerer 2", "Rififi am Karfreitag", "Django" und natürlich - und hier ist es wohl als Auszeichnung zu verstehen, die bei einem Neuzulassungsantrag ganz sicher verloren gehen würde: "Das Leben des Brian".

In den letzten sieben Jahren sind 14 Filme hinzugekommen, darunter der weltberühmte und natürlich horrorige Film "Camp" von 2019 oder der "Beinahe-Porno" aus dem gleichen Jahr "Love, Sex and Pandemic", über den die "Süddeutsche" schrieb (ohne auf die fehlende FSK-Freigabe zu verweisen), dass er so gefühllos daherkomme, "dass man ihn für Zölibats-Propaganda halten könnte".

Was passiert, wenn so ein Streifen doch mal läuft?

Die entscheidende Frage aber ist: Was passiert, wenn so ein Streifen mit Karfreitagsverbot nun doch läuft. Hier verweist die FSK auf die kommunalen und landesgesetzlichen Regelungen. Die FSK selbst geht nach eigenen Angaben nicht gegen Kinobetreiber vor, die gegen die Beschränkungen verstoßen. FSK-Geschäftsführer Linz verweist auf die "Verantwortung der Kinoveranstalterinnen". Bundesweite Zahlen über mögliche Strafen, Mahnungen oder Aufforderungen gebe es nicht.

Als Paradebeispiel gelte hier die Auseinandersetzung über "Das Leben des Brian", den der Verein "Religionsfrei im Revier" in Essen trotz des NF-Stempels jahrelang gezeigt habe, was aber wohl nie bestraft wurde, so Linz. Auch sei die Liste ohnehin von keinem praktischen Wert mehr, weil das Gros der verzeichneten Filme keine Verleiher mehr habe und sie also darum nicht im Kino gezeigt würden. Und: "Ganz ehrlich: Karfreitag ist außerdem auch kein typischer Kinotag."

Die meisten Filme dieser Uralt-FSK-Liste liegen also in der Mottenkiste. Und ganz oben: Die Liste selbst.

Sendung:

Beitrag von Stefan Ruwoldt

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