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Quelle: dpa/S. Stache

Kunsttherapie

Charité will zum Leuchtturm für die Entwicklung von Kunst und Medizin werden

Ärzte und Heiler haben viele Jahrhunderte lang Künste therapeutisch eingesetzt. Heute gehören solche Therapien nicht mehr zur Regelversorgung in der Medizin. Ein Netzwerk von Direktoren und Chefärzten der Charité will dies ändern. Von Maria Ossowski

Eierstockkrebs ist eine Erkrankung, die oft einen aggressiven Verlauf nimmt. Jalid Sehouli forscht zu Ovarialkarzinomen und behandelt sie als Direktor der Gynäkologie an der Charité. Vor vier Jahren richtete er für seine Patientinnen einen regelmäßigen kreativen Schreibworkshop ein, für akute Fälle, aber auch jene, die bereits therapiert wurden. Einmal in der Woche treffen sich die Patientinnen. Sehouli nutzt Drittmittel dafür, eine Schreibtherapie, erzählt er, gehört nicht zur Regelversorgung.

"Das Schreiben ist ja wie ein Tagebuch oder wie eine enge Freundin. Das ist ein Raum, den man nur mit sich selbst teilt, der Sätze in sich trägt, die nur der Schreibende kennt", sagt Sehouli. Darin liegt für den Arzt der Sinn dieser Therapieform: "Es ist großartig, wenn ich einen Raum finde, um Selbstbewusstsein, aber auch Selbstreflektion aufbauen zu können."

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Institutsbildung in Zukunft denkbar

Was im Altertum und im Mittelalter noch häufig angewandt wurde - therapeutische Ansätze mit Musik, Kunst, Tanz und Schreiben -, das ist in der Moderne oft in Vergessenheit geraten. Es fehlen Zahlen, die Heilerfolge belegen, es fehlt die Evidenz. Studien weltweit dazu sind von unterschiedlicher Qualität. Es gilt, so Stefan Willich, alle Erkenntnisse zum Thema Kunst und Medizin zusammenzutragen.

Willich ist Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité, er hat das Netzwerk gegründet. Zudem ist er Geiger und Dirigent. "Das Netzwerk möchte die Aktivitäten in den Bereichen Kunst und Medizin bündeln, fördern und vernetzen. In Zukunft könnte sich durchaus daraus ein Institut, ein Department, eine Gesellschaft bilden. Aber mit dem Netzwerk starten wir", sagt Willich. Das Netzwerk möchte ein Register aufbauen, Leitlinien entwickeln und die Qualität der Therapien sichern.

Seit 1950 entwickelte sich eine Renaissance der Musiktherapie. Sie hat signifikante und klinisch relevante Wirkungen bei Depressionen, bei Herzkreislaufproblemen, neurologischen Befunden und in der Schmerztherapie. Über tausend Studien weltweit gibt es dazu.

Professor Sehouli plädiert dafür, die Kunst in der Therapie viel stärker zu nutzen: "Wenn ich zum Beispiel die Musik liebe, warum soll ich das in meinem Gespräch aussparen? Und wenn das einem Menschen extrem wichtig ist, sich mit der Kunst, dem Schreiben, das Malen abzugrenzen, warum sollte ich das nutzen, um in den Dialog zu gehen? Aber auch um die Gesundheit zu stärken?"

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Bilder können die Kommunikation eröffnen

Mattias Rose, der Direktor der psychosomatischen Klinik an der Charité, nutzt die bildende Kunst, um seinen Patientinnen und Patienten Wege zu zeigen, sich auszudrücken. Bei den Patienten, die behandelt werden, gehe es häufig darum, dass emotionale Not entstanden sei. "Wir kennen das alle. Wir sind verzweifelt, wir haben Angst, Schmerzen. Das sind sehr archaische Gefühle und die sind in einem Bild besser ausdrückbar, wir sind leichter berührt als wenn ich das mit Worten erkläre", sagt Rose.

Seine Patienten betrachten Bilder und beschreiben, welche Wirkung diese auf sie haben - und sie malen auch selbst. Dazu brauche es Mut, denn die Patienten müssen dabei selbst entscheiden, welche Themen sie malen. "Manchmal kann ich in meinem eigenen Bild nicht erkennen, was ich ausdrücken möchte, aber der Versuch alleine eröffnet die Kommunikation", sagt Rose. In der Therapie könne nicht sofort die persönliche Situation in der Arbeit oder in Beziehungen geändert werden, wohl aber den Umgang damit anders emotional repräsentieren.

Charité will Leuchtturm für Entwicklung von Kunst und Medizin werden

Das Netzwerk möchte auch Architektur einbinden, denn sie entscheidet mit über Wohlfühlaspekte der Menschen. Sie kann gesund, aber auch krank machen. Mit all diesen Vernetzungen verschiedener Disziplinen will die Charité Leuchtturm für die wissenschaftliche Entwicklung von Kunst und Medizin werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.10.2023, 12.55 Uhr

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